Angebot hilft Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch

Wie Betroffene neue Perspektiven finden

Nicht schwanger werden. Nicht den richtigen Partner haben. Nicht gesund genug sein. Es gibt viele Gründe, warum aus einer Frau keine Mutter wird. Es ist noch immer ein Tabuthema. Dagegen gibt es nun Initiativen, auch von der Kirche.

Autor/in:
Elisabeth Friedgen
Symbolbild Frau mit einem Schwangerschaftstest / © Dean Drobot (shutterstock)
Symbolbild Frau mit einem Schwangerschaftstest / © Dean Drobot ( shutterstock )

Ein Wochenende für ungewollt kinderlose Frauen - von der Familienpastoral? Das klingt zunächst vielleicht nach zwei Dingen, die nicht zusammengehören.

Auch Therese Weleda, Sozialpädagogin in der Fachstelle Familienpastoral des Bistums Limburg, hätte das früher selbst womöglich seltsam gefunden. Heute sagt sie, dass es sogar dringend Angebote für kinderlose Frauen braucht in der Familienpastoral. Damit das Thema aus der Tabu-Ecke herauskommt. Denn dort stecke es auch im 21. Jahrhundert noch fest.

"Mit frischem Wind im Segel" heißt das Angebot der Familienpastoral des Bistums Limburg für ungewollt kinderlose Frauen. Es will Betroffene vernetzen, stärken und ihnen Hoffnung für eine andere Ausrichtung ihres Lebens machen. Abwechselnd ein Thementag und ein Wochenende im Folgejahr bringen diese Frauen zusammen.

Fast keine spricht darüber

Viel hat sich getan in der gesellschaftlichen Wahrnehmung zu neuen Familienmodellen oder auch bei der Akzeptanz von Frauen, die sich bewusst gegen Kinder entscheiden. Wenn es aber darum geht, mit ungewollter Kinderlosigkeit umzugehen, fällt dem Umfeld oft nichts ein. 

Es gibt es eine große Scham zu sagen: 'Ich kann nicht Mutter werden, obwohl ich solche Sehnsucht danach habe. Ich werde nie ein Kind bekommen und leide darunter.' Auf ehrliche Anteilnahme und offene Ohren können diese Frauen nur selten hoffen.

Dabei kommt ungewollte Kinderlosigkeit häufiger vor, als allgemein angenommen wird. Eine Umfrage des Portals Statista von 2020 ergab, dass 42 Prozent der 25- bis 29-Jährigen und sogar 45 Prozent der 30- bis 34-Jährigen ungewollt kinderlos sind. 

So äußerten zwar in der gegenüberstellenden Analyse mehr Befragte, gewollt kinderlos zu sein. Bei den 35- bis 39-Jährigen waren es aber immer noch 36 Prozent, also mehr als jede und jeder dritte Befragte, die angaben, ungewollt kinderlos zu sein.

Durch eigene Erfahrung zum neuen Angebot

Therese Weleda wurde auf das Thema aufmerksam, weil sie selbst 2019 privat einen Kurs dazu besuchte. Die Sozialpädagogin, die zuvor schon jahrelang KESS-Erziehungskurse leitete und Familienangebote ihrer Fachstelle organisierte, wollte mit der eigenen Kinderlosigkeit umgehen lernen. "Dieser Kurs hat mich so bestärkt, dass ich eine Möglichkeit gesucht habe, etwas Vergleichbares für ungewollt kinderlose Frauen auch in unserem Bistum anzubieten."

Ihre Kollegin Psychologin Christina Köhler wiederum war Teilnehmerin in einem von Weledas ersten eigenen Kursen. Als die erste Co-Referentin Weledas zeitbedingt aufhörte, sprang Köhler gern ein. "Ich arbeite in meinem Berufsalltag eher mit Einzelpersonen und wollte gern einmal ein Gruppenangebot machen. Therese und ich haben schnell gemerkt, dass wir so etwas gut zusammen leiten können", sagt Köhler.

Wenn die Generationen voneinander lernen

In ihren Kursen findet sich der Schnitt der gesamten Gesellschaft: "Die Zielgruppe ist sehr vielfältig", berichtet Weleda. "Wir hatten Frauen aus verschiedenen Berufsgruppen dabei, auch eine Studentin. Auch der Kirchenbezug ist unterschiedlich: Frauen aus kirchlichen Arbeitsstellen, aber auch Teilnehmerinnen, die eher kirchenfern oder aus der Kirche ausgetreten sind."

Zwischen 30 und 50 sind die meisten Frauen, die an ihren Thementagen und Wochenenden teilnehmen. Sie stehen Interessierten unabhängig von Konfession und über Bistumsgrenzen hinweg offen. Aber auch schon Mittzwanzigerinnen und über 60-Jährige waren dabei. "Das mischt sich ganz wunderbar, weil die Frauen sich in ihren Perspektiven ergänzen", sagt Köhler.

Symbolbild Großeltern mit Enkelkind / © Ground Picture (shutterstock)
Symbolbild Großeltern mit Enkelkind / © Ground Picture ( shutterstock )

Thema bleibt im Alter bestehen 

Denn es gehe bei den Seminaren vor allem um das Gesehenwerden, den Umgang mit den damit verbundenen Gefühlen sowie eine Stärkung. "Die älteren Frauen können ein Stück weit Rollenmodell sein, denn sie sind ja im Leben schon mehrere Schritte weiter", so die Psychologin. 

Zugleich bleibe das Thema bis ins Alter bestehen - dann etwa bezogen auf Enkel. "Die jüngeren Frauen können den Älteren zeigen, dass es okay ist, sich den Raum für die Beschäftigung mit diesem Thema zu nehmen und es zu würdigen. Denn gerade die älteren Jahrgänge haben sich dies meist noch viel weniger selbst erlaubt als es bei Frauen heute der Fall ist."

Nicht bei der Trauer stehen bleiben

Bei den Kursen gibt es viel Raum für die Geschichten der Frauen. Raum für die Trauer und das Annehmen des eigenen Verlusts. "Es ist ein guter Rahmen bei uns, denn jede Frau weiß, wovon die andere spricht", sagt Weleda. Bei der Trauer bleiben sie aber nicht stehen: "Es geht immer auch irgendwann darum, einen Plan B zu entwickeln, wie ein erfülltes Leben ohne Kinder aussehen könnte." Die Referentinnen zeigen den Frauen auch Wege auf, wie sie sich für Gespräche mit Dritten wappnen können.

Denn nicht selten werden sie mit übergriffigen Kommentaren und Tipps überhäuft. Die Ratschläge von außen seien vielleicht gut gemeint, aber trotzdem verletzend, sagen die Referentinnen. Es gehe darum, sich dann zu fragen: "Wie geht es mir gerade mit dem Thema, wie stehe ich zu der Person, die mich auf meine Kinderlosigkeit anspricht, möchte ich darüber sprechen?" Es sei wichtig, für sich selbst Grenzen zu ziehen, so Köhler.

Nicht allein 

Was die Frauen an den Seminaren der Referentinnen schätzten, sei vor allem die Gemeinschaft. Das stellen sie bei den Treffen manchmal auch visuell dar: "Dazu reihen wir uns ein in eine Galerie kinderloser Frauen und finden dort unseren Platz. In dieser Galerie sind viele bekannte und erfolgreiche Frauen. Es tut gut zu spüren, ich bin nicht allein mit dem Thema", sagt Weleda. Denn der Schmerz über einen unerfüllten Kinderwunsch darf seinen Platz haben - doch das Leben hat noch andere Möglichkeiten, die erfüllen und froh machen können.

Bistum Limburg

Das 1827 gegründete Bistum Limburg gehört zu den jüngeren unter den 27 deutschen Diözesen. In seinem Gebiet leben rund 2,4 Millionen Menschen. Etwa 580.000 davon sind katholisch. Das Bistum misst 6.181 Quadratkilometer und erstreckt sich größtenteils auf Hessen, zu einem kleinen Teil auf Rheinland-Pfalz. Zur ihm gehören die Wirtschafts- und Bankenmetropole Frankfurt sowie die hessische Landeshauptstadt Wiesbaden ebenso wie ländliche Regionen im Rheingau, Taunus, Westerwald und nördlich von Wetzlar.

Blick auf den Limburger Dom / © Sina Ettmer Photography (shutterstock)
Blick auf den Limburger Dom / © Sina Ettmer Photography ( shutterstock )
Quelle:
KNA