Antisemitismus-Beauftragte Staffa mahnt mehr Wissen über Israel an

"Mehr kritische Beobachtung"

In der Kirche gebe es Wissensdefizite über Israel, die laut dem Antisemitismus-Beauftragten der Evangelischen Kirche in Deutschland über ein berechtigtes Maß an kritischer Beobachtung rund um die Situation hinausgehen.

Autor/in:
Franziska Hein
Symbolbild Demonstrant mit israelischer Fahne / © FooTToo (shutterstock)
Symbolbild Demonstrant mit israelischer Fahne / © FooTToo ( shutterstock )

Der Antisemitismus-Beauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Christian Staffa, hat mehr Wissen und Auseinandersetzung mit dem Nahost-Konflikt in den evangelischen Gemeinden angemahnt. Das Beispiel israelfeindlicher und antisemitischer Symbole und Slogans auf einem Weihnachtsmarkt einer evangelischen Gemeinde in Darmstadt sei zwar krass, aber sicher nicht der Normalfall, sagte Staffa dem Evangelischen Pressedienst (epd). 

Christian Staffa / © Christian Ditsch (epd)
Christian Staffa / © Christian Ditsch ( epd )

Dennoch stelle er immer wieder fest, dass es nicht nur an der Kirchenbasis, sondern durchaus auch unter kirchlichen Multiplikatorinnen und Multiplikatoren Wissensdefizite und antiisraelische Affekte gebe, die über das völlig berechtigte Maß an kritischer Beobachtung hinausgehe, sagte Staffa, der an der Evangelischen Akademie in Berlin Referent ist. 

Nicht generalisieren

Erinnerungen an koloniale Vergangenheiten und deren gegenwärtigen Folgen wie auch deren christliche Mittäterschaft seien wichtig für die Entwicklung einer gleichberechtigten, partizipativen Gesellschaft und auch der Kirche. "In unseren Gemeinden gibt es nicht selten bezogen auf Israel das Bedürfnis, hier ein klares Täter-Opfer-Schema draufzulegen: Israel, der koloniale Aggressor, der Besatzer, der Goliath gegenüber den Palästinensern als Opfer", sagte er. "So ehrenwert die prinzipielle Solidarität mit den Opfern ist, so wenig trifft sie hier generalisierend zu."

Es brauche daher mehr Wissen und auch Ambivalenztoleranz. "Denn natürlich ist diese israelische Regierung in Teilen extrem rechts und undemokratisch, aber dieser genozidale Angriff der Hamas und das gesamte kriegerisch feindliche Umfeld im Norden, Nord-Osten, Westen und namentlich dem Iran könnte die so 'klare' David-Goliath-Rollenverteilung empfindlich stören."

Ein langer Weg

Auch der Vorwurf des Kolonialismus treffe nicht auf eine Situation zu, in der es immer jüdisches Leben in Israel und Palästina gegeben habe. "Es ist noch ein langer Weg, bis ohne Affekte über Israel sachbezogen und mit Aushalten von extremen Spannungen gesprochen werden kann", sagte Staffa. Es sei auch protestantische Aufgabe, dies zu fördern und die christliche Signatur in der Israelskepsis bis Israelfeindschaft aufzudecken. 

In Darmstadt hatte eine propalästinenische Gruppe auf einem evangelischen Weihnachtsmarkt israelfeindliche Symbole und Slogans feilgeboten, darunter auch ein Hamas-Symbol, das rote Dreieck, das in Deutschland als verbotenes Kennzeichen eingestuft wird. Die Staatsanwaltschaft ermittelt, es gibt mehrere Anzeigen unter anderem von der jüdischen Gemeinde. Dem Gemeindepfarrer wurde die Ausübung der Amtsgeschäfte untersagt.

Antisemitismus

Antisemitismus nennt man die offen propagierte Abneigung und Feindschaft gegenüber Juden als Volksgruppe oder als Religionsgemeinschaft. Der Begriff wird seit dem 19. Jahrhundert gebraucht, oft als Synonym für eine allgemeine Judenfeindlichkeit. Im Mittelalter wurden Juden für den Kreuzestod Jesu verantwortlich gemacht und als "Gottesmörder" beschuldigt. Während der Kreuzzüge entlud sich die Feindschaft in mörderischen Ausschreitungen, Vertreibungen und Zwangsbekehrungen.

Teilnehmende einer Demonstration zur Solidarität mit Israel / © Michael Kappeler (dpa)
Teilnehmende einer Demonstration zur Solidarität mit Israel / © Michael Kappeler ( dpa )
Quelle:
epd