DOMRADIO.DE: Wie stehen Sie zu den Reformbemühungen der Kirche, in Deutschland oder im Vatikan selbst?
Pater Anselm Grün OSB (Mönch der Benediktinerabtei Münsterschwarzach und Bestseller-Autor): Es ist ganz wichtig, dass sich die Kirche immer wieder erneuert, da geht es auch um Strukturen. Aber ich sehe auch zugleich, dass die Strukturen allein die Kirche nicht retten. Vielmehr braucht es auch diese spirituelle Vertiefung.
Meine Aufgabe sehe ich mehr in der spirituellen Vertiefung. Aber natürlich bin ich in der Kirche und lebe mit der Kirche und leide auch mit der Kirche, wenn immer mehr Menschen austreten. Da braucht es sicher auch äußere strukturelle Veränderungen.
DOMRADIO.DE: Sie sind Befürworter des Diakonats und des Priesteramts für Frauen. Kommt es vor, dass auch Anfragen von verschiedensten Interessengruppen kommen, die Sie als Fürsprecher gerne mit im Boot hätten?
Grün: Ja, natürlich immer wieder. Mich fragen alle möglichen Gruppen an. Die "Letzte Generation" hat angefragt und alle möglichen Umweltorganisationen. Aber ich merke, auch wenn die Ziele gut sind, kann ich mich nicht von jedem Verein vor den Karren spannen lassen.
Ich muss einfach auf mein Gefühl hören. Meine Aufgabe ist es nicht, politisch tätig zu sein, sondern den Menschen zu helfen, ihr Leben zu bewältigen und die Botschaft so zu verkünden, dass sie davon leben können.
DOMRADIO.DE: Das Tagesevangelium von heute hat es ganz schön in sich. Da fällt zum Beispiel der Satz "Wer glaubt und sich taufen lässt, wird gerettet. Wer aber nicht glaubt, wird verurteilt werden." Vor was werden die, die glauben, denn gerettet?
Grün: Markus schreibt ja dann, dass der Glaube bewirken kann, dass wir nicht vergiftet werden, wenn wir Giftiges trinken; dass die Welt uns mit all den negativen Botschaften und negativen Einflüssen nicht schadet, sondern dass wir eine innere Freiheit haben; dass der Glaube heilsam ist, dass Dämonen ausgetrieben werden und dass falsche Lebensmuster aufgelöst werden, dass wir unserem Wesen gerecht werden können.
DOMRADIO.DE: Es klingt aber gleichzeitig auch ein bisschen durch, dass diejenigen, die heute nicht an Christus glauben können, automatisch verurteilt sind. Steckt das in diesem Text?
Grün: Ja. Die Frage ist, wie wir das verstehen. Wir dürfen uns nicht vorstellen, dass Gott genau unterscheidet, dass derjenige, der getauft ist, wird gerettet und die anderen keine Chance haben. Vielmehr es ist mehr wie eine Warnung, eine Propaganda für den Glauben, dass wir uns vom Glauben berühren lassen, weil das eine positive Wirkung hat.
Und die, die nicht glauben, schließen sich erst einmal selber von diesen Möglichkeiten aus. Aber was im Tod geschieht, das entscheidet Gott und nicht wir.
Die Kirche sagt, wer nach seinem Gewissen lebt, der wird auch im Tod in Gottes liebende Hände hinein sterben. Der wird Gott begegnen, wie er ist.
Wir haben ja immer nur verschiedene Bilder von Gott. Auch die, die vielleicht nicht an Christus glauben, werden Ihn im Tod als den sehen, nachdem sie sich eigentlich gesehnt haben. Karl Rahner spricht vom "anonymen Christen", der dann trotzdem irgendwo Christus begegnet. Dann wird Christus ihnen der Weg zum Vater sein.
DOMRADIO.DE: Was wäre ein Impuls, den man aus diesem Text mitnehmen kann?
Grün: Ein Impuls wäre, dass der Glaube immer eine heilsame Wirkung hat. Und dass wir angesichts der trüben Geister, der Dämonen, die unser Denken trüben, der verschiedenen Meinungen, die wir heute hören und der Unsicherheit, einen festen Halt im Glauben und eine innere Klarheit haben, wie wir unser Leben sehen und deuten können.
Das Interview führte Verena Tröster.
INFO: In dieser Woche gibt Pater Anselm Grün OSB montags bis samstags um 07:45 Uhr im Radioprogramm von DOMRADIO.DE Impulse zum Bibeltext des Tages. Pater Anselm ist Mönch der Benediktinerabtei Münsterschwarzach und seit Jahrzehnten Bestsellerautor von spirituellen Büchern