Andreas Odenthal würdigt den Liturgiewissenschaftler Nußbaum

Praxisnähe und historische Forschung

Welche Symbole und Zeichen stecken in der Messe? Wie hat sich die Feier verändert? Das Fach Liturgiewissenschaft gibt es noch gar nicht so lange. Mit Otto Nußbaum wäre an diesem Samstag eine prägende Gestalt 100 Jahre alt geworden.

Priester bei der Eucharistie / © Harald Oppitz (KNA)
Priester bei der Eucharistie / © Harald Oppitz ( KNA )

Liturgiewissenschaft an der Universität Bonn: Zum 100. Geburtstag von Otto Nussbaum (1923-1999)

Die Liturgiewissenschaft als eigenständiges Fach hat in Bonn noch keine sehr lange Tradition: Erst 1965 wurde ein eigener Lehrstuhl gemäß den Weisungen des Zweiten Vatikanischen Konzils eingerichtet.

Universität Bonn / © gokhanadiller (shutterstock)

Der erste Lehrstuhlinhaber war Otto Nussbaum, der heute vor 100 Jahren, nämlich am 1. Juli 1923 in Köln-Deutz geboren wurde. Er vertrat die Liturgiewissenschaft an der Universität Bonn von 1965 bis 1988.

Berufung ans Kölner Priesterseminar

Nach dem Abitur in Köln 1941 studierte Nussbaum in schwieriger Zeit in Bonn Theologie, unterbrochen durch Studentischen Ausgleichsdienst und Militärzeit in den Jahren 1942 bis 1945. Am 30. Juli 1950 wurde er im Hohen Dom St. Petrus zu Köln zum Priester geweiht.

Neben seiner Tätigkeit als Kaplan absolvierte er weitere Studien in Bonn, wo er 1957 zum Doktor der Theologie promoviert wurde. Im Jahre 1960 wurde er in der Nachfolge von Theodor Schnitzler zum Professor für Liturgik und Rubrizistik ans Kölner Erzbischöfliche Priesterseminar berufen.

Im Jahre 1963 erfolgte die Habilitation in Bonn mit der Lehrerlaubnis für Alte Kirchengeschichte, Liturgiegeschichte und Christliche Archäologie, so dass er 1965 den neu eingerichteten Bonner Lehrstuhl für Liturgiewissenschaft übernehmen konnte.

Blick in die Konzilsaula während des Zweiten Vatikanischen Konzils / © Ernst Herb (KNA)
Blick in die Konzilsaula während des Zweiten Vatikanischen Konzils / © Ernst Herb ( KNA )

Die enge Verbundenheit der Bonner akademischen Theologie mit der Kölner Ortskirche trat in der Person Nussbaums als einem Kölner Priester besonders in Erscheinung: Er wurde im Jahre 1981 zum Päpstlichen Ehrenprälaten und im Jahre 1987 – gemäß des Konkordates – zum nichtresidierenden Domkapitular an der Hohen Domkirche zu Köln ernannt. Er starb am 26. Juni 1999.

Zunächst kein eigener Lehrstuhl

In seiner liturgiewissenschaftlichen Forschung konnte Nussbaum an die pluralen Traditionen der Universität Bonn anknüpfen. Nach deren Gründung im Jahr 1818 war man sich der Bedeutung einer pastoral ausgerichteten Liturgik zwar bewusst, jedoch kam es infolge der zunehmenden Restauration nicht zur Errichtung eines eigenen Lehrstuhls.

Liturgiewissenschaftler und Priester: Prof. Dr. Otto Nußbaum / © Manfred Plate
Liturgiewissenschaftler und Priester: Prof. Dr. Otto Nußbaum / © Manfred Plate

Während im Kölner Priesterseminar die Liturgik mehr und mehr verrechtlicht und als Rubrizistik gelehrt wurde, kam an der Bonner Fakultät nach den Wirren des Kulturkampfs gegen Ende des Jahrhunderts die Liturgik in unterschiedlichen Zusammenhängen vor. Dabei zeichneten sich bereits die beiden bis heute in Bonn prägenden Stränge des Fachs deutlich ab: der praktisch-theologische und der historische.

Nach dem Zweiten Weltkrieg hat sich vor allem der Kirchenhistoriker Theodor Klauser um die Liturgiewissenschaft in Bonn verdient gemacht.

Schild der Katholisch-Theologischen Fakultät an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn / © Harald Oppitz (KNA)
Schild der Katholisch-Theologischen Fakultät an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn / © Harald Oppitz ( KNA )

Als Lehrer von Otto Nussbaum prägte er dessen Forschungen, so dass die neu eingerichtete Liturgiewissenschaft in der historischen Fächergruppe angesiedelt wurde.

Nussbaums historische Forschungen zu "Kloster, Priestermönch und Privatmesse" (1961) sowie zum "Standort des Liturgen am christlichen Altar vor dem Jahre 1000" (1965) sind bei aller Zeitbedingtheit bis heute Standardwerke. Sie haben übrigens kontroverse Debatten ausgelöst, die aber so für grundlegende Fragen des Gottesdienstes sensibilisiert haben.

Keine isolierte Forschung

Nussbaums Stärke lag darin, historische Forschung nicht isoliert zu betreiben: "Seine Verwurzelung in der historischen Forschung wusste er auch für die praktisch-theologischen Fragestellungen fruchtbar zu machen", so Albert Gerhards. Diese Praxisnähe zeigte sich bis hin zu Artikeln im Pastoralblatt zu aktuellen liturgischen Fragen in der Zeit großer Veränderungen der 60er und 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts.

Referent Professor em. Albert Gerhards   / © Beatrice Tomasetti (DR)
Referent Professor em. Albert Gerhards / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Es war Nussbaums Anliegen, kirchliche Praxis kritisch zu reflektieren und zu begleiten. An diese inhaltliche wie methodische Vielfalt konnten dann Nussbaums Nachfolger Albert Gerhards (Lehrstuhlinhaber von 1989-2017) und Andreas Odenthal, der als Schüler von Otto Nussbaum und Albert Gerhards den Lehrstuhl seit 2018 innehat, gut anknüpfen: Der praktisch-theologische Schwerpunkt des Lehrstuhls wird weiterhin mit umfassender liturgiegeschichtlicher Forschung verbunden.

Prof. Dr. Andreas Odenthal / © schafgans dgph (privat)
Prof. Dr. Andreas Odenthal / © schafgans dgph ( privat )

Nussbaums Freundlichkeit, seine Genauigkeit und sein profundes, über die Grenzen der Liturgiewissenschaft weit hinausgehendes Fachwissen haben ganze Generationen von Theologinnen und Theologen geprägt. Sie verdanken Otto Nussbaum in den unterschiedlichsten Berufsfeldern des Priesters, der Lehrerinnen und Lehrer, der Pastoralreferentinnen und Pastoralreferenten eine solide liturgiewissenschaftliche Ausbildung.

Zum Autor: Prof. Dr. Andreas Odenthal ist seit 2018 Lehrstuhlinhaber für Liturgiewissenschaft an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

Quelle:
DR