Amnesty International besorgt über politische Situation in Ruanda

"Es gibt kaum noch freie Medien"

Mit 99 Prozent der Stimmen wurde der amtierende Präsident Paul Kagame am Freitag in Ruanda erneut gewählt. Er regiert das Land seit 17 Jahren, aber dem wirtschaftlichen Boom steht Kagames massive Politik der Unterdrückung gegenüber.

Auszählung der Stimmen in einem Wahllokal in Ruanda / © Jerome Delay (dpa)
Auszählung der Stimmen in einem Wahllokal in Ruanda / © Jerome Delay ( dpa )

domradio.de: Internationale und ruandische Wahlbeobachter loben den Wahlgang als fair und frei. Es hätte keine Zwischenfälle gegeben. Das klingt erst mal gut. Oder?

Franziska Ulm-Düsterhöft (Fachreferentin für Afrika bei Amnesty International Deutschland): Das klingt schon gut. Amnesty kann jedoch keine Beurteilung vornehmen, wie korrekt oder inkorrekt das Wahlergebnis ist. Im Vorfeld der Wahlen hat es einige Einschränkungen und Unstimmigkeiten gegeben. So sind zum Beispiel einige Stimmzettel von Oppositionskandidaten verschwunden, die sie für die Registrierung als Kandidat einreichen müssen. Gegner wurden, wie bei allen anderen Wahlen, wieder massive eingeschüchtert. Wiedersacher wurden verhaftet und ein Oppositioneller wurde ermordet. Zudem verschwinden regelmäßig politische Gegner. All dies hat über die Jahre stattgefunden und macht eine freie, politische Debatte fast unmöglich.

domradio.de: Es klingt unglaublich: Mit 99 Prozent der Stimmen wurde Kagame wiedergewählt. Das bedeutet, dass alle anderen Kandidaten weniger als ein Prozent der Stimmen bekommen haben. Das klingt nicht demokratisch und fair?

Ulm-Düsterhöft: Ob das demokratisch und fair ist, vermag ich nicht zu sagen. Sie haben selbst gesagt, dass Ruanda ein stabiles Land in einer sehr unsicheren Region ist. Es ist über die Jahre wirtschaftlich gewachsen und es gab in den letzten Jahren einige positive Reformen im Justizbereich. Zum Beispiel wurde die Todesstrafe abgeschafft und rechtliche Standards angehoben. Nichtsdestotrotz gibt es Gesetze: zum Beispiel das Mediengesetz und das Gesetz über Völkermord, die so breit formuliert sind, dass dadurch Medienschaffende, Menschenrechtsverteidiger und politisch aktive Oppositionelle immer wieder verhaftet und verurteilt werden können. Das schafft ein Klima der Angst. So wird eine politische Debatte gar nicht mehr ermöglicht und starke Selbstzensur hervorgerufen. 

domradio.de: Wie ist es für Amnesty International in dem Land?

Ulm-Düsterhöft: Amnesty International war im März in Ruanda, aber es gab auch Jahre, in denen wir keine Erlaubnis bekommen haben, einzureisen. Wie Human Rights Watch wurde auch Amnesty International in den vergangenen Jahren immer mal wieder als terroristische Organisation bezeichnet, die den Völkermord leugnen würde. Es gibt leider viele Verleumdungen. 

domradio.de: Bei allem Positiven, wie der Einschulungsrate oder der gesenkten Sterblichkeit, könnte das Land ein Beispiel für andere Länder in Afrika sein. Aber mit der jetzigen politischen Lage klappt das nicht, oder?

Ulm-Düsterhöft: Die positive wirtschaftliche Entwicklung oder die Umsetzung von Entwicklungsprojekten sind in Ruanda sehr gut möglich. Dennoch ist das Land keinesfalls ein positives Beispiel für Meinungsfreiheit, Informationsfreiheit oder Versammlungsfreiheit. Es gibt kaum noch freie Medien in Ruanda. Viele Journalisten haben das Land verlassen und es gibt kaum noch funktionierende Nichtregierungsorganisationen. Diese wurden über die Jahre kaputtgemacht. Es gibt andere Länder in Afrika, die wesentlich mehr Meinungsfreiheit und Informationsfreiheit aufweisen.

Das Interview führte Silvia Ochlast.


Franziska Ulm-Düsterhöft, Fachreferentin für Afrika bei Amnesty International Deutschland. / © Amnesty International  (ai)
Franziska Ulm-Düsterhöft, Fachreferentin für Afrika bei Amnesty International Deutschland. / © Amnesty International ( ai )
Quelle:
DR