"Es war schon eine Umstellung", sagt der emeritierte Erzbischof von Paderborn mit Blick auf seinen Rücktritt als Diözesanbischof. "Früher hatte man nach dem Aufstehen gleich eine gewisse Tourenzahl. Das brauche ich nun nicht mehr. Ich kann den Tag gelassen angehen", erklärte Hans-Josef Becker (76) dem "Westfalen-Blatt" (Samstag). Nach seinem Rücktritt als Diözesanbischof vermisse er die Unfreiheit, Disziplin und das Fremdbestimmt-Sein nicht: "Meine schwerwiegendste Frage ist dabei: Muss ich heute schon wieder tun, was ich will?"
Seit seiner Verabschiedung als Erzbischof im Oktober 2022 hat Becker nun Zeit, Kontakte zu pflegen. "Ich bin erstaunt und froh, dass manche Kontakte einfach wieder geschlossen worden sind. Man freut sich, dass man sich sieht, man ist aneinander interessiert", sagte Becker. Außerdem treffe er sich einmal im Monat mit Pensionären: "Das hilft auch gegen die Vereinsamung." In seiner altersgerechten Wohnung in der Paderborner Innenstadt fühle er sich sehr wohl. Hier sei er sozial weiterhin eingebunden und könne "völlig unbehelligt leben".
Er berichtet, er helfe, wo er gefragt sei. Ansonsten nutze er seine Freizeit für Stille, Meditation und Gebet und um Konzerte zu besuchen. "Kultur kann ich jetzt viel freier genießen, als es vorher ging. Auch spontan." So schätze er sehr die hohe Qualität der Dom-Musik.

Zunehmende Polarisierungen in der Gesellschaft machen dem Alt-Erzbischof Sorgen. "Ich bin erschrocken über die Gottvergessenheit und den damit verbundenen Glaubensabbruch", sagte Becker. Es erschrecke ihn, "wie wenig Menschen unsere Kirche selbst kennen". Vielen fehlten selbst Elementarkenntnisse und sie wüssten mit dem Kirchenjahr nichts mehr anzufangen. Hoffnung mache ihm dagegen der "ganz gute neue Erzbischof" in Paderborn. "Ich denke, dass die Weichen hier gut gestellt sind und dass es auch einen Zukunftsweg geben wird, der uns auch noch viel Freude und Hoffnung schenkt."