Auch wenn es vorher nicht offiziell bestätigt wurde - natürlich war die Vatikan-Instruktion zum Thema Gemeindereformen das Thema beim Ständigen Rat, dem Treffen der 27 katholischen Ortsbischöfe am Montag in Würzburg. Zumal sich die Bischöfe erstmals getroffen haben, seit die Überraschungspost aus Rom am 20. Juli auf den Schreibtischen gelandet war und seitdem für heftige Reaktionen sorgt - von Theologen, aber auch von vielen Bischöfen.
Auffällig dabei: Der Konferenz-Vorsitzende hatte sich - fast als einziger - bisher nicht positioniert. Limburgs Bischof Georg Bätzing wollte in seiner Rolle als Moderator zunächst die Beratungen in Würzburg abwarten. Das Ergebnis: Bätzing wird das vom Präfekten der Kleruskongregation, Kardinal Beniamino Stella, übermittelte Gesprächsangebot annehmen. Doch er will nicht nur mit Bischöfen nach Rom reisen, sondern auch mit Laien, deren Beteiligung an der Leitung von Pfarreien ja zu den entscheidenden Knackpunkten des Schreibens gehört.
Konkret will Bätzing vorschlagen, das Gespräch mit dem Präsidium des Synodalen Weges zu führen, "da Bischöfe, Priester, Diakone und Laien in der Instruktion gleichermaßen angesprochen werden". Zum Präsidium gehören neben Bätzing und seinem Stellvertreter, Osnabrücks Bischof Franz-Josef Bode, der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, und ZdK-Vizepräsidentin Karin Kortmann.
Noch nie dagewesene thematische Schwerpunkte
Im Reformdialog Synodaler Weg geht es unter der Leitung von Bischofskonferenz und ZdK um die Zukunft kirchlichen Lebens. Thematische Schwerpunkte der Initiative, die es in dieser Form noch nie gab, sind Sexualmoral, priesterliche Lebensform, Macht und Gewaltenteilung sowie die Rolle von Frauen in der Kirche.
Wie wird Rom darauf reagieren? Schon das Gesprächsangebot war ein ungewöhnlicher Schritt. Die Kleruskongregation werde die deutschen Bischöfe gerne empfangen, um deren Zweifel und Verblüffung zu beseitigen, hatte Kardinal Stella der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) gesagt. Doch da war nur von Bischöfen die Rede. Aber kann der Vatikan jetzt den Vorschlag aus Deutschland ablehnen?
Ein Blick zurück auf die bisherigen Reaktionen. Bätzings Stellvertreter Bode gehörte zu den ersten, die das Schreiben kritisierten: als "starke Bremse der Motivation und Wertschätzung der Dienste von Laien". Zudem habe er erwartet, dass sich Rom vorher besser mit den Realitäten vor Ort vertraut mache. Wenn der Vatikan Laien von der Gemeindeleitung weitgehend ausschließe - auch als Teil von Leitungsteams - und die Rolle der Priester so hervorhebe, sei das eine "Umkehr zur Klerikalisierung".
Kritik an Roms Vorgehen
Bätzings Vorgänger, Kardinal Reinhard Marx, kritisierte den Stil: "Es ist schon etwas merkwürdig, wenn ein Dokument von Rom kommt, ohne dass jemals mit uns darüber gesprochen wurde." So dürfe das Miteinander von Universal- und Teilkirche nicht aussehen. Die Instruktion habe Misstrauen gesät und Gräben vertieft, was zu neuen Spaltungen und Spannungen führe.
Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf betonte, er sorge sich "um die vielen (noch) Engagierten". Diese könnten bald "genug davon haben, wenn ihr Engagement nur misstrauisch beäugt und von oben herab bewertet wird." Aus Sicht des Bamberger Erzbischofs Ludwig Schick bringt das Schreiben "mehr Schaden als Nutzen". Es sei theologisch defizitär, vernachlässige neue Entwicklungen und gehe nicht auf die Situation der Kirche vor Ort ein.
Die Bischöfe von Trier und Essen, Stephan Ackermann und Franz-Josef Overbeck, bemängelten zudem, dass die Instruktion kein Wort zu den Missbrauchsfällen und zu klerikalem Machtmissbrauch sage. "Wie kann eine Kongregation, die für den Klerus zuständig ist, im Jahr 2020 ein Dokument verfassen, in dem darauf nicht einmal Bezug genommen wird?", fragte Ackermann.
Angesichts des Priestermangels sieht Overbeck zudem keine Alternative zu den laufenden Erneuerungsprozessen: "Was das Dokument einfordert, ist faktisch gar nicht zu realisieren, weil es die Priester gar nicht mehr gibt, die allein zahlenmäßig benötigt würden, um all den Vorgaben zu entsprechen."
Der Magdeburger Bischof Gerhard Feige ergänzte, er lasse sich von den "restriktiven Anordnungen aber nicht lähmen und blockieren, da vieles darin ziemlich wirklichkeitsfern ist". Das Papier zeige auch "keinerlei positive Lösungsmöglichkeiten angesichts des noch größer werdenden Priestermangels".
Etliche Bischöfe betonten, sie wollten an ihren geplanten Reformen unter intensiver Beteiligung der Laien festhalten - etwa Rottenburgs Bischof Gebhard Fürst und die Erzbischöfe Stefan Heße (Hamburg) und Stephan Burger (Freiburg), der sagte: "Natürlich respektiere ich diese Leitlinien aus dem Vatikan. Aber ebenso müssen wir den Entwicklungen und Realitäten in unserem Land gerecht werden."
Kardinal Woelki begrüßt Papier
Neben der zum Teil ungewöhnlich deutlichen Kritik gab es aber auch andere Stimmen: Als erster lobte der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki das Papier der Kleruskongregation, der er übrigens selbst als einziges deutschsprachiges Mitglied angehört. Es gebe viele Anregungen für einen missionarischen Aufbruch der Kirche: "Zugleich ruft es uns Grundwahrheiten unseres Glaubens in Erinnerung, die wir gerade in Deutschland vielleicht manchmal aus dem Blick verlieren, wenn wir zu sehr mit uns selbst beschäftigt sind."
Eichstätts Bischof Gregor Maria Hanke würdigte "viele wertvolle Impulse" für den missionarischen Aufbruch. Er warnte zugleich davor, in der Instruktion "einen Kampf um die Rollen in der Kirche zu sehen oder nun das Verlierer-Sieger-Schema zu bemühen"
Der Görlitzer Bischof Wolfgang Ipolt betonte, er könne keine "Alleinherrschaft" des Pfarrers herauslesen. Die Instruktion verpflichte diesen zur Zusammenarbeit mit den verschiedenen Gremien: "Wer hier aus welchen Gründen auch immer Klerikalismus wittert, hat diese Hinweise wohl übersehen." Passaus Bischof Stefan Oster warnte vor einem falschen Blick auf Macht und Autorität. Modern leiten heiße, im Team zu leiten. Zugleich lobte er die Anregungen des Papiers für eine missionarischere Kirche.
Als einer der letzten bisher begrüßte Regensburgs Bischof Rudolf Voderholzer das Schreiben. Dass die Letztverantwortung in einer Pfarrei nur dem Pfarrer zukommen könne, sei doch «eine Selbstverständlichkeit». Dieser sei dabei natürlich auf eine gute Zusammenarbeit mit den Laien angewiesen.
Zugleich warnte er davor, den Priesterberuf schlechtzureden. Dadurch werde man den Priestermangel sicher nicht überwinden: "Wenn wir aber vom Himmel wieder mehr Priesterberufe erbitten und empfangen, wird es auch in den vielen anderen pastoralen Berufen ... wieder mehr Berufungen geben." Kirche sei keine "Quasi-Demokratie", ergänzte Voderholzer und erteilte auch der Einrichtung von Großpfarreien eine Absage.
Und wie geht es jetzt weiter? Das Thema bleibt ein "heißes Eisen" - im Vatikan genau wie Anfang September bei der nächsten Runde des Synodalen Wegs, und auch bei der Bischofsvollversammlung Ende September in Fulda.