Die sogenannten "viri probati" seien eine Hypothese, die "aufmerksam zu bewerten ist, durchaus offen und ohne Engstirnigkeit", sagte Kardinal Beniamino Stella in einem Interviewbuch, das jetzt in Italien erschienen ist. Dass sich der Leiter der für Priester zuständigen Vatikanbehörde dazu äußert, ist bemerkenswert.
"Den richtigen Moment erkennen"
Die "viri probati" seien ein immer wiederkehrendes Thema, so Kardinal Stella. Es laufe aber Gefahr, ideologisch instrumentalisiert zu werden. Der Papst selber habe gesagt: "Wir müssen darüber nachdenken, ob die 'viri probati' eine Möglichkeit sind." In dem Interview, in dem Franziskus sich dazu äußere, so Stella, ermahne er die Kirche "den richtigen Moment zu erkennen, in dem der Geist ihr so etwas empfiehlt".
Als "viri probati" werden in der kirchlichen Debatte Männer bezeichnet, die sich in Ehe und Gemeinde bewährt haben sollen. Das Thema ist in der katholischen Kirche umstritten, wird aber seit geraumer Zeit breiter diskutiert. Jüngster Anlass ist eine Synode im Jahr 2019 für die Kirche im Amazonasgebiet, wo wegen der großen Entfernungen starker Priestermangel herrscht.
Diskussionen angeregt
Der frühere Bischof von Xingu, Brasilien, Erwin Kräutler, hat mehrfach den Vorschlag der "viri probati" gemacht. Auch andere Kardinäle wie die Deutschen Walter Kasper, Reinhard Marx und Karl Lehmann haben sich für eine Diskussion darüber ausgesprochen.
Grundsätzlich hält die römisch-katholische Kirche am Zölibat als verpflichtender Lebensform für Priester fest. Verheiratete Priester gibt es nur in wenigen Ausnahmefällen - etwa, wenn ein Geistlicher einer anderen Konfession zum Katholizismus übertritt.
Das Buch "Tutti gli uomini di Francesco" (Alle Männer von Franziskus) des italienischen Vatikanjournalisten Fabio Marchese Ragona besteht aus Interviews mit jenen Kirchenmännern, die Franziskus zu Kardinälen ernannt hat.