"Handle with care!" - so steht es auf Paketen mit zerbrechlichem Inhalt . "Handle with care" - so lautet auch die Warnung, die das irische Kabinett zum Jahresbeginn herausgegeben hat. Anlass sind die Vorbereitungen zum 100. Jahrestag des Beginns des irischen Unabhängigkeitskriegs.
Am 21. Januar 1919 hatten irische Parlamentsabgeordnete ein von Großbritannien unabhängiges Parlament ausgerufen, das Dail Eireann. Ein Akt, der gemeinsam mit der Tötung zweier Polizisten Krieg zwischen Briten und irischen Nationalisten auslöste.
Das Karfreitagsabkommen läutete Versöhnung ein
Schätzungsweise 1.400 irische Republikaner und britische Polizei- und Militärkräfte starben, bevor im Dezember 1921 der Anglo-Irische Vertrag geschlossen wurde. Dieser Vertrag, der die Unabhängigkeit von 26 der 32 Grafschaften im vornehmlich katholischen Süden der Insel festlegte, brachte die Teilung, aber keinen Frieden. Denn die Armee der Irischen Republik (IRA) und Hunderttausende Katholiken im Norden wollten sich nicht damit abfinden, dass die sechs nördlichen Provinzen unter britischer Hoheit bleiben sollten.
Ein Bürgerkrieg zwischen Befürwortern und Gegnern der Spaltung folgte; ein Krieg, der wiederum zwei Jahre dauerte und noch mehr Tote forderte als der Unabhängigkeitskrieg. Als Rebellenführer Eamon De Valera und seine Gefolgsleute am 27. April 1923 ihre Waffen streckten und zum friedlichen Kampf für die Unabhängigkeit der gesamten Insel aufriefen, war der Bürgerkrieg offiziell vorbei und Irland endgültig gespalten.
Die Situation blieb angespannt und entlud sich erneut gewaltsam im Nordirlandkonflikt zwischen 1969 und 1998. Seit dem Karfreitagsabkommen 1998 aber erholten sich die Beziehungen zwischen Großbritannien und Irland endlich. Königin Elizabeth II. besuchte Irland 2011 und räumte ein, dass die Briten "im historischen Rückblick manche Dinge anders oder besser gar nicht" getan hätten. Eine Ära der Versöhnung schien eingeläutet.
Mit dem Brexit wächst das Misstrauen
Doch dann kam der Brexit - und mit ihm wachsendes Misstrauen zwischen der irischen und britischen Regierung und das Gefühl, dass die Briten "einmal mehr mit bodenloser Ignoranz" Irlands Geschichte verkennen und das Land in eine vertrackte Situation manövrieren, wie ein Beobachter in der "Irish Times" urteilt. Wie kann etwa beim EU-Austritt Großbritanniens das Grenzproblem geregelt werden?
Sollte eine harte Grenze zwischen Irland und Nordirland entstehen, wird Großbritannien dafür und für die womöglich daraus resultierende Gewalt die Schuld bekommen - und das in einer Zeit, in der gleichzeitig jener Menschen gedacht wird, die im Unabhängigkeitskrieg vor 100 Jahren gegen die Briten ihr Leben ließen.
Als wäre das nicht brisant genug, hat der Brexit auch die Diskussion um ein wiedervereintes Irland angeheizt. Dass Nordirland seit nunmehr zwei Jahren keine Regierung hat, hilft in dieser Zeit tiefgehender Verunsicherung ebenfalls nicht. Kein Wunder also, dass die irische Regierung nicht auf Korkenknallen und laute Feiern der Unabhängigkeit setzen will.
Erinnern, ohne alte Wunden aufzureißen
Die zuständige Kulturministerin Josepha Madigan versprach, dass im Zentrum aller Veranstaltungen ein "respektvolles, sensibles, angemessenes und authentisches" Gedenken an die Opfer der Auseinandersetzungen stehen soll. So kommt etwa am 21. Januar das irische Parlament zu einer Sondersitzung zusammen. Sonst hat der Staat die Hauptverantwortung für das Gedenken den Gemeinden überlassen.
Erinnern, ohne alte Wunden aufzureißen - das ist der Drahtseilakt, den Irland bewältigen will. Dafür gibt es eigens ein parteiübergreifendes Beratungsgremium zum Umgang mit den zurückliegenden und noch bevorstehenden Jubiläen des "Jahrzehnts der Hundertjahrfeiern". Auf etwas Erfahrung kann man schon zurückschauen:
2014 feierte man 100 Jahre Selbstverwaltung, 2016 dann 100 Jahre Osteraufstand. Während Irland der Loslösung von Großbritannien gedenkt, drängt sich die Frage auf, was der Brexit für Nordirland und Irland bedeuten wird. Es steht mehr auf dem Spiel als nur ein Paket mit ein paar zerbrochenen Gläsern. Deshalb gilt: Handle with care!
Von Kristina Moorehead