"Wenn es ein Gesetz geben sollte, das Priestern vorschreibt, das Beichtgeheimnis zu brechen, dann bin ich einer von denen, die diesem Gesetz nicht gehorchen werden", schrieb schon 2016 der Jesuit und Rechtsanwalt Frank Brennan in "Eureka Street", einer Publikation der australischen Jesuiten.
Inzwischen ist es soweit: Solche Gesetze gibt es schon im Stadtstaat Canberra und einigen anderen Bundesstaaten. Die Politik beruft sich auf eine Empfehlung im Abschlussbericht der staatlichen Missbrauchskommission, den das Gremium im Dezember 2017 vorgelegt hatte.
Staatliches Recht gegen Kirchenrecht
Ausnahmslos alle Personen, die von sexuellem Missbrauch erfahren, sollen demnach verpflichtet werden, dies bei der Polizei anzuzeigen, lautet die Empfehlung. "Diese Empfehlung schließt Informationen ein, die in religiösen Beichten gegeben wurden", heißt es ausdrücklich in dem Bericht mit der Begründung: "Die Kommission hat Berichte über Fälle im religiösen Rahmen gehört, in denen Täter, die den sexuellen Missbrauch von Kindern gebeichtet haben, Vergebung suchten und es dann wieder getan haben." Jetzt steht staatliches Recht gegen Kirchenrecht: Denn eine Verletzung des Beichtgeheimnisses hat für Priester automatisch die Exkommunikation zur Folge.
Bischöfe und Politiker sind sich einig, dass Kinder geschützt werden müssen, sexueller Missbrauch nicht vertuscht, sondern bei der Polizei angezeigt werden muss. Doch das Beichtgeheimnis darf aus Sicht der Kirchenführer nicht von dieser Pflicht aufgehoben werden.
Bedrohung der Religionsfreiheit
Christopher Prowse, Erzbischof von Canberra-Goulburn, sieht in dem gesetzlichen Zwang zum Bruch des Beichtgeheimnisses eine "Bedrohung der Religionsfreiheit". Zum Schutz von Kindern trage die Maßnahme nicht bei. "Bedauerlicherweise wird das Brechen des Beichtgeheimnisses keinen Missbrauch verhindern und es hilft uns bei unseren anhaltenden Bemühungen zur Verbesserung der Sicherheit von Kindern in katholischen Institutionen nicht weiter", schrieb Prowse in einem vielbeachteten Beitrag für die "Canberra Times".
Charlie Pickering spricht hingegen vielen Australiern aus dem Herzen, die die Weigerung der Kirche, das Beichtsakrament in Missbrauchsfällen aufzugeben, empört. Die Kirche, donnerte der prominente Moderator des Satiremagazins "The Weekly" in der Sendung vom 20. Juni, schütze "die Täter im Namen Gottes".
Als Horrorbeispiel für den Täterschutz in Gottes Namen führt der Moderator den Fall des katholischen Priesters Michael McArdle an, der nach eigener Aussage im Laufe von 25 Jahren gegenüber 30 Priestern insgesamt 1.500 Missbrauchstaten gebeichtet hat. "Ihm wurde 1.500 Mal vergeben. Man sagte ihm lediglich, er solle heimgehen und beten."
Täter beichten Missbrauch meist nicht
Der Soziologe Stephen de Weger forscht an der Juristischen Fakultät der Technischen Universität von Queensland über sexuelles Fehlverhalten von Priestern. Für den Wissenschaftler ist die Debatte über das Beichtgeheimnis eher ein Nebenschauplatz. "Das ist kein großes Problem, weil die meisten derjenigen, die Kinder sexuell missbrauchen, ihr Verhalten beziehungsweise ihre Sünde nicht beichten", erklärte de Weger der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).
Der Experte will aber nicht ausschließen, dass es Fälle gibt, in denen pädophile Priester ihre Taten gegenseitig beichten und sich lossprechen. "Die Bischöfe und die Kirche müssen immer wieder klar und deutlich sagen, dass diese Form der 'Beichte' nicht von Sünden freispricht", so de Weger. Priester, denen diese Form der Vergebung versperrt werde, müssten dann nach katholischer Überzeugung mit der Furcht vor Verdammnis leben.
Frank Brennan wies schon 2016 einen Ausweg aus dem Dilemma Missbrauch und Beichtgeheimnis: "Wenn ein Pädophiler mir sagen würde, er oder sie habe sich an einem Kind vergriffen, würde ich als Teil der Buße fordern, dass diese Person sich selbst bei der Polizei anzeigt und sich in Therapie begibt. Lehnt er das ab, würde ich die Absolution verweigern", sagt Brennan, fügt jedoch hinzu: "Aber ich würde nicht das Beichtgeheimnis brechen."