Nicht erst seit die Anzahl der Kirchenaustritte beängstigend zunimmt, wird der Ruf nach Veränderungen in der Kirche immer lauter. Vor fünf Jahren wurde deshalb in der katholischen Kirche in Deutschland ein Reformprozess angestoßen.
Anlass für den sogenannten Synodalen Weg war die tiefe Vertrauenskrise, nachdem das Ausmaß des sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche und das Versagen einiger Bischöfe deutlich wurde, die vor allem den Schutz der Institution und weniger das Leid der Betroffenen im Blick hatten.
Reformplänen und Haltung von Papst Franziskus
Mit Reformplänen und der Haltung von Papst Franziskus dazu befasst sich am 8. Oktober ab 22.45 Uhr die Arte-Dokumentation "Zeitenwende im Vatikan". Sie geht der Frage nach, ob eine solche Zeitenwende in der katholischen Kirche möglich ist.
Der Film veranschaulicht, welche Welten aufeinander prallen, wenn sich vom 2. bis zum 27. Oktober Bischöfe und Laien zur Weltsynode in Rom treffen. Konflikte gibt es vor allem zwischen liberalen und traditionsbewussten, aber auch ultrakonservativen Kräften.
Die liberale Strömung - unter anderem in Deutschland in der Mehrheit - fordert weitreichende Reformen der Strukturen. Die konservativeren Kräfte - unter anderem in den USA und in Afrika sehr stark vertreten - lehnen dies dagegen vehement ab.
Verschiedene Blicke auf komplexes Thema
Religion und der Vatikan seien für ihn bislang „ein relativ unbekanntes Feld“ gewesen, räumt der in Frankreich und Amerika lebende Regisseur Gary Grabli ein. Der Nicht-Katholik hat deshalb mehrere Monate intensiv recherchiert, Fakten gesammelt, Daten angeschaut, Dutzende Bücher gelesen und sich ein Gesamtbild verschafft:
„Meine unstillbare Neugier treibt mich an. Ich möchte immer lernen und erforschen“, sagte Grabli der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).
Seine Doku beleuchtet das Thema aus unterschiedlichen Blickwinkeln. So kommt etwa Schwester Philippa Rath von der Abtei Sankt Hildegard in Rüdesheim-Eibingen zu Wort. Sie ist seit 34 Jahren Ordensfrau und hat mehrere Bücher über den Zugang von Frauen zu kirchlichen Weiheämtern verfasst.
Im Film schildert sie den frühen Beginn ihres Kampfes für mehr Gleichberechtigung in der Kirche: "Für mich war es schon von Anfang an ein Unterschied, dass ich als Mädchen in die Familie hineingeboren bin, und es war selbstverständlich, dass meine Brüder Ministranten werden durften - und wir haben uns halt in die Bänke gesetzt."
Neues Vertrauen als großes Ziel
Ein Ziel von Papst Franziskus ist es, das Vertrauen zwischen der Kirchenleitung und den 1,4 Milliarden Katholiken weltweit neu aufzubauen und dabei auch neue Wege zu gehen. Zu den Kritikern dieses Prozesses gehört Kardinal Gerhard Ludwig Müller.
Er wurde von Papst Benedikt XVI. als Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre zum obersten Glaubenswächter berufen - doch nach etlichen Spannungen mit Papst Franziskus verlängerte dieser Müllers Amtszeit nicht. Der Kardinal äußert sich vor Grablis Kamera, spricht von "sehr autoritären Entscheidungen, gerade auch in personalen, personellen Dingen".
Für den Journalisten wurde bei den Dreharbeiten klar: Veränderung in der katholischen Kirche seien "eine Reise: drei Schritte vorwärts, zwei Schritte zurück".
Von Zugehörigkeit und Verbundenheit
Eine Vielzahl an Fakten werden in dem interessanten 75-minütigen Arte-SWR-Film zusammengetragen, der als Erstsendung im deutsch-französischen Kulturkanal Arte läuft. Wie die Zukunft der katholischen Kirche aussehen wird, bleibt offen - wie soll es auch anders sein.
Deutlich wird: Papst Franziskus ist eher kein Revolutionär, aber er polarisiert. Den einen ist er zu zögerlich, den anderen zu progressiv. Franziskus widersetzt sich den üblichen Mustern. Seine Befürworter sind überzeugt, dass er wirksame Prozesse auf den Weg bringt, damit die katholische Kirche eine Zukunft hat.
"Religion" kommt vom lateinischen "religare" - Menschen verbinden, ihnen das Gefühl geben, Teil einer Gemeinschaft zu sein, von etwas Größerem als sie selbst. "Menschen schätzen diese Vorstellung von Zugehörigkeit", so die Beobachtung von Grabli.
Überall, wo er bei seinen Dreharbeiten mit Katholiken gesprochen habe, habe er das deutlich gespürt. Zumindest das verbinde die ganz konservativen Katholiken mit denen, die mehr Reformen wünschen.