Sankt Martin ist ein schwieriges Bistumspatronat

Nur wenige Diözesen tragen seinen Namen

Jeder November zeigt es, wenn Kinder mit Laternen durch die Straßen laufen: Kaum ein anderer Heiliger ist so tief im Volksglauben verwurzelt wie Sankt Martin. Warum schmücken sich nur wenige Bistümer mit seinem Namen?

Autor/in:
Michael Jacquemain
Sankt Martin heute / © Rolf Vennenbernd (dpa)
Sankt Martin heute / © Rolf Vennenbernd ( dpa )

Martinszug und Martinslieder, Martinslaternen und Martinsfeuer, Martinsgans und Martinsweck: Mit keinem anderen Namen eines Heiligen ist eine so große Zahl tief im Brauchtum verwurzelter Sitten verbunden wie mit dem Mann, der nach der Legende seinen Mantel mit einem Schwert teilte und die Hälfte einem Bettler schenkte.

Martinszug mit Laternen / © Martin Schutt (dpa)
Martinszug mit Laternen / © Martin Schutt ( dpa )

Erstaunlich gering wirkt dagegen, dass von europaweit mehr als 700 Bistümern nicht einmal ein Prozent Martin als ihren Patron auserkoren hat. Zu den sechs Bistümern mit Martins-Patenschaft gehört das ungarische Szombathely (Steinamanger). Dort wurde Martin im vierten Jahrhundert geboren. Johann Szily, der erste Bischof, entschied Ende des 18. Jahrhunderts, sein Bistum unter den Schutz des Heiligen zu stellen.

Heute erinnert neben der Martinskirche ein großes Besucherzentrum mit einer Ausstellung an Leben und Legenden. Die Verbindung setzt sich bis ins digitale Zeitalter fort. Die Internetadresse des Bistums: www.martinus.hu.

Gut dazu passt www.martinus.at. Wer dorthin klickt, landet beim Bistum Eisenstadt im Burgenland - also jenem Teil Österreichs, der nach dem Ersten Weltkrieg vom damaligen Königreich Ungarn getrennt wurde. Auch in Eisenstadt steht ein Martinsdom, und die Kirchenzeitung heißt "martinus". Um das Gedenken hochzuhalten, wird seit 2021 an jedem 11. eines Monats eine Martinsfeier abgehalten. Die Zuwendung zu sozial Benachteiligten sieht Bischof Ägidius Zsifkovics als "Dauerauftrag für die Kirche" und nennt sie "konkrete Martinstaten für die Martinsdiözese".

St. Martin in Deutschland

Ähnlich formuliert es Bischof Gebhard Fürst. Er nennt die württembergische Diözese "Martinsland" und sieht den Heiligen "am Anfang des christlichen Europas" und als "Leitfigur der Seelsorge".

Das Stichwort: Martinstag

Der Martinstag erinnert an den im November 397 gestorbenen Bischof Martin von Tours, der Kranke geheilt haben soll und als Wohltäter gilt. Normalerweise finden am Martinstag traditionell Martinsumzüge statt. Bei den Laternen-Umzügen werden Lieder wie "Martin ist ein guter Mann, zündet ihm die Lichter an" oder der Klassiker "Laterne, Laterne, Sonne, Mond und Sterne" gesungen. Allerdings entfallen öffentliche Umzüge in diesem Jahr wegen der verschärften Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie.

St. Martinszug / © Oliver Berg (dpa)
St. Martinszug / © Oliver Berg ( dpa )

Immer wieder ruft Fürst den Bistumspatron in Erinnerung und begründet mit ihm das sozial-diakonische Engagement. Aber Martin ist nicht nur Sache des Bischofs: In Württemberg tragen rund 150 und damit außergewöhnlich viele katholische und evangelische Kirchen seinen Namen.

Zweite deutsche Martinsdiözese ist Mainz. Auch hier heißt der Dom so; und auch hier beschreibt ihn Bischof Peter Kohlgraf als Leitfigur für das praktische Arbeiten im Bistum mit seinen 23 Martinskirchen: "An seinem Leben und Wirken lässt sich ablesen, wie das kirchliche Leben auch heute dem Evangelium gemäß gestaltet werden kann." Mit Mainz historisch verbunden ist die bis heute anhaltende Martins-Verehrung im Eichsfeld, weil die zu den Bistümern Erfurt und Hildesheim zählende Region Teil des früheren Fürstbistums Mainz war.

Frankreich und St. Martin

Natürlich hat der Heilige auch die Schirmherrschaft im Erzbistum Tours, wo in der Krypta der Basilika sein Grab ist. 1.625 Jahre nach seinem Tod weist der amtierende Erzbischof Vincent Jordy darauf hin, dass sich alle Oberhirten der französischen Stadt als Martins Nachfolger verständen. Auch in Tours hat Martin den Sprung in die Gegenwart geschafft: Es gibt den Bistumssender "Radio Saint Martin", und es besteht die Möglichkeit, unter www.basiliquesaintmartin.fr/intention-de-priere Bittgebete an den Heiligen abzusenden.

Auch wenn zur vollständigen Liste der Martins-Bistümer das Co-Patronat in der nordwestspanischen Diözese Ourense mit ihren 32 Martinskirchen gehört - in der Summe ist das angesichts des Bekanntheitsgrades des Heiligen wenig. Für den rheinischen Brauchtumsforscher Manfred Becker-Huberti allerdings leicht erklärbar: Bistumspatronate, sagt er, sind meist eng mit heute teils unbekannten lokalen Traditionen verwoben - und spiegeln politische oder geographische Zusammenhänge aus der Gründerzeit wider.

Über die Patrozinien neuer Bistümer entschieden Bischöfe, und die betrachteten Martin eher als Reizfigur: "Martin lebte im Unterschied zu den allermeisten von ihnen arm, zölibatär und kümmerte sich um die Seelsorge." Warum also mit einer Schirmherrschaft die Latte so hoch hängen? Dann lieber einen lokal verehrten Menschen oder Maria oder noch besser Petrus als Schirmfrau oder Schirmherrn nehmen, um die Verbundenheit mit der römischen Zentrale zu bekunden.

Auch die Kirche im frühmittelalterlichen Frankenreich, von dem die Martins-Verehrung ausging, machte aus Becker-Hubertis Sicht einen großen Fehler: Sie ging äußerst sparsam mit Martins leiblichen Überresten um und behielt sie lieber selbst. Die Reliquienverehrung und die damit verbundenen Kulte und Riten entwickelten sich nicht so richtig.

Umso spannender, dass heute mit dem Europarat eine weltliche Institution das Gedenken an den Heiligen befördert und sein Potenzial sieht. Es geht um den Wunsch des früheren EG-Kommissionspräsidenten Jacques Delors, Europa eine Seele zu geben. Und für dieses Ideelle stand für ihn Martin. Die mit dem Europarats-Logo versehenen Martinswege verbinden den Osten mit dem Westen des Kontinents.

Quelle:
KNA