Immer wieder wird darüber diskutiert, wie politisch der Sport sein darf oder muss. Das war bei der jüngsten Fußball-EM der Fall: Regenbogenfarben auf Armbinde und Stadion sowie rassistische Beleidigungen schwarzer Spieler nach verschossenen Elfmetern im Finale. Und bei den noch bis 8. August dauernden Olympischen Spielen in Tokio wurde die Debatte über Antisemitismus und Rassismus fortgesetzt, durchaus verbunden mit personellen Konsequenzen.
Athleten treten zum Kampf nicht an
So traten zwei Judoka aus Algerien und dem Sudan nicht an, um einem möglichen Kampf gegen einen Israeli aus dem Weg zu gehen. Darüber drückte das Internationale Olympische Komitee (IOC) seine Besorgnis aus. In einem anderen Fall stand das IOC selbst in der Kritik: Vor der Eröffnungsfeier legte es ein Werbevideo auf, in das Ausschnitte des NS-Propagandafilms "Fest der Schönheit" von Leni Riefenstahl ohne historische Einordnung eingearbeitet worden waren.
Kreativdirektor entlassen
Hinzu kommt, dass der Kreativdirektor der Eröffnungsfeier, Kentaro Kobayashi, entlassen wurde, weil er sich vor mehreren Jahren über den Holocaust lustig gemacht hatte. Und dann schickte auch noch der Deutsche Olympische Sportbund Rad-Sportdirektor Patrick Moster nach Hause - er hatte einen deutschen Radfahrer angefeuert, indem er rassistische Worte für die vor ihm fahrenden Kontrahenten wählte.
Die Olympischen Spiele machten deutlich, dass es "schier unmöglich" sei, politische Meinungsäußerungen vom Sport fernzuhalten, teilt das Präsidium des jüdischen Turn- und Sportverbandes Makkabi Deutschland der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) mit. Im Fall der Judoka fragt Makkabi, welche Werte in die Heimat transportiert würden?
Auch stelle sich die Frage, welche Bedeutung "die oft propagierten Olympischen Werte von Freundschaft, Völkerverständigung und Fair Play oder der in der Eröffnungsfeier geleistete Olympische Eid" hätten.
Der Verband fordert: "Es ist höchste Zeit, dass die zuständigen Sportfachverbände und das IOC auf diese wiederkehrenden Vorfälle endlich mit adäquaten Maßnahmen reagieren, statt die mediale Empörung einfach auszusitzen."
Was die Nutzung der Filmausschnitte von Riefenstahl angeht, betont Makkabi, dass ein "konstruktiver und pädagogischer Umgang mit den vorhandenen Zeitdokumenten" eine große Chance biete. Hier müsse das IOC seiner gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden.
Im Fall des entlassenen Kreativdirektors kritisiert das Präsidium: "Offensichtlich ist es immer noch trauriger Teil der Realität, dass Antisemitismus einen festen Platz in der Gesellschaft, im Sport und in der medialen Vermarktung einnimmt und Sanktionen erst nach massivem öffentlichen Druck stattfinden."
Es sei zu hoffen, "dass die Sensibilisierung für gesellschaftliche Themen auf allen Ebenen des Sports voranschreitet und die integrative Kraft und Reichweite des Sports endlich ausgeschöpft wird". Makkabi selbst stehe für Vielfalt und Akzeptanz und setze sich stark für die Wertevermittlung im Sport ein. Der Verband hofft auf faire sportliche Wettkämpfe, "die frei von Vorurteilen, Hass und ideologischen Wert- und Weltvorstellungen gestaltet werden".
Neues Projekt aufgelegt
Makkabi, in dem nicht nur jüdische Sportler Mitglied sind, hat in diesem Jahr ein Projekt aufgelegt, mit dem in Deutschland gegen Antisemitismus im Sport vorgegangen werden soll. Es trägt den Titel "Zusammen1 - Für das, was uns verbindet" und setzt auf Bildung und Aufklärung. Wenn es bereits zu antisemitischen Vorfällen gekommen ist, sollen Betroffene unterstützt werden. Es handelt sich um ein Projekt in Kooperation mit dem Zentralrat der Juden und der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf. In der Stadt sind vom 2. bis 5. September die Makkabi Deutschland Games mit mehr als 500 Sportlern nicht nur aus Deutschland geplant.
Einer repräsentativen Studie zufolge waren 39 Prozent aller bei Makkabi organisierten Sportler bisher mindestens einmal von einem antisemitischen Vorfall im Sport betroffen. 47 Prozent hätten in den vergangenen fünf Jahren einen Anstieg der Zahl solcher Vorfälle wahrgenommen. Insgesamt 51 Prozent der Befragten haben mindestens einmal einen antisemitischen Vorfall gegen andere Makkabi-Mitglieder mitbekommen.