Apothekerin beklagt Apothekensterben auf dem Land

Eine andere Art Seelsorge

In kleineren Orten und vor allem auf dem Land nimmt die Zahl der Apotheken ab. Dabei leisten Apothekerinnen und Apotheker auch eine Art von Seelsorge, in dem sie sich um die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten kümmern.

Symbolbild einer geschlossenen Apotheke / © Wirestock Creators (shutterstock)
Symbolbild einer geschlossenen Apotheke / © Wirestock Creators ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Welche Veränderungen gab es in den letzten Jahren im Apothekenwesen zu spüren?

Irini Zervas (Kreisvertrauensapothekerin für Recklinghausen und Herten): Das Apothekensterben nimmt sehr große Ausmaße an, weil es in dem Bereich sehr schwierig ist, Nachfolger zu finden. Sehr viele Kollegen, die kurz vor der Rente stehen, finden keine Nachfolger, um ihre Apotheken zu verkaufen. Die von der Politik vorgegebenen Leistungs- und Honorarkürzungen und Bürokratie bis zum Ende tragen ihr Übriges dazu bei.

Alte Apotheke / © ds.p.h.o.t.o (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Wie wirkt sich diese Apothekensterben oder der Mangel an Apotheken auf die Patienten in den Städten, aber auch in den ländlichen Regionen aus?

Zervas: Bei älteren oder multimorbiden Patienten besteht irgendwo eine Mangelversorgung, die nicht immer durch den Versandhandel abgepuffert werden kann, auch wenn die Politik das ganz gerne so beschreibt. Wir müssen in den kommenden Jahren schauen, wo wir das Netz noch aufrechterhalten können. Wir brauchen eine gewisse Struktur und eine Anzahl an Apotheken gerade im ländlichen Raum, um auch den wichtigen Notdienst aufrechtzuerhalten.

DOMRADIO.DE: Kann man sich Apothekerinnen oder Apotheker als Seelsorger vorstellen?

Zervas: Wir sind definitiv für kleine und große Sorgen der Patienten da. Einige Bereiche, die das Apothekerdasein ausmachen, wurden in den letzten Jahren ein bisschen zurückgedrängt durch diese von oben auferlegte Bürokratie.

Aber wir haben oft auch dankbare Anrufe. Zum Beispiel wenn die Eltern erkrankt sind und die Kinder weiter weg wohnen. Die bitten um Abholung von Rezepten oder Lieferungen von Artikeln.

Dieses Dankeschön von den Angehörigen ist dann auch eine super Honorierung.

Irini Zervas (Kreisvertrauensapothekerin für Recklinghausen und Herten)

"Es braucht einen Blick für die Bedürfnisse der Bevölkerung und des Gesundheitssystems und keine spontanen Entscheidungen."

DOMRADIO.DE: Was könnte die Politik an Rahmenbedingungen ändern, um zumindest den Schwund an Apotheken ein bisschen einzudämmen?

Zervas: Sicherlich ist das eine Entwicklung, die auf lange Zeit ausgelegt sein muss. Das können wir nicht von heute auf morgen ändern. Aber es braucht auf jeden Fall eine Planungssicherheit.

Wenn man sich zum Beispiel das neue Spargesetz von Minister Lauterbach anschaut, durch das den Apotheken für zwei Jahre Geld gekürzt wird, um die Krankenkassen zu entlasten in Zeiten, wo alles teurer wird, wie kann ich dann einem jungen Kollegen erklären: "Bitte studiere Pharmazie und eröffne eine eigene Apotheke"?

Dadurch gibt es kaum noch Grundlagen, um wirklich länger als ein halbes Jahr planen zu können. Es braucht außerdem eine Honorierung dessen, was wir leisten und einen Blick für die Bedürfnisse der Bevölkerung und des Gesundheitssystems und keine spontanen Entscheidungen.

DOMRADIO.DE: Inwiefern können neue Modelle oder Geschäftsideen dazu beitragen, dass Apotheken weiterhin bestehen?

Zervas: Ich habe mich letztens tatsächlich gefragt, ob es immer neue Modelle sein müssen. Ich mag diesen Spruch: "Früher war alles besser" nicht. Aber es hat früher in einigen Bereichen besser funktioniert.

Blutdruckmessgerät  / © Studio Romantic (shutterstock)

Für beispielsweise ein Rezept für ein Blutdruckmessgerät muss ich heutzutage mehr Formulare und gewisse Medizinproduktebücher ausfüllen und vieles weitere, um dieses Blutdruckmessgerät an den Patienten abzugeben.

Früher habe ich das Rezept gedruckt, es gab einen festen Vertragspreis und ich hatte zehn Minuten, mich mit dem Patienten hinzusetzen, um das Gerät in Ruhe auszuprobieren und zusätzlich auch noch mal drei, vier Sätze mit dem Patienten zu wechseln.

Meine Hoffnung ist, dass wir optimal versorgt sind, das Ganze muss bezahlbar bleiben und wir sollten auch den Menschen und uns selbst dahinter nicht vergessen.

Das Interview führte Oliver Kelch.

Quelle:
DR