DOMRADIO.DE: Was passiert jetzt mit den 500.000 Euro?
Pater Hans Zollner SJ (Direktor Zentrum für Kinderschutz der Päpstlichen Universität Gregoriana): Der Kardinal hat das Geld in eine Stiftung gegeben. Aus den Erträgen der Stiftung sollen Initiativen finanziert werden können, bei denen Betroffene von Missbrauch und andere Leute in der Kirche, speziell auch durch die Tätigkeit Kinderschutz qualifizierte Leute, zusammenkommen können. Dort sollen sie dann Ideen entwickeln und gemeinsam einen Lernraum eröffnen können, wie im Austausch von Ideen eine Zusammenarbeit, speziell auch im Blick auf die Heilung und auch auf die Versöhnungsarbeit im geistlichen, spirituellen Bereich gefördert werden können.
DOMRADIO.DE: Hoffnung und Heil soll die gleichnamige Initiative den Betroffenen von Missbrauch bringen. Es soll ein internationales Netzwerk von Opferhilfe-Gruppen aufgebaut werden. Diese neue Stiftung soll nicht nur etwas für die Missbrauchsopfer tun, sondern eben mit ihnen zusammen. Das ist sicherlich neu!?
Zollner: Der entscheidende Ansatz ist tatsächlich dies, dass wir noch nicht wissen, was die Stiftung konkret machen wird, weil wir das nicht alleine bestimmen können und wollen. Uns ist vielmehr klar, dass Betroffene ihre eigene Expertise haben, ihren eigenen Blick haben, ihre eigene Erfahrungswelt haben und wir nicht einfach paternalistisch etwas vorgeben können, von dem wir meinen, das würde Betroffenen guttun. Das muss man als gemeinsamen Lernraum tatsächlich eröffnen können und dann Schritt für Schritt herausfinden, was die konkreten Aktivitäten sein werden.
DOMRADIO.DE: Missbrauchsopfer sollen als gemeinsame Entscheidungsträger bei der Ausarbeitung dieses Programms der neuen Stiftung voll einbezogen werden. Hätte das nicht schon deutlich früher im Fokus stehen müssen, also die Missbrauchsopfer mehr mit ins Boot zu holen?
Zollner: Wir sind da wirklich erst am Anfang. Leider ist die Bereitschaft, Betroffenen auch nur zuzuhören, über Jahre und Jahrzehnte nicht da gewesen und zum Teil ist sie auch heute nicht da. Das ist etwas, was wirklich kaum verständlich ist, wenn man sich anschaut, was der Auftrag der Kirche sein sollte: Denen, die verwundet sind, denen, die klein sind, denen Schaden zugefügt wurde, nun auch gerade in der Kirche zuzuhören, mit ihnen zu reden und mit ihnen auch Wege gemeinsam zu entwickeln, damit etwas geschehen kann, was zu etwas Ähnlichem wie Heilung oder Erneuerung führen kann.
DOMRADIO.DE: Kardinal Reinhard Marx stiftet 500.000 Euro, einen Großteil seines Privatvermögens. Inwieweit ist das auch ein besonderes Signal, das der Münchner Erzbischof und die Kirche hier senden?
Zollner: Der Kardinal hat auf sehr großzügige Art und Weise von seinem großen Vermögen einen Großteil hergegeben für diese Arbeit. Er persönlich steht dafür ein. Das ist nicht irgendwie aus anderen Töpfen oder aus anderen Liegenschaften der Kirche. Es ist aus seinem Geldbeutel. Das ist schon ein sehr starkes Zeichen, für das wir dankbar sind und das natürlich auch hoffentlich viele Nachfolger finden wird.
DOMRADIO.DE: Sie stehen noch am Anfang. Aber was denken Sie, wird sich durch diese Initiative das Verhältnis der Kirche zu den Missbrauchsopfern nachhaltig verändern können?
Zollner: Das können wir alleine sicherlich nicht tun. Das wird sich auch daran zeigen, was sich da ergeben wird, im Laufe der Zeit. Ich glaube, dass es auch international gesehen wird. Wenn ich das sagen darf, auch in der internationalen Presse, wurde es deutlich wahrgenommen und ist sicherlich auch in Rom angekommen.
Ich wünsche und hoffe sehr, im Blick auf die Betroffenen, die auf Kirche noch eine Hoffnung setzen und die auch einen spirituellen Weg gehen, ob der jetzt innerhalb oder außerhalb der Kirche oder des Christentums ist, dass wir tatsächlich da vorankommen und so ein Licht anzünden, das hoffentlich dann auch etwas weiter leuchten kann. Das wäre schon ein großer Erfolg.
Das Interview führte Carsten Döpp.