"Das ist einfach ein Muss", sagt Andrea. Sie ist mit der ganzen Familie da – inklusive Großeltern. "Die haben mich mitgeschleppt", meint Oma Elke. "Die Effzeh-Hymne im Dom. Das ist der Knaller. Allein deswegen lohnt es sich", für Familienvater Rainer das absolute Highlight.
Tausende sind gekommen, um die Andacht des 1. FC Köln vor dem Saisonstart mitzuerleben. Nach zwei Corona-Jahren mit strengen Hygieneauflagen ist der Dom heute rappelvoll. "Die Sehnsucht nach dem Gottesdienst vor dem ersten Heimspiel ist sehr groß gewesen", sagt ein Verantwortlicher des 1. FC Köln.
Verzögerung durch hohen Andrang
Schon eine Stunde vor Beginn der ökumenischen Andacht stehen ungezählte Fans auf der Domplatte und warten auf den Einlass. Hunderte Meter ist die Schlange lang – bis in die Fußgängerzone. "Es warten noch so viele Fans draußen", sagt der Kölner Stadtdechant Monsignore Robert Kleine, als es eigentlich losgehen soll und weiter: "Deshalb verzögert sich der Anpfiff der Andacht". Viel Gelächter im Dom für den Fußballvergleich. Überhaupt holt Kleine auf sympathische Art die Fans da ab, wo sie stehen. So begrüßt er auch die zugegeben wenigen Fans von Schalke 04, dem Gegner am Nachmittag im Dom. "Applaus für die Schalker", ruft er. Und alle klatschen. Das freut auch Klaus und Achim, zwei Anhänger des Ruhrgebietsclubs. Sie kommen aus Baden-Baden und waren noch nie im Dom. Ein Kölner Freund hat sie eingeladen und jetzt schwärmen sie von diesem ganz besonderen Erlebnis. "So ein Gottesdienst führt Fans zusammen", sagt Klaus. "Ein tolles Erlebnis", meint auch Achim.
Die FC-Andacht führt die Menschen zusammen, alt und jung, arm und reich, klein und groß, Familien und Alleinstehende – über alle Milieugrenzen hinweg. In einer sich zunehmend in Gruppen differenzierenden, aufspaltenden und abgrenzenden Gesellschaft ist es in der Tat ein Erlebnis, wenn sich die große Effzeh-Familie trifft – und alle miteinander einen Gottesdienst feiern. Das gemeinsame "Amen" kommt genauso textsicher über die Lippen wie das Vaterunser und das Vereinslied. Kinder toben durch die Gänge und rücksichtsvoll wird den älteren Fans ein Sitzplatz angeboten.
Ökumenischer Gottesdienst
Der katholische Stadtdechant Monsignore Robert Kleine und der evangelische Stadtsuperintendent Bernhard Seiger feiern die Andacht gemeinsam – und es gelingt ihnen, zwischen Gelächter, Applaus und stiller Andacht genau das richtige Maß zu finden. Und auch die Orgel trifft den Ton und improvisiert gekonnt zwischen kölschem Liedgut und dem Kirchenhit "Großer Gott, wir loben dich".
Monsignore Kleine betont in seiner Predigt die Bedeutung der Solidarität, er lobt die Initiative der Stiftung des 1. FC Köln "Lebe nachhaltig" und auch, dass der Geißbock-Verein drei Jugendteams aus Kiew nach Köln eingeladen hat. "Fußball hat etwas Völkerverbindendes", sagt er. "Bei allem Wettkampf der Vereine", meint auch Bernhard Seiger, "entscheidend ist, dass wir, dass alle Fans gemeinsam unterwegs sind. Denn die anderen Vereine sind Konkurrenten und keine Feinde".
Die FC-Hymne zum Abschluss
"Wir sind doch alle Fans", sagt auch Schalke-Anhänger Klaus. "Na ja", meint sein Freund Achim, "in Dortmund würde ich mich nicht in einen BVB-Gottesdienst trauen". Und dann – ja, dann kommt der große Augenblick, dann geht es darum, den Effzeh-Fan-Schal vom Hals in die Hand zu nehmen, um die FC-Hymne zu singen. "Mer stonn zo dir FC Kölle". Und der Dom bebt und man meint sogar den Geißbock, der draußen als Wasserspeier am Domdach verewigt ist, mitsingen zu hören. Bleibt allein die Frage zu klären, was macht ein Schalke-Fan, wenn im Dom die Effzeh-Hymne gesungen wird. "Klappe halten, zuhören, staunen und applaudieren", sagt Achim.