Antisemitismusbeauftragter mit deutlicher Kritik an Aiwanger

"Schaden für Erinnerungskultur"

Bayerns stellvertretender Ministerpräsident Hubert Aiwanger bietet nach Worten des Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung, Felix Klein, ein schlechtes Vorbild für junge Menschen. Es gehe ihm vor allem um Abwehr.

Hubert Aiwanger  / © Peter Kneffel (dpa)
Hubert Aiwanger / © Peter Kneffel ( dpa )

Bemühungen in Schulen und Gedenkstätten, gerade Jüngeren einen kritischen und verantwortungsvollen Umgang mit nationalsozialistischen Verbrechen zu vermitteln, würden durch Aiwangers Verhalten torpediert, sagte Klein den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Freitag). Mit seiner Reaktion auf das antisemitische Flugblatt habe der Chef der Freien Wähler "der Erinnerungskultur in Deutschland geschadet".

Felix Klein, Beauftragter der Bundesregierung für jüdisches Leben und den Kampf gegen Antisemitismus / © Carsten Koall (dpa)
Felix Klein, Beauftragter der Bundesregierung für jüdisches Leben und den Kampf gegen Antisemitismus / © Carsten Koall ( dpa )

Augenscheinlich gehe es Aiwanger "hauptsächlich um die Abwehr des Vorwurfs, als Schüler Judenhass verbreitet zu haben", sagte Klein. Seine Entschuldigung bei den Opfern des NS-Regimes sei "erst nach Tagen auf massiven Druck von außen" erfolgt. Es falle auch auf, dass Aiwanger die Opfer der Schoah und ihre Nachkommen nicht ausdrücklich erwähnt habe.

Kein verantwortungsbewusster Umgang

"Ein verantwortungsbewusster Umgang mit dem Erbe des schlimmsten jemals von Deutschen begangenen Verbrechens wäre die proaktive und vollumfängliche Aufklärung der eigenen Rolle bei der Erstellung und Verteilung dieses judenfeindlichen Pamphlets", sagte Klein. "Das bisherige Vorgehen des Ministers, sich als Opfer einer gegen ihn gerichteten Kampagne zu stilisieren und sich möglichst spät, möglichst wenig und möglichst empathielos zu äußern, dient als schlechtes Vorbild der Politik für junge Menschen in Deutschland."

Aiwanger steht seit einer Recherche der "Süddeutschen Zeitung" in der Kritik. Demnach steht er im Verdacht, während seiner Schulzeit ein antisemitisches Flugblatt verfasst zu haben. Aiwanger bestritt, Autor des Textes zu sein, der damals in seiner Schultasche gefunden wurde. Nach Bekanntwerden der Vorwürfe meldete sich sein Bruder Helmut Aiwanger zu Wort und erklärte, er habe das Flugblatt verfasst. 

Hubert Aiwanger (dpa)
Hubert Aiwanger / ( dpa )

Bei einer Pressekonferenz am Donnerstag erklärte Aiwanger, er "bereue zutiefst", wenn er durch sein Verhalten Gefühle verletzt habe. "Meine aufrichtige Entschuldigung gilt zuvorderst allen Opfern des NS-Regimes, deren Hinterbliebenen und allen Beteiligten an der wertvollen Erinnerungsarbeit", sagte er. Zugleich wies er weitere gegen ihn erhobene Vorwürfe, wie das Zeigen des Hitlergrußes zurück.

"Von langer Hand geplant"

In einem am Donnerstagabend von der "Welt" veröffentlichten Interview, erneuerte der bayerische Vize-Ministerpräsident dann allerdings den Vorwurf einer gegen ihn gerichteten Kampagne. Er sei überzeugt davon, dass die "Süddeutsche Zeitung", "womöglich mit Hilfe anderer Kreise, von langer Hand geplant hatte, mich massiv zu beschädigen und politisch zu vernichten", sagte Aiwanger. In seinen Augen werde die Schoah "zu parteipolitischen Zwecken missbraucht".

Der Antisemitismusbeauftragte des Landes Niedersachsen, Gerhard Wegner, forderte Aiwanger zum Rücktritt auf. "Anstatt sich hinzustellen und sich in angemessener und wirklich glaubwürdiger Weise für diese unsägliche und auch eklige Schrift zu entschuldigen, wird verschleiert, wie es dazu gekommen ist. Das finde ich absolut unbefriedigend", sagte der Theologe dem Evangelischen Pressedienst (epd). Seit Bekanntwerden der Vorwürfe gibt es bundesweit Kritik an Aiwanger. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hatten Aufklärung und Konsequenzen gefordert.

Antisemitismus

Antisemitismus nennt man die offen propagierte Abneigung und Feindschaft gegenüber Juden als Volksgruppe oder als Religionsgemeinschaft. Der Begriff wird seit dem 19. Jahrhundert gebraucht, oft als Synonym für eine allgemeine Judenfeindlichkeit. Im Mittelalter wurden Juden für den Kreuzestod Jesu verantwortlich gemacht und als "Gottesmörder" beschuldigt. Während der Kreuzzüge entlud sich die Feindschaft in mörderischen Ausschreitungen, Vertreibungen und Zwangsbekehrungen.

Teilnehmende einer Demonstration zur Solidarität mit Israel / © Michael Kappeler (dpa)
Teilnehmende einer Demonstration zur Solidarität mit Israel / © Michael Kappeler ( dpa )
Quelle:
epd , KNA