Arabische Liga angeblich vor Kompromisslösung - im domradio-Interview: Nahostexperte über Hintergründe des Konflikts

Hoffnung auf Frieden im Libanon

Seit fast zwei Wochen demonstrieren im Libanon Tausende pro-syrische Oppositionelle gegen ihre Regierung. Die Forderung: Ministerpräsident Siniora soll zurücktreten. Das Kabinett des Sunniten besteht nach dem Rücktritt von sechs schiitischen Ministern nur noch aus Syrien-kritischen Ressortchefs. Der Libanon im Ausnahmezustand. Wie konnte es soweit kommen? "Der Libanon ist ein Brennglas der Konflikte des Nahen Ostens", erklärt Christian Hanelt. Lesen und hören hier das domradio-Interview mit dem der Nahostexperten der Bertelsmannstiftung. Außerdem: Die Bemühungen der Arabischen Liga, eine Regierung der "Nationalen Einheit" zu bilden.

 (DR)

domradio: Kann man die Situation im Libanon gerade mit einem Pulverfass vergleichen, so wie Saudi-Arabiens König Abdullah das am Wochenende getan hat?

Christian Hanelt: Die Wahrscheinlichkeit ist schon sehr hoch, dass der Libanon wie der Irak ins Chaos stürzt. Der Libanon ist wie ein Brennglas der zahlreichen Konflikte des Nahen Ostens. Im Libanon zeigt sich der Gegensatz zwischen Iran und Amerika, zwischen Syrien und Amerika, zwischen den schiitischen und sunnitischen Glaubensrichtungen sowie der israelisch-arabische Konflikt.

domradio: Warum gelingt es nicht, die schon Tage andauernden Proteste zu beruhigen?

Christian Hanelt: Die radikalen Kräfte der Region leben von Isolation und Konfrontation. Und eben diese Kräfte haben im Augenblick die Oberhand. Die Gemäßigten dagegen kommen nicht richtig zum Zug. Ein Beispiel: Wenn wir auf die gesamte Region schauen, sind da im Iran die radikalen Kräfte um Präsident Ahmadinedschad. Seine Provokationen verstimmen den Westen immer mehr - und genau das verspannt die Gesamtlage sehr. Auch im Libanon.

domradio: Noch droht dem Land ein Generalstreik - wie gefährlich wäre der in der augenblicklichen Situation?

Christian Hanelt: Der Aufruf zeigt, dass der Libanon in zwei sehr unversöhnlich gegenüber stehende Lager geteilt ist. Auf der einen Seite ist da die streikende Hisbollah mit ihrem Chef Nasrallah und ein Teil des christlichen Lagers. Beiden gegenüber steht Ministerpräsident Siniora, der wiederum von einem anderen Teil des christlichen Lagers unterstützt wird. Man sieht: Die Konfliktlage ist sehr schwierig.  

domradio: Noch wird Siniora von Armee und Politik unterstützt - wie lange noch?

Christian Hanelt: Das lässt sich schwer sagen. Solange die Hisbollah nicht Teil der Armee ist, bleibt das Militär wohl auf Seiten der aktuellen Regierung.

domradio: Würde denn ein Rücktritt Sinioras die Probleme überhaupt lösen?

Christian Hanelt: Die Probleme können eigentlich nur noch gelöst werden, wenn es zu einem von gemäßigten Arabern geführten Dialog zwischen den Konfliktparteien im Libanon kommt.  

Aktuell:
Die arabischen Staaten arbeiten mit Hochdruck an einer Kompromissformel, um die gefährliche Eskalation des Libanon-Konflikts zu stoppen. Nach Angaben aus Diplomatenkreisen haben sowohl die von der Hisbollah angeführte Opposition als auch die Regierungsmehrheit um Ministerpräsident Fuad Siniora diesem Vorschlag der Arabischen Liga generell zugestimmt.

Danach soll die Regierungsmehrheit der Opposition vier zusätzliche Ministerposten überlassen und vorgezogene Parlamentswahlen zulassen. Die pro-syrische Opposition soll im Gegenzug dem internationalen Tribunal für die Aufklärung des Mordes an Ex-Ministerpräsident Rafik Hariri zustimmen, in den syrische Funktionäre verwickelt sein sollen. Außerdem soll die Opposition ihre Straßenproteste beenden und der Neuwahl des Staatspräsidenten zustimmen. Der derzeitige Präsident ÉMile Lahoud hatte seine Amtszeit mit Hilfe Syriens verlängert.