DOMRADIO.DE: Die meisten Heiligen haben nur einen Gedenktag. Was ist bei Johannes dem Täufer anders?
Jan Hendrik Stens (Theologie-Redaktion): Er hat zwei Gedenktage. Neben Christus und Maria ist er der einzige Heilige, dessen Geburtstag gefeiert wird - und zwar am 24. Juni. Am 29. August aber gedenkt die Kirche seines Todestages, sprich des Endes seines irdischen Lebens und des Übergangs in das ewige Leben, wie es bei den meisten Heiligen der Fall ist. Die Kirche feiert bei ihm den Geburts- und Todestag, weil er als Vorläufer Jesu Christi gilt und als Mittler zwischen Altem und Neuem Bund.
DOMRADIO.DE: Johannes wurde enthauptet. Warum ist er auf diese Weise ums Leben gekommen?
Stens: Zwei Evangelien - Markus und Matthäus - erzählen die Geschichte der Stieftochter des Herodes Antipas, die vor diesem tanzt und den König damit so sehr verzückt, dass er ihr anbietet, sie solle sich etwas wünschen - ganz egal, was es ist. Daraufhin läuft die Stieftochter zu ihrer Mutter Herodias und fragt, was sie sich wünschen solle und die Mutter antwortet: Wünsche dir den Kopf des Täufers.
Der Hintergrund ist, dass Johannes als Prophet jemand war, der auch Missstände angeprangert hat und dafür bekannt war, kein Blatt vor den Mund zu nehmen. Herodias war ursprünglich mit Herodes' Bruder verheiratet. Sie war wohl eine sehr ehrgeizige Frau, ihr Mann war allerdings nicht der Erbe. Das war Herodes Antipas, ihr Schwager. Wohl deswegen ging sie mit diesem eine Beziehung ein.
Herodes Antipas hat dann seine erste Frau - immerhin eine Königstochter - verstoßen und stattdessen Herodias geheiratet. Das hat Johannes der Täufer ganz scharf angeprangert und deswegen ist er auch ins Gefängnis geworfen worden. Aber Herodes, so heißt es in den Evangelien, habe sich davor gefürchtet, ihn umbringen zu lassen, weil Johannes im Volk sehr angesehen gewesen sei. Somit ist es dann zu dieser Geschichte gekommen, dass Johannes wegen eines leichtfertigen Versprechens des Königs enthauptet wurde. Der Geschichtsschreiber Flavius Josephus vermutet hingegen politische Motive hinter der Hinrichtung.
DOMRADIO.DE: Und solche Geschichten werden natürlich weitererzählt, ob sie jetzt komplett wahr sind oder nicht. Der Kopf Johannes des Täufers wird besonders verehrt. Doch scheinbar gibt es nicht nur einen, oder?
Stens: Hier gibt es viele Sagen und Legenden. Es sind weltweit acht Orte, die die Aufbewahrung des Hauptes von Johannes dem Täufer für sich in Anspruch nehmen. Der bekannteste ist die Umayyaden-Moschee in Damaskus - auch bei den Muslimen wird Johannes der Täufer als Prophet verehrt und deshalb wurde das Grab bei der arabischen Eroberung von Damaskus nicht geplündert oder zerstört.
Aber auch in der abendländischen Welt finden sich Orte, die den Kopf des Johannes aufbewahrt haben wollen - etwa die Kathedrale von Amiens oder die Kirche San Silvestro in Capite in Rom. Es gibt offensichtlich mehrere Köpfe Johannes' des Täufers. Doch hier zählt offensichtlich mehr die Verehrung des Propheten als die Echtheit der Reliquie.
DOMRADIO.DE: Welches Brauchtum ist denn mit der Enthauptung des Johannes oder mit dem 29. August verbunden?
Stens: In Amiens wurden Kopien der Johannes-Reliquie hergestellt - sogenannte "Johanneshäupter" oder auch "Johannesschüsseln". Diese sollten gut sein gegen Kopfweh, Halskrankheiten oder auch bei Unfruchtbarkeit. Es gibt eine Bauernregel, die mit der Enthauptung Johannes' des Täufers zusammenhängt. Die lautet: Wenn's an Johanni Enthauptung regnet, dann verderben die Nüsse. Auch einige Kirchen tragen das Patrozinium der Enthauptung des Täufers wie zum Beispiel in Lohmar.
Das Interview führte Dagmar Peters.