Lästermaul, Lückenbüßer, Feuereifer oder Herzenslust: Martin Luthers Sprachgewalt war umwerfend. Er prägte Begriffe und trug wesentlich dazu bei, dass die Deutschen eine einheitliche und gemeinsame Schriftsprache entwickelten. Luther habe "durch seine gewaltige Bibelübersetzung die deutsche Sprache erst recht geschaffen", schrieb Literaturnobelpreisträger Thomas Mann 1945.
Vor 500 Jahren, am 21. September 1522, kam auf der Leipziger Buchmesse seine revolutionäre Übersetzung des Neuen Testaments auf den Markt. Das Jubiläum wird in den kommenden Monaten mit zahlreichen Ausstellungen, Buchveröffentlichungen, aber auch touristisch begangen.
Übersetzung in kurzer Zeit angefertigt
In nur elf Wochen hatte der Reformator zuvor mit Hilfe von Melanchthon im Versteck auf der Wartburg bei Eisenach die vier Evangelien, die Apostelgeschichte, die 21 Briefe an christliche Gemeinden und Mitarbeiter sowie die Offenbarung des Johannes aus der griechischen Urfassung ins Deutsche übersetzt. Die 3.000 Exemplare des sogenannten Septembertestaments waren schnell vergriffen. Bereits im Dezember 1522 wurde eine von Luther verbesserte Auflage gedruckt.
Nach und nach veröffentlichte der Reformator dann auch Übersetzungen der Bücher des Alten Testaments; 1534 brachte er dann die gesamte Bibel in deutscher Sprache heraus.
Luthers Übersetzung war dabei weder die erste Übertragung der Bibel ins Deutsche noch die erste gedruckte Bibel auf Deutsch. Was herausragte und sie zum Erfolgsmodell machte, waren seine Orientierung an der gesprochenen Volkssprache und seine starken Bilder.
Übersetzung für das Volk
Textsinn ging Luther vor Wörtlichkeit. Durch freieres Übersetzen und den Sprachrhythmus war seine Version besonders eingängig und gut zum Vorlesen geeignet. Man müsse die Mutter im Haus, die Kinder auf der Gasse, den gemeinen Mann auf dem Markt fragen und ihnen "aufs Maul schauen", formulierte er 1530 seine Art des "Dolmetschens". Dass er damit das überlieferte Wort Gottes interpretierte und teilweise auch veränderte, sorgte durchaus für Kritik.
Die Geschichte der Bibelübersetzung ins Deutsche begann schon im 8. Jahrhundert: Mönche wollten die biblische Botschaft in der Sprache oder den Dialekten der Germanen weitergeben. Ob die Volkssprache überhaupt für Religiöses genutzt werden durfte, war umstritten. Die Frankfurter Synode im Jahr 794 entschied, dass man Gott nicht nur in den geheiligten Sprachen Hebräisch, Griechisch und Latein anbeten dürfe.
Zunächst entstanden Wörterbücher. In ihnen, den frühesten Schriftwerken der deutschen Sprache überhaupt, wurden lateinische Begriffe zwischen den Zeilen mit einer althochdeutschen Übersetzung erläutert. Bis ins Hochmittelalter wurden dann zunächst zentrale Gebete und einzelne Bücher der Bibel übersetzt.
Erste Übersetzung ins Deutsche
Als erste vollständige Übersetzung der Bibel ins Deutsche gilt die "Bibel des Mittelalters" aus dem frühen 14. Jahrhundert. Der Verfasser ist unbekannt, wie der Germanist Karl-Heinz Göttert schreibt. Nur noch vier Handschriften haben sich erhalten. Nach Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern durch Johannes Gutenberg um 1440 gab es laut Göttert noch 18 weitere gedruckte deutsche Bibelausgaben. Luther fing also nicht bei Null an.
Seine Bibelübersetzung fand in Deutschland sehr schnelle Verbreitung, was auch durch seine Verwendung der Wettiner Kanzleisprache ermöglicht wurde. So konnte seine Übersetzung im gesamten hochdeutschen Sprachgebiet gelesen und verstanden werden. Schätzungen gehen laut Deutscher Bibel Gesellschaft davon aus, dass im Jahre 1533 jeder 70. Deutsche beziehungsweise jeder zehnte deutsche Haushalt ein Lutherisches Neues Testament besaß. Hinzu kamen Übertragungen ins Niederdeutsche und ins Niederländische.
Luthers Bibelübersetzungen haben nicht nur eine einheitliche Sprache jenseits der Mundarten begründet, sondern auch einen Schub an Alphabetisierung gebracht - schließlich war damit die Forderung verbunden, dass jeder Christ selber das Wort Gottes lesen und verstehen sollte. Die katholische Tradition wehrte sich lange dagegen: Die Bibel sei den einfachen Gläubigen nur durch Vermittlung und Erklärung der Priester zugänglich, hieß es.