Rainer Maria Kardinal Woelki hat sich zur Debatte um eine Öffnung der Corona-Beschränkungen mit Blick auf die Feier von Gottesdiensten auf Twitter geäußert. "Ich hoffe sehr, dass wir mit Augenmaß und Sorgfalt schon bald wieder Gottesdienste feiern können," so der Kölner Erzbischof.
Er meine damit kein kopfloses Zurück zur Normalität, "sondern Gottesdienste, in denen wir uns genau an die Regeln halten, die wir in den letzten Wochen gelernt haben."
Erzbischof Schick: Bei Lockerung Gottesdienste wieder erlauben
"Wenn das Versammlungsgebot gelockert wird, freuen wir uns und wollen daran teilhaben", schrieb Bambergs Erzbischof Ludwig Schick am Dienstag auf Facebook. "Zusammenkommen, um zu beten, zu singen, hören und schweigen ist für uns wichtig, tut den Menschen gut und der Gesellschaft auch, ist also systemrelevant."
Livestream-, Fernseh- und Radiogottesdienste seien allerdings eine gute Möglichkeit für Ausnahmesituationen, so der Bamberger Erzbischof.
Gleichzeitig unterstrich Schick, dass die Kirchen die Entscheidungen der Politik respektierten: "Was von den Politikerinnen und Politikern entschieden wird, wird von unseren Gebeten und unserer Mitarbeit begleitet."
Es müsse alles getan werden, um die Pandemie einzudämmen und zu überwinden. "Die Nächstenliebe verpflichtet uns dazu." Man hoffe und bete, dass die schwierige Situation überwunden werde.
Leopoldina: Öffentliches Leben unter Bedingungen normalisieren
Erzbischof Schick bezieht sich auf die Empfehlungen der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina. Sie machten Vorschläge, unter bestimmten Voraussetzungen so bald wie möglich zuerst Grundschulen und die Sekundarstufe I schrittweise zu öffnen. In der am Montag veröffentlichten Stellungnahme der Wissenschaftler, die sich mit weiteren Schritten in der Corona-Pandemie beschäftigt, heißt es unter anderem zu den Voraussetzungen, die Infektionen müssten auf niedrigem Niveau stabilisiert und die bekannten Hygieneregeln eingehalten werden. Zudem sprechen sich die Experten für eine Masken-Pflicht etwa in Bussen und Bahnen aus.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte die Studie der Leopoldina als "sehr wichtig" für das weitere Vorgehen bezeichnet. Zur Sekundarstufe 1 gehören etwa Hauptschulen, Realschulen, Gesamtschulen bis Klasse 10 sowie Gymnasien bis einschließlich der Klassen 9 beziehungsweise 10.
In der Stellungnahme "Die Krise nachhaltig überwinden" sagen die Experten, dass auch viele weitere Teile des öffentlichen Lebens schrittweise unter bestimmten Voraussetzungen wieder normalisiert werden können. Zunächst könnten etwa der Einzelhandel, das Gastgewerbe und Behörden öffnen. Aber auch private und dienstliche Reisen sowie gesellschaftliche, kulturelle und sportliche Veranstaltungen könnten wieder stattfinden.
Pandemie wird Wirtschaft und Gesellschaft noch Monate bestimmen
Hierfür müssten jedoch zunächst auch "notwendige klinische Reservekapazitäten aufgebaut" und auch andere Patienten wieder regulär aufgenommen werden. Als Voraussetzung wird auch jeweils genannt, dass Hygieneregeln diszipliniert eingehalten werden. Und auch wenn jetzt über eine Normalisierung des gesellschaftlichen Lebens diskutiert wird, machen die Experten klar, dass "die Pandemie das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben noch auf Monate bestimmen wird".
Zur Öffnung von Schulen und Kitas heißt es weiter: "Da kleinere Kinder sich nicht an die Distanzregeln und Schutzmaßnahmen halten können, gleichzeitig aber die Infektion weitergeben können, sollte der Betrieb in Kindertagesstätten nur sehr eingeschränkt wiederaufgenommen werden." In Kitas sollten maximal fünf Kinder in einem Raum sein. Weil ältere Schüler Fernunterricht besser nutzen könnten, wird empfohlen, dass diese erst später wieder zum gewohnten Unterricht zurückkehren sollten.
Die Wissenschaftler machen im Bildungsbereich auch weitere konkrete Vorschläge, wie der Unterricht künftig stattfinden könne. Zunächst solle sich etwa auf die Schwerpunktfächer Deutsch, Mathe und Fremdsprachen konzentriert werden. Zudem sollten konstante Lerngruppen gebildet werden, um das Ansteckungsrisiko zu verringern. Als Gruppengröße wird eine Zahl von 15 Schülerinnen und Schülern genannt, sofern entsprechend große Klassenräume vorhanden sind.
Keine Extra-Verbote für Riskiogruppen
Explizit abgelehnt wird eine Isolierung von einzelnen Bevölkerungsgruppen zu deren Schutz. Dies sei eine "paternalistische Bevormundung". Dennoch müsse Rücksicht genommen werden. "Die Krankheitswirkung von belastenden Ereignissen hängt wesentlich davon ab, ob ein Individuum sie als vorhersagbar und kontrollierbar erlebt oder nicht", heißt es mit Blick auf die psychischen und sozialen Folgen der Pandemie.
Daneben geht die Nationale Akademie der Wissenschaften auch auf technische Aspekte ein. Etwa durch freiwillig bereitgestellte GPS-Daten könne die Entscheidungsgrundlage für Maßnahmen optimiert werden. Dies sei auch hilfreich, da sich die Pandemie regional sehr unterschiedlich auspräge und idealerweise ein räumlich eng begrenztes Echtzeit-Monitoring nützlich sei.
Die Stellungnahme geht zudem auf die politischen Dimensionen der Pandemie und der bisher beschlossenen Maßnahmen ein. "Grundrechtseinschränkungen müssen nicht nur ein legitimes Ziel verfolgen – was in der gegenwärtigen Situation mit dem Schutz von Leben und Gesundheit der Bevölkerung außer Zweifel steht", schreiben die Wissenschaftler. Dennoch habe der Staat die Pflicht, angesichts der Schwere der Maßnahmen "ständig zu überprüfen, ob nicht mildere Maßnahmen in Betracht gezogen werden können."
Die Leopoldina ist eine der weltweit ältesten naturwissenschaftlichen Gelehrtengesellschaften und seit 2008 die Nationale Akademie der Wissenschaften Deutschlands. Unabhängig von wirtschaftlichen oder politischen Interessen berät sie Entscheidungsträger über gesellschaftlich relevante Themen.