Die katholische Kirche in Deutschland setzt ihren 2019 begonnenen Synodalen Weg fort. Eine Aufforderung aus dem Vatikan, ihn zeitweise auszusetzen, wiesen Bischöfe und Laienvertreter in den vergangenen beiden Wochen vehement zurück.
Einfließen sollen der deutsche Weg und seine Themen sehr wohl in den weltweiten synodalen Prozess, den der Papst ausgerufen hat. Wie kann das geschehen? Und: Sind die in Deutschland diskutierten Themen auch Anliegen von Katholiken jenseits des Äquators und Atlantiks?
Dass "the Germans", "i tedeschi", "los Allemands", "Niemcy" keine radikalen Sonderthemen verhandelten, wie internationale Rückmeldungen aus der ersten Phase der Weltsynode zeigten, merkten nicht nur deutsche Beobachter an. Nur: Wie denkt "die Weltkirche" über die beim Synodalen Weg behandelten Themen: Macht und Gewaltenteilung, Frauen in der Kirche, priesterliche Existenz sowie kirchliche Sexuallehre?
Was wären Schnittmengen und Unterschiede?
Das Terrain für mögliche Antworten sondieren möchte eine Studie des "Instituts für Weltkirche und Mission" (IWM) an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt/Main. Anfang Dezember legte es Ergebnisse zu einer ersten quantitativen Phase vor. Nach den Themen der deutschen Reformdebatte befragt wurden 599 Personen aus 67 Ländern. Sie sollten jeweils drei Aussagen zu den vier Themenfeldern mit Noten von 1 bis 5 (keine bis große Zustimmung) belegen.
Zielgruppe waren Stipendiaten und Alumni des "Katholischen Akademischen Ausländer-Diensts (KAAD)", des Albertus Magnus-Programms (AMP) sowie des Stipendienwerks Lateinamerika-Deutschland e.V. (ICALA). Entstanden war die Idee beim KAAD, sagte Markus Luber, kommissarischer Direktor des IWM der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Der KAAD und sein Institut, beide seit Jahren im weltkirchlichen Kontext aktiv, hätten dann nach einem Geldgeber für das Projekt gesucht. Die Deutsche Bischofskonferenz wollte das wohl machen.
Ein wesentliches Ergebnis dieser ersten quantitativen Befragung lautet: Einstellungen zu und Erfahrungen mit den beim Synodalen Weg verhandelten Themen sind mitunter sehr verschieden. Am stärksten unterscheiden sie sich anhand der Region, in der jemand lebt: in Osteuropa, Asien, Nahost, Afrika oder in Lateinamerika.
Unter den gut 83 Prozent befragten Laien, elf Prozent Ordensmitgliedern und drei Prozent Priestern spielen Alter, Geschlecht, Lebensform oder Konfession (Zugehörigkeit zu einer mit dem Papst unierten Kirche) nur in einzelnen spezifischen Aspekten eine Rolle: Die Sexuallehre spielt für jüngere Menschen eine größere Rolle. Frauen beurteilen ihre eigene Lage in der Kirche weniger gut, als Männer es tun, auch sehen sie mehr Reformbedarf für mehr weibliche Beteiligung.
Andere Kontinente - andere Sichtweisen
Dass Katholiken in Afrika einer geänderten kirchlichen Lehre zu Homosexualität deutlich skeptischer gegenüberstehen als Europäer, dürfte kaum überraschen. Nicht ganz so erwartbar vielleicht die Erkenntnis, dass lateinamerikanische Katholiken besonders offen sind für das Thema Frauen in der Kirche, offen auch für Reformen. Im Gegensatz dazu zeigten Befragte aus Osteuropa eine geringere Zustimmung und Einschätzung der Relevanz dieses Themas.
Beim Thema Macht und Gewaltenteilung in der Kirche und dem Verhältnis Laien-Priester ist es für mehr Befragte wichtig, dass der gemeinsame Einsatz von Laien und Klerikern bei der Verkündigung der Botschaft hilft. Die Machtfrage, "dass Laien in der Kirche mehr Einflussmöglichkeiten bekommen und die Macht besser verteilt wird", scheint hingegen für weniger relevant zu sein.
Auch deutsche Katholiken uneinig
Die Ergebnisse der quantitativen Online-Befragung sind nicht repräsentativ, wie die Macher einräumen. Aber jene, die antworteten, sind Menschen, die mit ihrer eigenen Kultur vertraut sind, sie reflektieren können und zugleich den Hintergrund der deutschen Debatte kennen. Also weniger in der Gefahr stehen, den Synodalen Weg zu missverstehen.
Zudem sind auch deutsche Katholiken nicht in allem eines Sinnes, wenn es um den Synodalen Weg geht. Da zeige sich in den Bistümern "eine gewisse Ambivalenz", hieß es in dem Bericht, den die DBK im August nach Rom schickte: "Einige sind so enttäuscht, dass sie von einer neu beschworenen Synodalität nichts mehr erwarten. Andere lehnen diese ab und wollen, dass alles beim Alten bleibt."
Ausgehend von den quantitativen Ergebnissen der IWM-Studie werden laut Projektkoordinatorin Catalina Cerda-Planas derzeit bis Ende des Jahres per Videoschalte regionale Fokusgruppen qualitativ befragt.
Pro Region gebe es zwei achtköpfige Gruppen zu je vier bis elf Personen; in Nahost seien wegen geringer Teilnehmerzahl nur Einzelinterviews möglich, so Cerda-Planas.
Dabei könnten sich regelrechte Gruppendiskussionen ergeben, hofft Luber. Eine wichtige Frage dabei: Worauf gründen sich die bisher sichtbaren Unterschiede? Warum etwa wird einerseits der bisherige Zölibat von etlichen zwar kritisch gesehen, andererseits sind trotzdem viele dagegen, Priestern die Ehelosigkeit freizustellen?
In der ersten Runde mit den Fokusgruppen, so Cerda-Planas, wurden die Teilnehmer nach ihrer Meinung zu den Umfrageergebnissen der ersten Studienphase gefragt. Dabei ging es "vor allem um die vier Hauptthemen des Synodalen Weges". In einer zweiten Runde hätten die Gruppen die Ergebnisse der erste Runde besprochen. Zudem wurden "andere wichtige Themen für jede Region vertieft".
Erklärtes Ziel der Studie ist es: "Stimmen aus unterschiedlichen weltkirchlichen Kontexten" für den Diskurs des Synodalen Weges in Deutschland sichtbar zu machen "und die Argumentation mit 'der Weltkirche' auf eine empirische Grundlage zu stellen." Damit lassen sich etwa Rückmeldungen ergänzen aus der ersten Phase der Weltsynode.
Ergebnisse nach Rom geschickt
Dabei hatten mehr als 100 der insgesamt 114 nationalen Bischofskonferenzen weltweit - sowie Ordensgemeinschaften, Privatpersonen und Vatikanbehörden - ihre Ergebnisse ans Synodensekretariat in Rom geschickt. Mit einem Online-Projekt erreichte das Sekretariat rund 20 Millionen Personen und erhielt rund 150.000 Rückmeldungen (0,75 %) für den Fortgang der Synode. Auch darin zeigte sich schon: Die Themen des Synodalen Wegs sind zwar nicht auf Deutschland beschränkt, werden aber vielfach anders gewichtet und bewertet.
Darüber ist sich auch das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) im klaren, so dessen Präsidentin Irme Stetter-Karp bei der Herbstvollversammlung in Berlin. Zugleich versicherte sie: "Wir suchen keinen separaten Weg". Vielmehr will der Laien-Dachverband verstärkt international mit möglichen Verbündeten ins Gespräch kommen.
Als nächste Möglichkeit nimmt Deutschlands höchste repräsentative Laien-Vertretung dafür das europäische Vorbereitungstreffen auf die Weltsynode in den Blick, das im kommenden Februar in Prag stattfindet. Dort wolle das ZdK deutlich machen, dass der deutsche Synodale Weg und die Weltsynode "eng zusammengehören und nicht gegeneinander ausgespielt werden dürfen", betonte Vizepräsident Thomas Söding.
Für dieses Anliegen kann das IWM-Projekt wichtige Impulse liefern. Dessen sämtliche Ergebnisse sollen Ende März bei einer Online-Tagung in Frankfurt vorgestellt werden.