Die Feier zum 75. Geburtstag, soviel steht fest, wird kleiner ausfallen als die zum 70-jährigen Bestehen. Damals kam als höchstrangiger Gast Papst Franziskus ins schwedische Lund.
Wobei hinzugefügt werden muss, dass seinerzeit zugleich das 500-Jahr-Gedenken an die Reformation feierlich eröffnet wurde, was der eigentliche Grund für die Teilnahme des Oberhaupts der katholischen Kirche war. Für den am 1. Juli 1947 in Lund gegründeten Lutherischen Weltbund (LWB) war dies gleichwohl ein Höhepunkt in seiner Geschichte.
Nicht alle lutherischen Christen im Weltbund
Bei dessen Gründung war freilich an einen Papstbesuch noch nicht zu denken. Damals waren es 49 lutherische Kirchen, die sich als "freie Vereinigung von Kirchen" zusammenschlossen.
Vorläufer war der Lutherische Weltkonvent, der sich 1923 in Eisenach konstituiert hatte. Heute ist der LWB nach eigener Darstellung eine weltweite Gemeinschaft von 148 Kirchen lutherischer Tradition in 99 Ländern, denen mehr als 75,8 Millionen Christinnen und Christen angehören.
Allerdings gehören noch längst nicht alle lutherischen Christen zum LWB. Weitere 54 "konfessionsgebundene" - also theologisch konservativere - evangelisch-lutherische Kirchen mit rund 7,15 Millionen Gläubigen sind im 1958 gegründeten Internationalen Lutherischen Rat (ILC) zusammengeschlossen.
Spaltungsthemen Homosexualität und Frauenordination
Auch innerhalb des LWB gibt es Spannungen - etwa zum Umgang mit Homosexualität, eine Frage, die von den verschiedenen Seiten gerne zur Glaubensfrage hochstilisiert wird. Auch in Sachen Frauenordination, die inzwischen von rund 80 Prozent der LWB-Mitgliedskirchen praktiziert wird, gibt es immer mal wieder Streit - etwa als die Evangelisch-Lutherische Kirche Lettlands 2016 diesen Schritt wieder rückgängig machte.
Die Mitgliedskirchen verstehen sich laut ihrer bei der Vollversammlung 1990 im brasilianischen Curitiba aktualisierten Verfassung als "Gemeinschaft von Kirchen, die sich zu dem dreieinigen Gott bekennen, in der Verkündigung des Wortes Gottes übereinstimmen und in Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft miteinander verbunden sind".
Weiter heißt es: "Wir wollen unseren Glauben innerhalb unserer Gemeinschaft und darüber hinaus in die Tat umsetzen und uns dabei von Gottes Wort und Geist leiten lassen." Praktisch bedeutet das etwa den Einsatz für Mission, Gerechtigkeit sowie Entwicklungs- und Nothilfe, aber auch die theologische Reflexion.
Dialog mit anderen Kirchen führte in Rechtfertigungslehre
Eine wichtige Aufgabe des Weltbunds, dessen Zentrale in Genf ansässig ist, ist der ökumenische Dialog. Mit der katholischen Kirche begann er gleich nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) mit einer gemeinsamen Arbeitsgruppe, die 1967 in die Gründung der offiziellen Lutherisch/Römisch-katholischen Kommission für die Einheit mündete.
Diese hat bisher fünf Arbeitsphasen zu den zentralen theologischen Themen absolviert. Das wichtigste Ergebnis war die 1999 von beiden Seiten unterzeichnete "Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre", die sich zu einer ökumenischen Erfolgsgeschichte weiterentwickelt hat: 2006 schloss sich der Weltrat Methodistischer Kirchen an, 2017 folgten die Anglikaner und die Reformierten Kirchen.
Weitere ökumenische Dialoge führt der LWB auch mit den Anglikanern, den Mennoniten, den Reformierten sowie mit der Orthodoxie. Ein Highlight bildete bei der Vollversammlung in Stuttgart 2010 der feierliche Akt der Versöhnung mit den Mennoniten, bei dem die Lutheraner um Entschuldigung für die Verbrechen baten, die sie im 16. und 17. Jahrhundert an den Täufern begangen hatten.
Stärkung der Gemeinschaft vordringliche Aufgabe
Der katholisch-lutherische Dialogprozess ist derzeit etwas ins Stocken geraten. Eine für 2021 geplante Gedenkveranstaltung zur Exkommunikation Martin Luthers vor 500 Jahren musste wegen der Corona-Pandemie ausfallen, eine dazu vorbereitete gemeinsame Erklärung konnte noch nicht abgeschlossen werden. Hinzu kommt, dass das bereits 2019 fertiggestellte Dokument über "Taufe und Wachstum in der Gemeinschaft" bei der Vatikanischen Glaubenskongregation auf Bedenken stieß und nur als "Studiendokument" veröffentlicht werden konnte.
Präsident des LWB ist seit 2017 der Erzbischof der Lutherischen Kirche Christi in Nigeria, Panti Filibus Musa. Bei seiner Wahl bezeichnete er die Stärkung der Gemeinschaft des Weltbunds als eine vordringliche Aufgabe. Generalsekretärin ist seit 1. November 2021 die estnische Pfarrerin Anne Burghardt, die erste Frau und die erste Person aus der Region Mittel- und Osteuropa in diesem Amt.