Es war ein wohl bundesweit beispielloser Vorstoß: Im Sommer 2015 fragte der evangelische Freiburger Stadtdekan Markus Engelhardt bei seinem katholischen Amtsbruder Wolfgang Gaber an, ob die evangelische Kirche den Reformationstag 2017 nicht mit einem großen Gottesdienst im katholischen Freiburger Münster feiern könne. Als Münsterpfarrer ist Gaber "Hausherr" der gotischen Bischofskirche.
Ein solcher gemeinsamer Gottesdienst zum 500. Jahrestag von Martin Luthers Thesenanschlag - und damit dem Auftakt der Kirchenspaltung - könne, so die Überzeugung Engelhardts, bei allen Unterschieden zwischen evangelischer und katholischer Kirche ein starkes Zeichen für die Kraft des gemeinsamen christlichen Glaubens setzen. Gerade im Blick auf die "liberale, teilweise sehr kirchendistanzierte Freiburger Öffentlichkeit". Denn schließlich sei das Münster nicht nur katholische Kathedrale, sondern auch Bürgerkirche und Wahrzeichen aller Freiburger über Konfessionsgrenzen hinweg, argumentierte Engelhardt in seiner schriftlichen Anfrage.
Ökumenische Ernüchterung
Zwar stand Gaber der Idee dem Vernehmen nach zunächst keineswegs ablehnend gegenüber. Den offiziellen Gesprächen mit der Freiburger Bistumsleitung aber folgte bald die ökumenische Ernüchterung: Bei den Besprechungen im Dekanat und mit Erzbischof Stephan Burger sei die katholische Sichtweise deutlich geworden, wonach der Reformationstag als protestantischer Feiertag "seinen Platz in einer evangelischen Kirche haben sollte", meldete Gaber an die Freiburger Protestanten zurück. Insofern sei es auch "schlüssig", dass Burger für den 31. Oktober die Einladung von Landesbischof Jochen Cornelius-Bundschuh zu einem gemeinsamen Gottesdienst in die evangelische Stadtkirche Karlsruhe angenommen habe.
Das an den "Bruder Stadtdekan" gerichtete Schreiben war sehr freundlich im Ton, klar in der Sache - und beendete die evangelischen Pläne vom Reformationsgedenken im katholischen Münster. Beide Seiten versicherten sich zugleich, dass die enge evangelisch-katholische Zusammenarbeit durch die Ablehnung keinen Schaden genommen habe.
Muntere Leserbriefdebatte
Und dennoch wirbelte der vertrauliche Briefwechsel Staub auf, wenn auch mit erheblicher Verspätung. Denn nach einer kurzen Bemerkung von Engelhardt bei einem Pressegespräch machte die "Badische Zeitung" jetzt die eineinhalb Jahre zurückliegende Anfrage öffentlich. Rasch entwickelte sich eine muntere Leserbriefdebatte. Die einen warfen den Katholiken vor, eine große Chance der Annäherung verpasst zu haben und kritisierten Engstirnigkeit. Anderen sahen schon die evangelische Anfrage als Provokation, die den Erzbischof in unnötige Schwierigkeiten gebracht habe. Der katholische Theologe Helmut Hoping fasste lapidar zusammen: "Die Briten würden den Brexit auch nicht im Europaparlament feiern."
Erschrocken ob des Wirbels betonte die evangelische Seite nun, es sei niemals ihre Absicht gewesen, den Katholiken den Schwarzen Peter zuzuschieben. Vielmehr sei die Anfrage Ausdruck einer engen Verbundenheit mit den Katholiken gewesen. Auch sei es das Ziel gewesen, eine möglichst große Kirche für möglichst viele Menschen zu finden. Die katholische Bistumsleitung wollte wiederum nicht neues Öl ins Feuer gießen und die Verwicklungen nicht weiter kommentieren.
Gottesdienst nun im Stadttheater
Gelegenheit, über die aktuellen Befindlichkeiten 500 Jahre nach dem Beginn von Reformation und Kirchenspaltung weiter nachzudenken, gibt es in Freiburg am 11. März: bei einem evangelisch-katholischen Gottesdienst unter der Überschrift "Heilendes Erinnern" - in einer evangelischen Gemeindekirche. Und auch für die Freiburger Hauptfeiern am 31. Oktober hat die evangelische Kirche ein Ausweichquartier gefunden: Der Gottesdienst wird im Stadttheater organisiert. "Wir wollen hinein in den Stadt, hin zu den Bürgern", betonte ein Kirchensprecher. Ein Theatersessel ist dort für den katholischen Dekan Gaber reserviert.