Schweizer stimmen für verschärfte Anti-Rassismus-Strafnorm

Ab wann diskriminiert eine Predigt homosexuelle Menschen?

Künftig soll in der Schweiz die Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung schärfer geahndet werden. Was heißt das für kritische Äußerungen mancher Kirchen zur Homosexualität? Eine Erkundung.

Autor/in:
Regula Pfeifer
Mitglieder der LGBT demonstrieren gegen die Diskriminierung Homosexueller.  / © Ilia Yefimovich (dpa)
Mitglieder der LGBT demonstrieren gegen die Diskriminierung Homosexueller. / © Ilia Yefimovich ( dpa )

Die Schweizer haben am Sonntag die Ausweitung der Anti-Rassismus-Strafnorm mit 63,1 Prozent Ja-Stimmen angenommen.

Damit sollen Diskriminierung und Hass gegen Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung strafbar werden. Fraglich ist, ob sich das neue Gesetz auf die religiöse Praxis in den Kirchen wie etwa Predigten auswirkt.

Freikirchen waren gegen Gesetztesverschärfung

"Grundsätzlich ändert sich nichts für unsere Kirchen", sagt der Generalsekretär der Schweizerischen Evangelischen Allianz (SEA), Matthias Spiess. "Unsere Mitgliedskirchen haben ja noch nie zu Gewalt und Hass gegenüber Homosexuellen aufgerufen." Die SEA, die vorwiegend christliche Freikirchen vertritt, hatte sich im Vorfeld der Abstimmung für ein Nein stark gemacht - mit Verweis auf ausreichende Ahndungsmöglichkeiten und einen potenziellen Konflikt mit der Meinungsfreiheit.

Bei den Predigten sieht Spiess nun tatsächlich "eine gewisse Rechtsunsicherheit". So müsse es weiterhin möglich sein, sich in diesem Rahmen kritisch zu Homosexualität zu äußern, ohne gleich sanktioniert zu werden. "Praktizierte Homosexualität in einer Predigt aus ethischen Gründen negativ zu beurteilen, muss möglich bleiben." Ebenso die Aussage, dass in der Bibel keine positiven Beispiele von gleichgeschlechtlicher Sexualität zu finden seien. 

Meinungsfreiheit oder Diskriminierung?

In der Kirche heute habe niemand die Absicht, einen Menschen zu erniedrigen oder in seiner Würde zu verletzen, so Spiess. Zugleich könne es zu Missverständnissen kommen, wenn eine Kritik als Diskriminierung oder Herabsetzung empfunden werde. Es könne aber sein, dass gewisse Gruppierungen jemandem sagten, er lebe "nicht nach Gottes Wille". Ob dies nun Meinungsfreiheit oder Diskriminierung sei, zeige die Rechtsunsicherheit in diesen Fragen. 

Wichtig ist den Freikirchen, dass ihre Theologen weiterhin homosexuelle kirchliche Trauungen ablehnen dürfen. "Würde ein angehender Theologe wegen einer solchen Aussage aus dem Studium ausgeschlossen, würden wir von der SEA versuchen, ihn mit unseren Möglichkeiten zu unterstützen", sagt Spiess.

"Alle Menschen sind wilkommen"

Der Präsident der katholischen Schweizer Bischofskonferenz (SBK), Bischof Felix Gmür, sieht hingegen keinerlei Probleme auf die römisch-katholische Kirche zukommen. Die SBK hatte im Vorfeld auf eine Stellungnahme zu der Vorlage verzichtet. Gmür erachtet es als nicht notwendig, Empfehlungen an Priester, Theologinnen und Katecheten zu formulieren.

"Ich bin überzeugt davon, dass sich unsere Mitarbeitenden bewusst sind, dass in der Kirche alle Menschen willkommen sind - unabhängig von ihrer Rasse, Herkunft und sexuellen Orientierung." Und auf die Frage, ob Predigten nun vorsichtiger formuliert werden müssten: "Die sensible Bibelauslegung ist eine Grundkompetenz, die von einem heutigen Seelsorger erwartet werden kann."

Gmür zeigt sich grundsätzlich überzeugt, dass die katholische Kirche nicht mit dem neuen Gesetz in Konflikt geraten wird. "Die Kirche ist ein sogenannter Tendenzbetrieb mit Einschränkungen, die nicht für die Allgemeinheit gelten und deshalb nicht unter die neue Strafnorm fallen", erklärt er. Zudem befinde sich die Kirche bezüglich ihrer internen "Einschränkungen rund um die sexuelle Orientierung weltweit auf einem Entwicklungsweg", zeigt sich Gmür überzeugt. Dabei reflektiere die Kirche die gesellschaftlichen Entwicklungen und den Diskurs der Wissenschaften.


Bischof Felix Gmür im Portrait (SBK)
Bischof Felix Gmür im Portrait / ( SBK )
Quelle:
KNA