DOMRADIO.DE: Der Zweckverband katholischer Tageseinrichtungen ist für 260 Kitas im Bistum Essen zuständig. Wie halten Sie es denn mit dem Schweinefleisch?
Ursula Roosen (Gebietsleiterin beim Zweckverband katholischer Tageseinrichtungen für Kinder im Bistum Essen): Bei uns wird auch Schweinefleisch angeboten. Es gibt drei entscheidende Punkte, die wir bei der Ernährung, die wir den Kindern anbieten, einhalten: Das Essen muss abwechslungsreich, kindgerecht und gesund sein. Das sind die Punkte, die für uns ausschlaggebend sind. Dazu gehört Fleisch, dazu gehört auch Schweinefleisch, aber dazu gehören auch fleischlose Gerichte, zum Beispiel Fisch- oder Geflügelgerichte. Wichtig ist, wenn die Kinder am Tisch sitzen, müssen sie auch entscheiden können, was sie essen, wie viel sie essen – und wie viel Zeit sie auch dazu brauchen. Wir können natürlich auch Rücksicht nehmen auf Kinder, die Allergien haben, die Unverträglichkeiten haben – dazu gibt es spezielle Kost. Wir nehmen auch Rücksicht auf kulturelle Aspekte. Das heißt, wenn Kinder kein Schweinefleisch essen wollen, dann ist das Angebot so vielfältig, dass sie dann bei Beilagen mehr zulangen. Insofern ist das ein Punkt, den man sehr gut steuern kann.
DOMRADIO.DE: In der Debatte wurde auch das Argument angeführt, dass Kinder untereinander Essen tauschen können und dann muslimische Mädchen und Jungen, entgegen anderer Planung, doch Schweinefleisch zu sich nehmen. Welche Erfahrungen haben Sie da in Essen gemacht? Ist das wirklich ein Problem?
Roosen: Das kann ich nicht bestätigen. Wir haben dieses Problem nicht, denn sie haben ja diesen Aspekt auch bei anderen Punkten. Wenn Sie zum Beispiel Kinder haben, die aufgrund von Unverträglichkeiten nicht alles essen dürfen, auch da müsste man ja ansonsten sagen, dass alle Kinder nur noch Sonderkost bekommen, damit nicht einige vom Essen ausgeschlossen sind. Insofern können wir nicht feststellen, dass das bei uns ein Problem ist. Im übrigen ist es ja auch so, dass, wenn Kinder einmal von einem Nachbarteller etwas stibitzen, dann ist es ja nicht so, dass Kinder bewusst Unrecht tun. Das sind sehr marginale Randerscheinungen, das sind Einzelfälle, die nicht dazu führen sollten, dass man jetzt plötzlich Schweinefleisch vom Speiseplan verbannt.
DOMRADIO.DE: Zu der erhitzten Diskussion kam dann ja auch noch der Vorschlag hinzu, in Kitas ganz grundsätzlich auf Fleisch zu verzichten. Was halten Sie davon?
Roosen: Nicht viel. Es kommt ja immer auf die Zusammensetzung und auf die Mengen an. Wenn man von gesunder, ausgewogener Ernährung spricht, dann gehört sicherlich auch Fleisch dazu. Aber wichtig ist einfach, dass es ein ausgewogenes Verhältnis ist und dazu gehören auch fleischlose Tage. Insofern halte ich es nie für gut, wenn man zu viele Einschränkungen vornimmt. Kinder sollen einen bewussten, guten Umgang mit Lebensmitteln erlernen. Insofern bringen da Verbote wenig, die nur dazu führen, dass es vielleicht sogar nachher noch interessanter wird.
DOMRADIO.DE: Vor dem Hintergrund ihrer langjährigen Erfahrungen in Essen: Wie schätzen Sie denn die Leipziger Fälle und den ganzen Wirbel darum ein?
Roosen: Ich muss ehrlich sagen: Ich halte diese Welle für völlig überzogen und unverhältnismäßig. Denn es ist leider auch bei anderen Diskussionen häufig so, dass sehr unnötig irgendwelche Ängste geschürt werden oder unverhältnismäßige Emotionen hochkochen. Auch bei anderen Themen ist es so, dass wir alle schauen müssen: Wo kann ich wirklich sehen, dass ich Emotionen einfange, dass ich wirklich auf eine sachliche Diskussion zurückkomme. Denn, ich glaube, da sind wir uns alle einig, es kann ja nicht sein, dass nachher der Polizeiwagen vor der KiTa zum alltäglichen Bild gehört. Letztendlich sind sonst die Kinder in den Einrichtungen die Leidtragenden.
Das Interview führte Moritz Dege.