Andachtsorte zur Passion in Jerusalem, Rom und Deutschland

Von Heiligen Stiegen und Heiligen Gräbern

Kreuzwege sind vielen bekannt. Ihre meist 14 Stationen erinnern an den Weg Jesu zur Kreuzigung - gerade in der Karwoche vor Ostern. Weniger bekannt sind "Heilige Stiegen" und "Heilige Gräber". Was verbirgt sich dahinter?

Autor/in:
Simon Kajan
Eine Hand berührt ein Kreuz auf der Scala Santa (dt. Heilige Stiege) in Rom am 11. April 2019. / © Cristian Gennari/Romano Siciliani (KNA)
Eine Hand berührt ein Kreuz auf der Scala Santa (dt. Heilige Stiege) in Rom am 11. April 2019. / © Cristian Gennari/Romano Siciliani ( KNA )

Auf den Philippinen gibt es farbenprächtige Umzüge, dort geißeln sich aber auch Gläubige oder lassen sich sogar in einer umstrittenen Zeremonie ans Kreuz schlagen. In Oberammergau ist regelmäßig ein ganzes Dorf auf den Beinen, um die Passionsspiele aufzuführen. Und RTL hat 2022 das Leiden Jesu in der "Passion" ganz zeitgenössisch als Live-Event in Szene gesetzt. Seit den ersten Jahrhunderten begehen Christen in nachahmender Weise die Karwoche. Sie "spielen" Jesu letzte Stunden nach, um sie anschaulich und begreifbar zu machen. Sie wollen Jesus auch im Leiden nachfolgen - auf unterschiedlichste Weise.

Arabische Christen gehen den Kreuzweg, die Via Dolorosa, in Jerusalem an Karfreitag am 15. April 2022 / © Andrea Krogmann (KNA)
Arabische Christen gehen den Kreuzweg, die Via Dolorosa, in Jerusalem an Karfreitag am 15. April 2022 / © Andrea Krogmann ( KNA )

Spätestens seit dem 3. Jahrhundert ist vor allem Jerusalem als Stätte von Kreuzestod und Auferstehung Sehnsuchtsort vieler Christen, um Christus auch in seinem Leiden nahezukommen: Die Gläubigen versammeln sich am Gründonnerstag am Ölberg, um der Todesangst und des Verrats zu gedenken, an Karfreitag gehen sie auf der Via Dolorosa den Leidensweg von Jesu Verurteilung bis zum Kreuz und zu seinem Begräbnis - und am Karsamstag zum Heiligen Grab, um die Osternacht zu feiern.

Der Weg des Kreuzes nach Rom

Doch nicht jeder hat die Chance, nach Jerusalem zu kommen. So entstand schon früh der Wunsch, wenigstens durch Reliquien das Leiden Jesu auch andernorts berührbar zu machen. In gewisser Weise folgerichtig brachte die Mutter Kaiser Konstantins, Kaiserin Helena (248/50-330), das Kreuz Christi nach Rom. Der Überlieferung nach fand sie auf wundersame Weise das wahre Kreuz - und von Rom fanden Partikel dieses Kreuzes weltweit Verbreitung, damit es verehrt werden konnte.

Doch neben dem Kreuz brachte Helena 326 auch die "Heilige Stiege" mit nach Rom: Die Treppe aus dem Haus des Pilatus, über die Jesus zu seiner Verurteilung schreiten musste. Die 28-stufige Anlage ist heute neben dem römischen Lateran aufgebaut - unweit der Kirche St. Maria in Gerusalemme, in der große Teile des Kreuzes aufbewahrt werden.

Die "Heilige Stiege"

Dort hat 1589 Papst Sixtus V. die Stiege als Aufgang zur Papstkapelle "Sancta Sanctorum" anlegen lassen, die für die wichtigsten Reliquien der Päpste gebaut worden war. Seitdem nähern sich ihnen die Gläubigen über eine Treppe, die selbst Reliquie ist, indem sie auf Knien im Gebet Stufe um Stufe "erklimmen".

Wiedereröffnung nach Restaurierungsarbeiten: Pilger auf der Scala Santa / © Cristian Gennari (KNA)
Wiedereröffnung nach Restaurierungsarbeiten: Pilger auf der Scala Santa / © Cristian Gennari ( KNA )

Während Teile des Kreuzes handhabbarer sind und weltweit verbreitet werden konnten, stellt sich das bei der "Heiligen Stiege" natürlich anders dar. Um die Andacht an diesen Teil der Passion zu fördern, verbreitete sich im bayrisch-österreichischen Raum der Brauch, Abbilder der "Heiligen Stiege" zu bauen - etwa in Bad Tölz (1723), Salzburg (1714), Lenggries (1726) und Windberg.

Die "Stufen zum Himmel" in Bonn

An diese Tradition anknüpfend, ließ der wittelsbacherische Kölner Kurfürst Clemens August ab 1746 in Bonn durch Balthasar Neumann eine "Heilige Stiege" errichten - angebaut an die barocke Wallfahrtskirche auf dem Kreuzberg seines Urgroßonkels Ferdinand von Bayern. Es wird nicht nur die Nähe zur Frömmigkeit Bayerns gewesen sein, die diesen Bau in der Residenzstadt am Rhein motivierte. Denn in Bonn gibt es seit langem eine eigene Helena-Tradition. Die heilige Kaiserin gilt als Stifterin des Bonner Münsters und Erbauerin einer ersten Kirche über dem Grab der Stadtpatrone Cassius und Florentius.

Die von den Rheinländern einst liebevoll "Stufen zum Himmel" genannte Anlage ist außen mit einem Balkon versehen, auf dem der dornengekrönte und gefesselte Christus zwischen Pilatus und einem Soldaten dem Volk vorgeführt wird. Tritt der Gläubige durch das Portal ein, steht er am Fuße einer 28-stufigen Anlage empor zu einem Altar mit der Darstellung der Kreuzigung.

Die sieben Schmerzen der Gottesmutter

Karfreitag

Am Karfreitag gedenken die Christen des Leidens und Sterbens Jesu. Theologisch ist der Feiertag untrennbar mit Ostern als dem Fest der Auferstehung verbunden.

Das Wort "Kar" kommt aus dem Althochdeutschen und bedeutet "Kummer". Karfreitag gedenken Katholiken und Protestanten der Kreuzigung Jesu. Neben Aschermittwoch ist dies der einzige Tag, der in der katholischen Kirche als strenger Buß- und Fasttag gilt.

Karfreitag ist ein stiller Feiertag (dpa)
Karfreitag ist ein stiller Feiertag / ( dpa )

In den einzelnen Stufen sind jeweils Reliquien eingelegt - und an drei Stellen Messingkreuze eingelassen, die an den dreimaligen Fall Jesu auf dem Kreuzweg erinnern sollen. Dieses kleine Jerusalem auf der Bonner Anhöhe wird zudem durch zwei Wallfahrtswege erreicht. Zum einen von einem klassischen Kreuzweg, einer bis heute weit verbreiteten Andacht zur Betrachtung des Leidens Jesu.

Zum anderen wird der Pilger auch den "Sieben Fußfällen" entlang geleitet. Diese Andacht gilt eigentlich als Frühform des Kreuzwegs. Anstatt aber die Leiden Christi zu betrachten, bilden die sieben Bonner Stationen die sieben Schmerzen der Gottesmutter ab: von der Weissagung des Simeon im Tempel aus dem Lukas-Evangelium - "deine Seele wird ein Schwert durchdringen" - bis zur Grablegung.

Mehr als bloße Nachahmung

Unter der Treppenanlage ist ein "Heiliges Grab" zu finden - auch eine Tradition, die seit der Antike bekannt ist. Erste Zeugnisse von Nachbildungen des Grabes Christi lassen sich schon im 5. Jahrhundert im südfranzösischen Narbonne nachweisen. Das Bonner Grab erinnert in seiner barocken Ausgestaltung eher an Bayern, beispielsweise an die Heiligen Gräber in Höglwörth im Berchtesgadener Land (1836), Traunwalchen (Kreis Traunstein, 1773) oder Aschau im Chiemgau (1618).

Die prachtvoll mit bunten Lichtern ausgestattete Kapelle soll die Stätte der Grabesruhe und Auferstehung in Jerusalem den Gläubigen lebendig vor Augen führen. Und doch geht sie darüber hinaus, indem in der ursprünglichen Anlage dieser "Höhle" auf eine ebenso plastische Darstellung der Geburtsgrotte verwiesen wird.

So soll die bauliche Ausstattung des Baus von Clemens August auch vermitteln, dass die Passionsfrömmigkeit nicht in sich stehen bleibt, sondern eingebettet ist in die Dynamik des ganzen Heilswerks - von der Menschwerdung bis zur Auferstehung. Passionsfrömmigkeit soll mehr sein als bloße Nachahmung oder eine Wiederbelebung wie in einem antiken Mysterienspiel. Gedacht ist sie als innerliche Anteilnahme an Jesu Leiden durch das je eigene Leben der Christen, durch ihre individuelle Hingabe - damit seine Auferstehung auch die ihre werde.

Quelle:
KNA
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