Leiter des Vatikan-Geheimarchivs zu Geldsorgen und Pius XII.

"Wir bräuchten Milliarden"

Die Freigabe der vatikanischen Akten über Papst Pius XII. aus den Weltkriegsjahren verzögert sich weiter. Urspünglich waren sie für 2015 angekündigt. Der Präfekt des Vatikanischen Geheimarchivs erklärt im Interview die Gründe.

Vatikan (dpa)
Vatikan / ( dpa )

KNA: Ursprünglich hatte der Vatikan die Freigabe der Akten aus den Weltkriegsjahren des Pontifikats von Pius XII. für 2015 angekündigt. Dann hieß es, der Zeitpunkt verzögere sich aus "technisch-archivalischen" Gründen. Wann ist es nun soweit?

Sergio Pagano (Präfekt des Vatikanischen Geheimarchivs): Einen genauen Zeitpunkt kann ich Ihnen nicht nennen. Das entscheidet allein der Papst. Zum Stand der Vorbereitungen kann ich sagen: Wir sind inzwischen an einem guten Punkt angelangt. Dass wir den ursprünglich angekündigten Termin nicht einhalten konnten, lag daran, dass wir es nicht nur mit den Beständen des Vatikanischen Geheimarchivs zu tun haben. Auch in vielen anderen vatikanischen Archiven müssen Akten zum Pontifikat von Pius XII. gesichtet und katalogisiert werden. Hierzu zählen vor allem die Archive von 80 bis 90 Apostolischen Nuntiaturen, also vatikanischen Botschaften. Derzeit sind 20 bis 30 dieser Archive noch nicht geordnet.

KNA: Wie viele Mitarbeiter sind damit beschäftigt?

Pagano: Rund ein Dutzend Mitarbeiter sind derzeit beteiligt. Die Vorbereitungen dauern insgesamt schon mehr als zehn Jahre. Ich kann selbstverständlich nicht alle meiner 50 bis 60 Angestellten für diese Aufgabe abstellen. Wir müssen uns ja auch um die mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Archivalien kümmern. Die meisten Nutzer des Archivs arbeiten mit diesen Schriftstücken.

KNA: Im Fall der argentinischen Militärdiktatur hat Papst Franziskus jüngst bereits eine Freigabe der Akten des Vatikanischen Geheimarchivs verfügt...

Pagano: Das ist ein Missverständnis gewesen. Der Papst hat nicht, wie von vielen Medien berichtet, die Nutzung des Vatikanischen Geheimarchivs gestattet. Er hat nur die Akten des Diözesanarchivs des Erzbistums Buenos Aires freigegeben. Wir haben hier überhaupt keine Akten zur argentinischen Militärdiktatur.

KNA: Der deutsche Kirchenhistoriker Hubert Wolf kritisiert in seinem neuen Buch "Konklave" das vatikanische Archivgesetz von 2005 als zu restriktiv. Es untersage die Nutzung von Akten über Konklave und Bischofsernennungen und erschwere damit die Forschung. Was sagen Sie zu diesem Vorwurf?

Pagano: Ich teile diese Sichtweise nicht. Der Vatikan hat wie jeder Staat das Recht, sensible Unterlagen zu Personen und bestimmten Vorgängen nicht der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Im Fall der Konklave war der Zugang übrigens auch vor dem Archiv-Gesetz von 2005 schon eingeschränkt. Einsehbar waren nur die Akten bis zum Konklave von 1922. Es geht darum, zu verhindern, dass Details der Papstwahl für Polemik in der Öffentlichkeit genutzt werden.

Was die Verfahren zur Bischofsernennung anbetrifft: Hier handelt es sich um sehr vertrauliche Informationen, die auch das Privatleben der Kandidaten betreffen. Das gilt nicht nur für den Ernannten selbst, sondern vor allem auch für die beiden anderen Kandidaten auf der Dreiervorschlagsliste, die nicht zum Zuge gekommen sind. Auch ihre Privatsphäre muss geschützt werden.

KNA: Haben sie persönlich eine Archivalie, die ihnen besonders am Herzen liegt?

Pagano: Eine bestimmte nicht. Es gibt viele Schriftstücke, die mir zu Herzen gehen, weil sie von großem Leid berichten. Ich kann ihnen aber sagen, was meine größte Sorge ist: Der unaufhörliche Verfall alter Archivbestände. Der Vatikan unternimmt zwar viel, um das zu stoppen.

Aber seine Mittel sind nur begrenzt. Wir sind auf Sponsoren angewiesen. Angesichts der gegenwärtigen Wirtschaftskrise sind die allerdings derzeit schwer zu finden. In Deutschland unterstützt uns etwa in Bamberg der "Freundeskreis des Vatikanischen Geheimarchivs". Aber das ist natürlich auch nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Wir bräuchten Milliarden von Euro.

Das Interview führte Thomas Jansen.


Bischof Sergio Pagano / © Alessandro Serranò (KNA)
Bischof Sergio Pagano / © Alessandro Serranò ( KNA )
Quelle:
KNA