50.000 US-Bürger feiern 50. Jahrestag des "March for Life"

Kampf gegen Abtreibung soll weitergehen

Nach dem Aus für das Grundsatzurteil "Roe v. Wade" von 1973 erlebt der "March for Life" eine Zäsur. Die Republikaner wähnen sich auf der Siegerstraße. Doch Umfragen unter US-Bürgern sehen die Verhältnisse weniger klar.

Autor/in:
Bernd Tenhage
Pro-Life-Demonstranten mit einem Plakat mit dem Bild der US-amerikanische Flagge und einem Embryo im blauen Sternenfeld mit der Aufschrift Let America Live beim Marsch für das Leben / © Gregory A. Shemitz/CNS photo (KNA)
Pro-Life-Demonstranten mit einem Plakat mit dem Bild der US-amerikanische Flagge und einem Embryo im blauen Sternenfeld mit der Aufschrift Let America Live beim Marsch für das Leben / © Gregory A. Shemitz/CNS photo ( KNA )

Der Standort der Abschlusskundgebung des 50. "March for Life" ist Programm. Anders als in den Vorjahren wählten die Organisatoren des Demonstrationszuges der US-Lebensschützer einen Platz zwischen dem Kongress und dem Supreme Court in Washington. "Das war vor ein paar Monaten ein riesiger Sieg, als 'Roe' aufgehoben wurde", erinnert der republikanische Mehrheitsführer im Repräsentantenhaus Steve Scalise unter dem Jubel der etwa 50.000 Teilnehmer an das Abtreibungsurteil vom Juni 2022. "Aber wie ihr alle wisst, war das erst der Anfang der Schlacht ..."

Folgen der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs

Eine Person hält ein Kreuz vor dem Obersten Gerichtshof der USA während der Demonstration March for Life – Marsch für das Leben / © Alex Brandon/AP (dpa)
Eine Person hält ein Kreuz vor dem Obersten Gerichtshof der USA während der Demonstration March for Life – Marsch für das Leben / © Alex Brandon/AP ( dpa )

Der Supreme Court hatte mit seiner konservativen Mehrheit von sechs zu drei Stimmen zwar die ein halbes Jahrhundert lang geltende Rechtsprechung aufgehoben, aber kein neues Recht geschaffen. Da es in den USA kein nationales Gesetz gibt, das den Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen regelt, fiel die Zuständigkeit automatisch wieder den Bundesstaaten zu. Je nach politischer Ausrichtung besteht dort nun ein Flickenteppich an gesetzlichen Bestimmungen.

Seit Juni gibt es fast vollständige Abtreibungsverbote in den republikanisch regierten Bundesstaaten Alabama, Arkansas, Idaho, Kentucky, Louisiana, Mississippi, Missouri, Oklahoma, South Dakota, Tennessee, Texas und West Virginia. In vielen dieser Staaten gibt es auch keine Ausnahmen bei Vergewaltigung oder Inzest. Stark eingeschränkt ist der Zugang zu Abtreibungen auch in North Dakota und Wisconsin.

In Ohio, Indiana und Wyoming haben Gerichte in den Bundesstaaten Verbote per einstweiliger Verfügung vorübergehend blockiert, während in South Carolina das oberste Gericht eine Sechs-Wochen-Fristenlösung für unvereinbar mit der Verfassung erklärt hat; andere Staaten haben 12- und 15-Wochen-Fristen. Dagegen haben 16 demokratisch regierte Bundesstaaten, darunter New York und Kalifornien, einen legalen Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen gesetzlich verankert.

Pro-Life-Demonstrantinnen beim Marsch für das Leben / © Gregory A. Shemitz/CNS photo (KNA)
Pro-Life-Demonstrantinnen beim Marsch für das Leben / © Gregory A. Shemitz/CNS photo ( KNA )

"Marsch für das Leben" geht weiter

"Der Marsch für das Leben wird weitergehen, bis es kein Recht auf Abtreibung mehr gibt", rief die Präsidentin des "March for Life", Jeanne Mancini, den Demonstranten zu. Es gebe noch zu viele Staaten, in denen Abtreibungen legal seien.

Innerhalb der Pro-Life-Bewegung bestehen unterschiedliche Ansichten über die weitere Strategie. Während einige fordern, es müsse mehr für werdende und alleinerziehende Mütter getan werden, denken andere über striktere Sanktionen nach. Bei den Wählern stoßen zu weitgehende Einschränkungen selbst in konservativen Bundesstaaten auf Ablehnung. Ex-Präsident Donald Trump machte "das Abtreibungsthema" kürzlich für das schlechte Abschneiden der Republikaner bei den Zwischenwahlen vom November verantwortlich.

Unterschiedliche Entwicklungen in den Staaten

In Kansas und Kentucky wiesen die Bürger Initiativen mit großer Mehrheit zurück, die Abtreibungsverbote in der Verfassung verankert hätten. Umgekehrt nahmen in Michigan die Wähler einen Zusatz zur Verfassung an, der ein "Recht auf Schwangerschaftsabbrüche" vorsieht.

Der amtierende Präsident Joe Biden nahm den 50. Jahrestag der "Roe v. Wade"-Entscheidung von 1973 am Freitag zum Anlass, den Kongress aufzufordern, die damals beschlossenen Grundsätze in Gesetzesform zu bringen. Er werde alles tun, "Frauen und Familien vor jenem Schaden zu schützen", den die Entscheidung des Supreme Court gebracht habe.

Bischof Burbidge: Ende von "Roe vs. Wade" Anlass zum Feiern 

In seiner Predigt beim Eröffnungsgottesdienst am Donnerstagabend hatte der bei der katholischen US-Bischofskonferenz für das Thema Lebensschutz zuständige Bischof Michael Burbidge das Ende von "Roe vs. Wade" als Anlass zum Feiern gewertet. Dieser "Schandfleck" existiere nicht mehr im Rechtssystem der USA und auch nicht in der Kultur der Nation.

Zu der Auftaktveranstaltung in der Basilika der Unbefleckten Empfängnis in Washington waren mehr als 9.000 Menschen gekommen. Neben Burbidge nahmen an dem Gottesdienst auch die Kardinäle Sean O'Malley aus Boston, Wilton Gregory aus Washington sowie der Vorsitzende der Bischofskonferenz teil, Erzbischof Timothy Broglio.

Debatte um Abtreibung bleibt heißes Eisen

Unter den US-Bürgern bleibt Abtreibung ein heißes Eisen. Eine aktuelle "Marist"-Umfrage vor dem "March for Life" ergab, dass sechs von zehn Befragten das Entscheidungsrecht bei Abtreibung bei den Frauen sehen. Knapp vier von zehn Befragten bezeichneten sich selbst als Abtreibungsgegner.

Oberstes US-Gericht öffnet Weg für Abtreibungsverbote

Das oberste Gericht der USA ermöglichte den Bundesstaaten mit einem Urteil von Juni 2022 ein Verbot von Abtreibungen. Die Richter in Washington hoben das Grundsatzurteil "Roe vs. Wade" auf, das im Jahr 1973 Abtreibungen zur Privatsache erklärte. Bisher hatte das Gericht demnach Abbrüche bis zur 24. Schwangerschaftswoche für rechtmäßig erklärt.

Abtreibungsrecht USA - Oberster Gerichtshof / © Mariam Zuhaib/AP (dpa)
Abtreibungsrecht USA - Oberster Gerichtshof / © Mariam Zuhaib/AP ( dpa )
Quelle:
KNA