DOMRADIO.DE: Ihre Hauptaufgabe ist das Schreiben. Aber müssen Sie im Kloster auch mal praktische Tätigkeiten machen? Da sind bestimmt alle Brüder gefragt, oder?
Pater Anselm Grün OSB (Mönch der Benediktinerabtei Münsterschwarzach und Bestseller-Autor): Ja, im Gang muss ich alle fünf Wochen ungefähr putzen.
DOMRADIO.DE: Gibt es auch Brüder, die sich mal vor solchen Aufgaben drücken?
Grün: In jedem Gang gibt es eine Liste, wer dazu bereit ist. Manche sagen, das können sie nicht mehr, weil sie zu alt sind. Und manche sind zwar dran und vergessen es aber. Das gibt es auch.
DOMRADIO.DE: Was macht Ihnen denn besonders Spaß? Gibt es Aufgaben, die Sie besonders gerne machen?
Grün: Ich halte gerade wieder einen Kurs für Führungskräfte. Das mache ich schon sehr gerne, weil ich spüre, dass die Leute sehr offen und dankbar sind. Ich halte viele Einzelgespräche mit ihnen. Dann merke ich, dass die Leute oft keinen haben, mit dem sie wirklich sprechen können. Das tut ihnen einfach gut. Die gehen immer getröstet und aufrechter von mir weg.
DOMRADIO.DE: Gibt es auch etwas, was Sie so gar nicht mögen oder gar nicht können?
Grün: Ich tue mich mit Sitzungen schwer, wo nichts herauskommt, die ewig lange dauern, aber kein richtiges Ziel haben.
DOMRADIO.DE: Sie sind auch auf YouTube, Facebook, Instagram und anderen Kanälen sehr aktiv. Gibt es auch so etwas wie einen Social-Media-Verantwortlichen bei Ihnen?
Grün: Frau Martin ist für die Presse der ganzen Abtei verantwortlich. Instagram macht meine Nichte für mich. Die hat mich darum gebeten. Sie arbeitet in dem Bereich und wollte das unbedingt machen. Es ist erstaunlich, dass es da schon 72.000 Follower sind.
DOMRADIO.DE: Hätten Sie sich eigentlich auch ein Leben in der Welt außerhalb des Klosters vorstellen können?
Grün: Am Anfang im Kloster habe ich immer Angst gehabt, es sei zu eng. Jetzt bin ich aber dankbar, dass ich im Kloster bin. Nur in der Welt wäre es zu unruhig für mich. Es tut mir gut, immer wieder ins Kloster zurückzugehen.
DOMRADIO.DE: Im Tagesevangelium benutzt Jesus zwei konkrete Bilder, um das Reich Gottes zu erklären. Diese Erklärungen oder diese Interpretation der Gleichnisse sind scheinbar nur dem kleinen Kreis seiner Jünger vorbehalten. Warum ist das so?
Grün: Er hat sie den Jüngern erzählt, aber heute sind die Gleichnisse für uns alle da. Die sind ja im Evangelium und das Evangelium betrifft uns alle. Damals zeigte Jesus einfach, dass es auch Aufmerksamkeit und Achtsamkeit braucht, um das zu verstehen. Da sind wir alle gefragt, aber es ist für uns alle ein Gleichnis und beide Gleichnisse sind Hoffnungsgleichnisse.
DOMRADIO.DE: Die Kirchen werden leerer, die jungen Leute interessieren sich nicht mehr so für Religion. Kann man aus Ihrer Sicht die immer kleiner werdende Kirche vielleicht hier auch mit diesem Senfkorn vergleichen? Braucht es vielleicht einfach nur die Kraft des Glaubens, um alle Probleme zu lösen?
Grün: Man kann diese Gleichnisse auf die Kirche hin auslegen. Dann heißt es, wir sollen hoffen. Damals war es auch ein kleiner Beginn und dann ist die Kirche doch gewachsen. Das ist sicher auch ein Hoffnungsbild für die Kirche. Ich deute die Gleichnisse aber lieber als Hoffnungsträger für mich. Der Samen ist ja das Wort Gottes. Das erste Gleichnis heißt: Ich muss nicht ständig überlegen, ob sich in mir was gewandelt hat.
Die Hoffnung ist, dass das Wort mich doch langsam verwandelt, dass ich auch einmal die Frucht bringe. Das Senfkorn ist auch ein Zeichen. Oft habe ich das Gefühl, der Glaube ist so winzig klein oder ich sehe überhaupt nicht, was sich in mir ändert. Und auf einmal werde ich doch ein Baum, an den sich andere anlehnen und wo die Vögel des Himmels ihre Nester bauen und wo Leben und Lebendigkeit sind.
Das ist einfach eine Hoffnung für den Einzelnen, aber natürlich auch für die Kirche, dass die Kirche, auch wenn sie klein wird, trotzdem Frucht bringt und vielleicht auch zum Baum wird, wo Menschen Schutz und Geborgenheit erleben. Ich denke, es zeigt auch die Aufgabe der Kirche, wie ein Baum zu sein. Wir haben unter dem Baum gefeiert und Gemeinschaft erfahren. Das ist ein Bild auch für die Kirche.
DOMRADIO.DE: Das heißt, man merkt es vielleicht gar nicht immer selber, wenn man gerade wächst, sondern wenn der Baum dann da steht und die Frucht erbracht hat. Welchen Impuls kann man daraus mitnehmen?
Grün: Ich kenne viele Menschen, die ein negatives Selbstbild haben und sich denken, sie haben so viel probiert und so viel gebetet oder viele psychologische Sachen gemacht und es ist immer das Gleiche geblieben. Es geht um die Hoffnung, dass sich in der Tiefe etwas wandelt.
Mein Tun ist das Säen oder das Senfkorn in die Erde tun. Aber dann heißt es vertrauen, dass da in mir etwas wächst. Ich kann nicht jeden Tag kontrollieren, was gewachsen ist. Das geht in der Natur auch nicht. Man kann aber mit Geduld und Hoffnung sein Leben leben und spüren, dass es Frucht bringt.
Das Interview führte Elena Hong.
INFO: In dieser Woche gibt Pater Anselm Grün OSB montags bis samstags um 07:45 Uhr im Radioprogramm von DOMRADIO.DE Impulse zum Bibeltext des Tages. Pater Anselm ist Mönch der Benediktinerabtei Münsterschwarzach und seit Jahrzehnten Bestsellerautor von spirituellen Büchern.