Aufrufe zum Weltflüchtlingstag

Gabriel fordert mehr Einsatz

Zum Weltflüchtlingstag an diesem Dienstag mahnen Politiker, Religionsvertreter und Hilfsorganisationen zu größerer internationaler Anstrengung zur Linderung des Leids von Flüchtlingen. Unter anderem werden Mindeststandards gefordert.

Unbegleitete Flüchtlingskinder in Uganda / © Ben Curtis (dpa)
Unbegleitete Flüchtlingskinder in Uganda / © Ben Curtis ( dpa )

"Gewaltsame Konflikte, Verfolgung und massive Menschenrechtsverletzungen zwingen weltweit immer mehr Menschen zur Flucht", sagt der Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) am Dienstag. Häufig könnten sie jahrelang nicht gefahrlos in ihre Heimat zurückkehren und seien auf verlässlichen internationalen Schutz angewiesen.

Gabriel würdigte das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen UNHCR als "wichtigsten Partnern in der humanitären Hilfe". Im vergangenen Jahr habe das Auswärtige Amt dem UNHCR mit rund 307 Millionen Euro so viel Geld wie nie zuvor zur Verfügung gestellt.

Migrationsbeauftragte: "Brauchen gesamteuropäische Antwort"

Die Bundesregierung forderte bereits am Montag eine gesamteuropäische Antwort auf die Herausforderungen der Flüchtlings- und Migrationspolitik. "Wir brauchen endlich eine stringente, europäische Strategie zur Bekämpfung der Fluchtursachen, die diesen Namen verdient", sagte die Migrationsbeauftragte Aydan Özoguz (SPD).

Der stellvertretende UNO-Flüchtlingshochkommissar, Volker Türk, erklärte im ZDF-Morgenmagazin: "Die internationale Staatengemeinschaft muss den betroffenen Ländern helfen und die Fluchtursachen bekämpfen." Er sprach Deutschland eine Vorreiterrolle im Engagement darin zu und hofft, dass es die Führungsposition auch beim G20-Gipfel übernehme.

Papst trifft Flüchtlinge

Bereits am Montagabend ist Papst Franziskus anlässlich des Weltflüchtlingstags der Vereinten Nationen in Rom mit 30 Flüchtlingen und Asylbewerbern zusammengetroffen. Die Begegnung fand in einem Saal neben der Lateran-Basilika statt. Es handelte sich um Flüchtlinge und Asylsuchende, die in kirchlichen Einrichtungen der italienischen Hauptstadt untergekommen sind. Anschließend eröffnete der Papst in der Lateran-Basilika einen Kongress des Bistums Rom.

Schon am Sonntag hatte der Papst nach dem Angelus-Gebet auf dem Petersplatz aus diesem Anlass erneut zur Überwindung von Vorurteilen gegenüber Flüchtlingen aufgerufen.

Franziskus hatte alle katholischen Gemeinden im September 2015 aufgerufen, eine Flüchtlingsfamilie aufzunehmen. Seither haben nach Angaben des Bistums Rom 38 Pfarreien und kirchliche Einrichtungen insgesamt 121 Flüchtlinge und Asylbewerber aufgenommen.

Bischof Bätzing für Familiennachzug

Der Limburger Bischof Georg Bätzing sprach sich in einer Videobotschaft für Familiennachzug und gegen Abschiebungen in unsichere Länder aus. "Als Bischöfe setzen wir uns dafür ein, dass diejenigen, die aus Kriegsgebieten kommen und Schutz bei uns suchen, ihre Familien nachholen können", sagte Bätzing auf dem Facebook-Auftritt des Bistum Limburg.

Präses Rekowski: "Niemand muss sich Würde verdienen"

Der rheinische Präses Manfred Rekowski hat unterdessen die Verpflichtung von Christen betont, Flüchtlingen zu helfen. "Gott hat alle Menschen nach seinem Bild geschaffen und ihnen so eine unantastbare Würde gegeben", schrieb Rekowski am Dienstag aus Anlass des Weltflüchtlingstags in seinem Blog. "Niemand muss sich diese Würde verdienen. Alle Menschen sind verschieden und doch gleich wertvoll."

"Für uns als Christinnen und Christen ist er eine besondere Verpflichtung, den Flüchtlingen zu helfen, die in unserem Land aufgenommen wurden, und uns für sie einzusetzen", schrieb der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, der auch Vorsitzender der Kammer für Migration und Integration der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist.

Missbrauchsbeauftragter fordert Schutzstandards in Flüchtlingsheimen

Gesetzliche Schutzmaßnahmen gegen sexuelle Übergriffe auf Frauen und Kinder in Flüchtlingsunterkünften fordert der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig. Die Große Koalition solle entsprechende Pläne noch vor der Sommerpause im Bundestag verabschieden, sagte Rörig am Dienstag im WDR5-"Morgenecho" aus Anlass des Weltflüchtlingstags.

Sexuelle Übergriffe und sexuelle Belästigung in Flüchtlingsheimen seien sehr häufig und ein großes Problem, betonte der Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs. Einer Studie des UN-Kinderhilfswerks Unicef zufolge seien zehn Prozent aller Minderjährigen in Unterkünften schon Opfer von Gewalt geworden. Die Politik habe auf das Problem bisher zu zögerlich reagiert.

Ob es in Unterkünften Hilfsangebote für Kinder und Frauen gebe, hänge stark vom Engagement des Trägers ab, sagte Rörig. Als Beispiele nannte er die getrennte Unterbringung von Familien und alleinreisenden Frauen mit Kindern, abschließbare Wohnräume und betreute Spiel- und Freizeitbereiche für Kinder. "Ich möchte nicht, dass es vom Zufall abhängt, ob ein geflüchtetes Kind oder eine geflüchtete Frau in einer Einrichtung lebt, die solche Schutzmaßnahmen gewährleistet", sagte er.

Daher sei es wichtig, dass das Gesetz zur Sicherstellung von Schutzstandards in Flüchtlingsunterkünften noch vor der Sommerpause verabschiedet werde, erklärte Rörig. Der Bundestag kommt letztmals in dieser Wahlperiode am 30. Juni zusammen.

Brot für die Welt fordert legale Einreisewege für Flüchtlinge

Das evangelische Hilfswerk Brot für die Welt fordert vor allem mehr legale Einreisewege für Flüchtlinge in die EU. "Wir brauchen endlich legale Fluchtrouten und geregelte Einreisemöglichkeiten", erklärte am Dienstag die Präsidentin des Hilfswerks, Cornelia Füllkrug-Weitzel. Nur auf diese Weise könne das Sterben beendet und den Schleusern das Geschäftsmodell entzogen werden.

Zudem sagte Füllkrug-Weitzel, es wäre eine "sehr gefährliche Entwicklung", sollte die EU entscheiden, nur noch Flüchtlinge aus Staaten aufzunehmen, die sich "aktiv" an der Bekämpfung von irregulärer Migration beteiligten. "Die geltenden Verfahren des UN-Flüchtlingshilfswerks würden damit praktisch aufgehoben", so Füllkrug-Weitzel.

Zudem forderte Brot für die Welt mehr Hilfe an den EU-Außengrenzen. Die EU schicke zu wenig Hilfe und Rettungsschiffe in die Gefahrenzone. "Zivile Seenotretter geraten durch gezielte Diffamierungskampagnen in Misskredit, statt von Regierungsseite geschützt zu werden", sagte die Präsidentin. Militärische Einsätze gegen Schleuser verbesserten die humanitäre Situation der Geflüchteten nicht.

Am Donnerstag und Freitag treffen sich die EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel. Auf der Agenda steht unter anderem Migration.

Prekäre Lage der syrischen Flüchtlinge in Jordanien

Die Hilfsorganisation Care machte auf die Situation der syrischen Flüchtlinge in Nachbarland Jordanien aufmerksam. 82 Prozent von ihnen lebten unterhalb der Armutsgrenze. Die Studie "Seven Years into Exile" ("Sieben Jahre im Exil") zeige, dass die Abhängigkeit von Hilfsleistungen im siebten Jahr der Syrienkrise wachse. Insgesamt gaben demnach 40 Prozent der befragten Flüchtlinge Hilfsleistungen als ihre einzige Einnahmequelle an - ein Anstieg um 7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Care-Nothilfekoordinator im Nahen Osten, Marten Mylius, sagte: "Mütter und Väter geben alles, um ihre Familien zu ernähren, aber ohne Einkommen geraten die Flüchtlinge immer tiefer in eine Spirale aus Armut und Verschuldung." Syrische Schutzsuchende in Jordanien seien zusätzlich mit sich stark verändernden Geschlechterrollen konfrontiert. "Frauen müssen ihre Familien vermehrt finanziell unterstützen, teilweise auch als alleiniges Familienoberhaupt", so Mylius.

Mindeststandards zum Schutz in Flüchtlingsunterkünften gefordert

Indes verwies "Plan International Deutschland" darauf, dass Flüchtlinge in Deutschland nicht isoliert werden sollten. Deswegen fordere die Organisation, geflüchtete Kinder und Erwachsene an der Überarbeitung bundeseinheitlicher Mindeststandards zum Schutz in Flüchtlingsunterkünften zu beteiligen. "Mitsprache darf kein Luxus sein, es ist ein Recht", sagte Geschäftsführerin Maike Röttger.

"Kinder und Jugendliche wollen eingebunden werden in die Prozesse, die sie betreffen."

Die Flüchtlingszahlen haben 2016 laut Angaben der Vereinten Nationen den bisher höchsten jemals registrierten Stand erreicht. Weltweit waren demnach 65,6 Millionen Menschen auf der Flucht, wie aus einem am Montag vorgestellten Bericht des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) hervorgeht.


Weltflüchtlingstag: Papst Franziskus trifft Flüchtlinge / © Osservatore Romano/Romano Siciliani (KNA)
Weltflüchtlingstag: Papst Franziskus trifft Flüchtlinge / © Osservatore Romano/Romano Siciliani ( KNA )
Quelle:
KNA , epd , DR