Was Marathonstrategien für den Umgang mit Corona lehren können

Ausdauer ist das Zauberwort

Schon im Frühsommer zeigte sich: Corona geht so schnell nicht vorbei. Jetzt, in den grauen Wintermonaten, wird das Leben mit dem Virus zur Belastungsprobe. Gut, dass manche Sportler sich mit dem Durchhalten auskennen.

Autor/in:
Andrea Krogmann
Corona ist mit einem Marathon vergleichbar / © Pavel1964 (shutterstock)
Corona ist mit einem Marathon vergleichbar / © Pavel1964 ( shutterstock )

Der Marathon gilt als Königsdisziplin des Laufsports. Das Training für die Distanz über 42,195 Kilometer erfordert Disziplin, Ausdauer und eine Strategie - über einen langen Zeitraum. Von der Erfahrung "Marathon" lässt sich viel für die Bewältigung des Coronavirus lernen, sagen Athleten, Trainer und Experten. Ob Corona oder Marathon: Hartnäckigkeit ist der Schlüssel zum Erfolg.

"Corona ist ein Marathon"

"Corona ist ein Marathon", sagt Ronni Gamzu. Der Leiter des Tel Aviver Ichilov-Krankenhauses ist ein erfahrener Marathonläufer, und von August bis Mitte November war er Coronavirus-Beauftragter der israelischen Regierung. "Es gibt viele Unbekannte auf dem Weg, gefordert ist ein ständiger Fokus. Lauf nicht zu schnell los, denn es wird eine lange Strecke - und du willst nicht verletzt aus diesem Wettkampf gehen." Belastbar und beharrlich müsse man sein für einen Marathon. Denn ob verspannte Muskeln, Seitenstechen oder ein nervöser Magen: Die "kleinen Beschwerden" entlang der Strecke gelte es handzuhaben und "ohne Angst weiterzumachen", sagt Gamzu.

Weitermachen und den Blick auf das Ziel nicht verlieren, lautet die Devise des früheren Spitzensportlers und heutigen Spitzentrainers Amit Ne'eman. "Ich konzentriere mich auf das, was ich will, mit Disziplin und Einsatz. Ich gebe nicht auf, bevor das Ziel erreicht ist, auch wenn das Leben erschüttert wird." Was für den 63-Jährigen zählt: Dinge ernsthaft tun, in Leistung investieren, sich selbst und die eigenen Ziele respektieren.

Athleten können Vorteile von Pandemie haben

Umgekehrt könnten auch seine Athleten im Marathontraining von den pandemiebedingten Realitäten einen Vorteil haben, sagt Ne'eman. "Ohne Wettkämpfe haben wir eine ungewöhnlich lange Zeit für Aufbautraining. Wir können Durchhaltevermögen und Ausdauer trainieren und so das beste aus der Situation machen, um davon zu profitieren, wenn die Zeit kommt."

Ne'emans talentierteste Marathon-Läuferin ist die 31-jährige israelische Olympia-Hoffnung Beatie Deutsch. "Jede Herausforderung ist ein Geschenk an mich, das Beste aus mir herauszuholen. Corona ist lediglich eine weitere Herausforderung und damit Gelegenheit, gestärkt daraus hervorzugehen", sagt die fünffache Mutter.

Der Umgang mit der Krise falle ihr als Spitzensportlerin leichter, fügt sie hinzu: "Es gibt immer den Punkt, an dem wir nicht mehr weiterwollen. Dann kommt der Kopf ins Spiel. Wir können das Narrativ ändern, auf andere Dinge fokussieren, uns Mantras zu eigen machen oder diesen Punkt ausdrücklich annehmen. Das üben wir in unserem täglichen Training."

Corona mit einem Marathon vergleichbar

Zu den Experten, die das israelische Corona-Kabinett beraten, gehört der Physik-Professor an der Hebräischen Universität Jerusalem, Yinon Aschkenasi. Privat hat der Forscher in den vergangenen zwanzig Jahren zwanzig Marathons und Ultramarathons absolviert. "Wer stoppt, wird bestraft", sagt er. Die "Gnadenlosigkeit des Systems" mache das Virus mit der Sportdisziplin vergleichbar: "Weder im Marathontraining noch im Kampf gegen Covid-19 gibt es eine Möglichkeit, etwas auszugleichen, das man vor zwei Wochen getan oder unterlassen hat. Beide sind nachtragend, und das macht es für die Menschen so schwierig: Sie sind Unmittelbarkeit gewohnt, nicht Langzeit."

Die lange Inkubationszeit mache Corona so besonders unter den Plagen, sagt Aschkenasi. Zweiwöchige Intensivmaßnahmen nützten nicht viel zur Bewältigung, stattdessen brauche es einen nachhaltigen und tragfähigen Plan: "Erst nach langem Training zahlt sich die harte Arbeit aus", so der Experte. Entscheidend sei hierfür die Gemütsverfassung. Oder, übertragen auf Corona: "Es braucht die Bereitschaft, über einen langen Zeitraum das gleiche Maß an Schutzaktivitäten aufrechtzuerhalten."

Müdigkeit spielt entscheidende Rolle

Hier kommt ein weiterer Faktor ins Spiel, der eine entscheidende Rolle für den Erfolg oder Misserfolg auf der Laufstrecke spielt: die Müdigkeit. "Gegen Ende eines Marathons wartet vielleicht der 'Mann mit dem Hammer'", beschreibt Aschkenasi ein bekanntes Phänomen im Langstreckenlauf. Plötzlich bricht die Leistung ein, und der Sportler läuft 'vor die Wand'. Hierauf muss er vorbereitet sein. "Er kann nicht weitermachen wie bisher, sondern muss andere Dinge aktivieren." Wenn im Fall von Corona ein Plan nachhaltig und wirksam scheine, könne man dennoch nicht einfach "immer dasselbe" weitermachen, sondern müsse konstant Anpassungen vornehmen und auf die Realität reagieren.

Wenn Dinge am Ende doch mal nicht so laufen, wie sie sie sich vorgestellt hat, behält die strengreligiöse Jüdin Deutsch trotzdem ihren Optimismus. "Alles im Leben geschieht nach einem Plan Gottes. Auch wenn es schwer ist, konstant besser zu werden, gibt es also keinen Grund für allzu große Sorgen!"


Quelle:
KNA