Alterswissenschaftler attestiert Papst Franziskus geistige Frische

"Für das Heil der Menschheit und der Kirche"

Franziskus ist zwar körperlich fragil, aber geistig stabil. So beschreibt ihn Gerontologe Andreas Kruse. Er sieht die starke körperliche Belastung des Amtes, lobt den Papst aber für seinen unermüdlichen Einsatz für die Gerechtigkeit.

Papst Franziskus bei der Weltsynode (synod.va/Lagarica)

DOMRADIO.DE: Wenn Sie Papst Franziskus so aus der Ferne beobachten: Welchen körperlichen und geistigen Eindruck macht er auf Sie? 

Prof. Dr. Andreas Kruse (Universität Heidelberg): In seinen Aussagen, in seinem Handeln erkenne ich eine hohe seelisch-geistige Kontinuität. Kontinuität in der Art des Denkens, in seinen Vorstellungen von Gerechtigkeit, in seiner Empathiefähigkeit, in seinem Verlangen, an die Ränder der Gesellschaft zu gehen, in den Werten, die er artikuliert. 

Was die körperliche Erscheinung angeht, ist zu beobachten, dass er schwere Erkrankungen zu bewältigen hatte und hat. Diese Erkrankungen lagern sich auf natürliche physiologische Alternsprozesse auf, und dies führt dazu, dass der Papst körperlich fragil erscheint. Aber was das Seelische und Geistige anbelangt, habe ich den Eindruck, dass wir bei ihm eine hohe Kontinuität und Kompetenz beobachten können. 

DOMRADIO.DE: Hält denn so ein anspruchsvolles Amt den Inhaber eher fit oder altert er dadurch schneller? 

Kruse: Dieses Amt, das von ihm selbst als Erfüllung betrachtet wird, trägt dazu bei, dass seine seelische und geistige Kompetenz nicht nur länger erhalten bleibt, sondern dass sie sich auch weiter differenzieren kann. 

Aber ein solches Amt ist zugleich eine körperlich ungemeine Herausforderung, sodass aus körperlicher Sicht womöglich die Gefahr besteht, dass der physiologische Alterungsprozess beschleunigt wird. Aus seelisch-geistiger Sicht habe ich den Eindruck, dass ein solches Amt und dessen Fortführung für ihn nicht nur eine Belastung ist, sondern auch eine Chance bedeutet. 

DOMRADIO.DE: Für Päpste ist üblicherweise eine Rente nicht vorgesehen. Papst Benedikt hat es dennoch für sich in Anspruch genommen. Normalerweise jedoch arbeitet ein Papst bis zu seinem Tod. Wann ist es sinnvoll, sich zurückzuziehen? 

Kruse: Bei der Beantwortung dieser Frage sollten in meinen Augen drei Aspekte betrachtet werden. Erstens: Wie lange kann ich mir ein solches Amt körperlich zutrauen und zumuten, wann schadet dieses Amt meinem Körper in einem Maße, dass ich mir dieses selbst nicht mehr auferlegen sollte? 

Papst Franziskus (2.v.r) kommt in einem Rollstuhl auf dem Petersplatz / © Alessandra Tarantino (dpa)
Papst Franziskus (2.v.r) kommt in einem Rollstuhl auf dem Petersplatz / © Alessandra Tarantino ( dpa )

Zweitens: Wie lange kann ich die großen Herausforderungen annehmen, die dieses Amt für die Psyche und den Geist bedeutet? Drittens: Wie lange reicht meine körperliche und seelisch-geistige Kraft, Christen und Christinnen durch mein Wort, durch mein Auftreten in der Welt und im öffentlichen Raum zu inspirieren, zu motivieren und zu überzeugen? Wie lange trägt die Überzeugungskraft? 

Wenn ich den Eindruck habe, diese Überzeugungskraft spüre ich und sie wird mir von Menschen immer wieder bestätigt, dann ist es sinnvoll, dass ich dieses Amt weiterführe. Denn ich bringe in diesem Amt etwas Schöpferisches zur Verwirklichung, etwas, was der Welt guttut. 

Diese drei Perspektiven: Körper, Seele-Geist und Ansprache der Gemeinschaft müssen immer wieder aufs Neue betrachtet werden. Was ich eindrucksvoll finde, ist, wenn eine hochbetagte Person, der wir ihre Fragilität anmerken, trotzdem ihre seelisch-geistige Kompetenz zeigt. Wenn sie zum Ausdruck bringt, dass sie für das Heil der Menschheit und der Kirche brennt. 

Mich beeindruckt, dass der Papst immer wieder darauf hinweist, wie wichtig es ist, dass wir in unserer Welt für Gerechtigkeit und Frieden kämpfen. Dass er sagt, wie wichtig es ist, dass wir Menschen, die wenig haben, nicht vergessen, und dass wir in verantwortlicher Art und Weise mit unseren natürlichen Ressourcen und der Schöpfung umgehen. Das ist aus einem derartigen Munde eine bemerkenswerte Botschaft. 

DOMRADIO.DE: Papst Franziskus feiert heute seinen 88. Geburtstag. Was wünschen Sie ihm? 

Kruse: Erstens wünsche ich ihm die Fortsetzung seiner Bescheidenheit. Zweitens die Fortsetzung seines deutlichen Wortes mit Blick auf Gerechtigkeit und Frieden. Und drittens wünsche ich ihm Erfüllung in seinem Amt und dass er Dank dafür empfängt, was er für die Welt und die Christenheit tut. 

Das Interview führte Tobias Fricke.

Hintergrund: Papst Franziskus und seine Knieprobleme

Franziskus relativiert die Aussicht auf eine schnelle Besserung seiner starken Kniebeschwerden. "Das Knie will einfach nicht heilen", sagte er bereits im Frühjahr bei einer Generalaudienz. Er entschuldigte sich bei den Teilnehmern, dass er sie wegen der Beschwerden nur im Sitzen verabschieden könne. "Ich kann nicht lange stehen."

Papst Franziskus wird gestützt als er zur Feier der katholischen Ostermesse auf dem Petersplatz im Vatikan eintrifft / © Alessandra Tarantino/AP (dpa)
Papst Franziskus wird gestützt als er zur Feier der katholischen Ostermesse auf dem Petersplatz im Vatikan eintrifft / © Alessandra Tarantino/AP ( dpa )
Quelle:
DR