Überraschendste Erkenntnis für die Wissenschaftlerinnen: Mindestens die Hälfte der rund 270 Objekte vom frühen Mittelalter bis zur Renaissance stammt aus Mittelasien und China, erläuterte Milena Bravermanova vom Archäologischen Institut der tschechischen Akademie der Wissenschaften gegenüber Radio Prag. "Das waren die wertvollsten Stoffe, die es damals gab."
Wertvoller Stoffe, schlechte Verarbeitung
Unter den teils über tausend Jahre alten Textilien sind Objekte von Heiligen und Herrschern. So werden im Spezialdepot der Prager Burg Grabgewänder der Heiligen Ludmilla und Kaiser Karls IV. sowie Festtalare tschechischer Bischöfe aufbewahrt. "Die Grabgewänder wurden aus luxuriösen und teuren Stoffen hergestellt, aber ziemlich schlampig vernäht", wundert sich Milena Bravermanova. "In manchen Fällen ist uns aufgefallen, dass die Teile umgekehrt zusammengenäht wurden. Man hat also die luxuriösen Stoffe mit goldenen Fäden arrangiert, wobei es hauptsächlich um den äußeren Effekt ging."
Auf dem Grabgewand der Heiligen Ludmilla finden sich sogar zwei verschiedene Ornamente: laut den Forscherinnen das einzige erhaltene Textil, das belegt, dass man damals in der Lage war, beim Weben das Muster zu ändern.
Tausend Jahre altes Strumpfband
"Eine der ältesten Textilien stammt aus dem Grab von Boleslav II.", so Milena Bravermanova über ein Strumpfband aus dem 10. Jahrhundert, das im damaligen Byzanz mit einem Adler-Muster gewoben wurde. Seine braune Farbe hat das Textilstück über die Jahrhunderte angenommen, erklärt die Archäologin Helena Brezinova. "Denn andere Farben, wie Grün oder Gelb, sind ziemlich unstabil und verschwinden schnell."
Lichtdichte Aufbewahrung
Die einzigartigen Stücke, die aus allen Gebieten der damaligen Seidenindustrie wie China, dem Nahen Osten, Sizilien, Spanien und Norditalien stammen, litten in der Vergangenheit unter schlechten Lagerungsumständen. Heute dagegen werden sie lichtdicht unter stets gleichbleibenden Bedingungen aufbewahrt. Zur Ausstellung können dennoch nur einige der kostbaren Gewänder freigegeben werden, so die Expertinnen. Ihre Forschungsergebnisse werden nun in der tschechisch-englischen Publikation "Textiles from Archaeological Research at Prague Castle" veröffentlicht.