Australischer Synodenbischof würdigt deutsche Rolle in der Weltkirche

"Mut und großer Respekt"

Kaum jemand kennt die synodalen Reformen der Kirche so gut wie der australische Bischof Shane Mackinley aus dem Bistum Sandhurst. Bei den synodalen Prozessen der letzten Jahre hat Deutschland für ihn eine wichtige Rolle gespielt.

Shane Mackinley, Bischof von Sandhurst / © Renardo Schlegelmilch (DR)
Shane Mackinley, Bischof von Sandhurst / © Renardo Schlegelmilch ( DR )

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DOMRADIO.DE: Sie haben einen einmaligen Blick auf die synodalen Reformprojekte der Kirche. Sie waren Vizepräsident des Australischen Plenarkonzils, haben bei der Weltsynode in Rom das Abschlussdokument mit ausgearbeitet und Sie waren offizieller Beobachter beim Synodalen Weg in Deutschland. Wenn Sie diese drei Dimensionen der Synodalität betrachten, wo gibt es Überschneidungen und Reibungspunkte?

Bischof Shane Mackinley (Bischof von Sandhurst in Australien): Spannungen und Reibungen gibt es und wird es immer geben. Wir kommen aus so unterschiedlichen kulturellen Hintergründen. Das gehört auch zur Grundidee der Synodalität: Diese Spannungen konstruktiv und respektvoll nutzen, um gemeinsam nach vorne zu kommen.

Ich fühle mich sehr privilegiert, dass ich diese drei sehr unterschiedlichen Ansätze kennenlernen durfte. Jeder davon war ein Schritt auf diesem gemeinsamen Weg, den wir als Kirche gehen. Ein Weg des Lernens. Synodalität ist dabei ja eigentlich nichts Neues. Das Wort ist neu, aber der Ansatz gehört zur Grundidee der Kirche.

Da wir als Christen alle Kinder Gottes sind, können wir diesen Weg auch nur gemeinsam beschreiten. Jeder von uns trägt seinen eigenen und wertvollen Teil dazu bei. Als Gemeinschaft müssen wir nun lernen, aus dieser großen Bandbreite einen Nutzen zu ziehen. 

Wenn wir uns die verschiedenen synodalen Prozesse anschauen, dann wird das mehr als deutlich. Einerseits im Unterschied der Ansätze – zwischen Deutschland und Australien zum Beispiel – aber auch in den unterschiedlichen Ansichten. 

Es ist nicht überraschend, dass die Herausforderungen und Probleme viele Überschneidungen aufweisen. Das sehen wir vor allem in den kontinentalen Phasen der Synode. Das hat hier in Australien zum Beispiel viele Christen auf ihrem Reformweg bestärkt, zu sehen, wie ähnlich die Herausforderungen überall aussehen. 

Was sich allerdings unterscheidet, ist der Weg, auf dem die unterschiedlichen Kirchen zu dieser Erkenntnis gelangt sind. Bei der Weltsynode in Rom saßen wir alle an großen, runden Tischen und haben so unterschiedliche Lebenswelten kennengelernt. Das war ein großes Geschenk. Da es nur fünf offizielle Sprachen gab, kamen an den einzelnen Tischen sehr unterschiedliche Lebenswelten ans Licht. Wir hatten Zeit und Muße, das nicht nur wahrzunehmen, sondern auch zu fragen: Wie können eure Erfahrungen auf unserem gemeinsamen Weg als Weltkirche einen Beitrag leisten? Gemeinsam haben wir dann versucht diesen Weg zu finden. 

Blick in die Audienzhalle bei den Beratungen während der Weltsynode im Vatikan. / © Vatican Media/Romano Siciliani (KNA)
Blick in die Audienzhalle bei den Beratungen während der Weltsynode im Vatikan. / © Vatican Media/Romano Siciliani ( (Link ist extern)KNA )

Dabei ist mir auch klar geworden: Dieser Weg hat keinen Endpunkt. Das ist eine konstante Weiterentwicklung der Kirche, die uns sehr lange begleiten wird. Das heißt auf der anderen Seite aber auch, dass wir keinen Punkt haben, an dem wir Bilanz ziehen können und final von Erfolg oder Misserfolg sprechen. Es geht darum, wie wir nach vorne gehen und diesen Weg gemeinsam definieren. Darin liegt eine inhärente Würde und Weisheit, die alle Aspekte des kirchlichen Lebens betrifft. Es geht also nicht um die Frage: Wie funktioniert Synode? Es geht darum, alles, was wir tun, unter dem Blickwinkel der Synodalität zu betrachten. 

DOMRADIO.DE: Was denken die Katholiken in Australien darüber? Ist die Botschaft in den Kirchenbänken angekommen?

Shane Mackinley

"Es gibt eine gewisse Aufbruchstimmung."

Mackinley: Es gibt eine gewisse Aufbruchstimmung, dass die Ideen, die wir bei unserem Plenarkonzil ausgearbeitet haben, nun auf internationaler Ebene diskutiert und umgesetzt werden. Es gibt aber ehrlicherweise auch ein wenig Ermüdung von den ganzen Diskussionen und Gremien, die wir nun schon seit einigen Jahren auf allen Ebenen abhalten. Man kann schlecht immer wieder die gleichen Fragen stellen, ohne die Leute ein wenig zu frustrieren. "Das haben wir doch schon x Mal gesagt." 

Man kann sagen es gibt einen Hunger nach Reformen, und Respekt dafür, dass dieser Prozess nun ins Rollen kommt. Das merkt man sowohl in den Diözesen als auch in den Gemeinden. 

Bendigo im australischen Bistum Sandhurst / © Renardo Schlegelmilch (DR)
Bendigo im australischen Bistum Sandhurst / © Renardo Schlegelmilch ( DR )

DOMRADIO.DE: Aus dem deutschen Blickwinkel klingt das viel zu theoretisch und unkonkret. Wenn Sie den Ansatz des Synodalen Weges in Deutschland betrachten: Sind wir mit unserem, sehr detailorientierten, technischen und effizienten Prozess in die richtige Richtung gegangen? 

Mackinley: Ich hoffe ja, dass auch der Rest der Weltkirche in gewissem Sinne technisch und effizient sein kann. Meine Erfahrungen in der deutschen Kirche waren sehr ermutigend und inspirierend. Mit großer Integrität und Ernsthaftigkeit hat man sich dort auf den Synodalen Weg gemacht. Das habe ich sowohl aus Beobachter in Frankfurt gemerkt, aber auch im Kontakt mit den deutschen Vertretern bei der Weltsynode. 

Beim deutschen Prozess war von Anfang an klar, dass man Fragen und Probleme identifiziert hat, deren Beantwortung für die Zukunft der Kirche unumgänglich waren und sind. Das musste auf einer nationalen Ebene passieren. Dass die Kirche in Deutschland diesen Weg ohne zu zögern angegangen ist, hat viel Mut gebraucht und großen Respekt verdient. 

Einige Themenbereiche wurden dabei besser angegangen als andere. Wieder andere blieben bis jetzt unvollendet und werden sicher im Nachgang der Weltsynode aufgegriffen. Die Themen passen da ja sehr gut rein.

Fünfte Synodalversammlung in Frankfurt / © Maximilian von Lachner (SW)

Sehr beeindruckt hat mich am Synodalen Weg die Vorbereitungsarbeit in den Foren. Dort wurde auf sehr synodale Art und Weise gearbeitet. Dort sind auch wichtige Erkenntnisse und Dokumente zu Stande gekommen. Die sollten nicht unter den Tisch fallen, ich spreche da vor allem über die Grundsatztexte. Die sind eine sehr bereichernde Quelle für die Theologie der kommenden Jahre und Jahrzehnte, weil sie sehr umfassend und im Detail die Grundlagen für die Reformansätze der Kirche liefern. 

Zum Ende der Weltsynode hat der Papst zehn Arbeitsgruppen eingesetzt, die genau diese Themenbereiche bearbeiten und da sehr gut auf die Erkenntnisse aus Deutschland verweisen können. 

Es geht also um beide Dimensionen: Was müssen wir verändern und wie müssen wir diesen Prozess angehen. Das "Was" war in Deutschland unumgänglich, gerade nach den Erkenntnissen des Missbrauchsskandals. Gott sei Dank hat sich die Kirche in Deutschland dieser Aufgabe mit großem Mut gestellt. Der ganze Prozess hat dazu beigetragen, dass wir als Weltkirche verstehen, wie Synodalität am besten angegangen werden kann.

DOMRADIO.DE: Dabei gab es in den vergangenen Jahren einige Spannungen zwischen Rom und der Deutschen Bischofskonferenz, was die Umsetzung dieser Ziele angeht. An Sie als Beobachter von außen die Frage: Denken Sie, dass die beiden Seiten da zusammenkommen? Sie sagen ja, dass die deutschen Erkenntnisse auch weltkirchlich relevant sind.

Shane Mackinley

"Da ist sehr viel Miteinander und Verständnis auf beiden Seiten gewachsen, gerade bei den zwei Sitzungsperioden der Weltsynode in Rom."

Mackinley: Eigentlich sind sie ja schon an dem Punkt angekommen. Da ist sehr viel Miteinander und Verständnis auf beiden Seiten gewachsen, gerade bei den zwei Sitzungsperioden der Weltsynode in Rom. Man versteht inzwischen ganz gut gegenseitig, was die Interessen, Befürchtungen und Zielsetzungen der beiden Prozesse sind. Es gibt große Dankbarkeit und Respekt auf beiden Seiten.

Mein Eindruck, ohne an den Gesprächen teilgenommen zu haben, ist, dass man da inzwischen sehr konkret und konstruktiv zusammenarbeitet. 

Erst kürzlich hat der Papst einen Prozess für die nächsten vier Jahre abgesegnet, wo es genau darum geht, die gewonnen Erkenntnisse der Synode systematisch und konkret umzusetzen. Das sind alles Themen, die beim Synodalen Weg eine große Relevanz hatten. Diese Umsetzung passiert auf lokaler Ebene, hat aber natürlich auch weltkirchliche Implikationen. Ich bin sehr gespannt, welche Beiträge da aus Deutschland kommen werden. Schon bei der Synode in Rom waren die Beiträge aus Deutschland für uns alle eine große Bereicherung.

Bendigo im australischen Bistum Sandhurst / © Renardo Schlegelmilch (DR)
Bendigo im australischen Bistum Sandhurst / © Renardo Schlegelmilch ( DR )

DOMRADIO.DE: Worauf hoffen Sie in den nächsten vier Jahren? Wird nun umgesetzt, woran die synodalen Prozesse weltweit im letzten Jahrzehnt gearbeitet haben?

Mackinley: Da gibt es vieles, das kann ich nicht auf einen einzelnen Punkt reduzieren. Schon jetzt sehe ich in den Bistümern und Gemeinden hier in Australien die unterschiedlichsten Ansätze, Synodalität in der Praxis umzusetzen. Dazu braucht es vor allem ein ehrliches Interesse, das umzusetzen, was der Papst mit dem Begriff Synodalität eigentlich meint.

Auf internationaler Ebene sieht das ein wenig formaler aus, dafür müssen Gespräche auf den unterschiedlichsten Ebenen stattfinden. Die Studiengruppen, die der Papst im Rahmen der Synode eingerichtet hat, sind da ein guter und wichtiger Schritt, wenn es um die konkreten Fragen und Problemstellungen geht. Schon jetzt sehen wir als Konsequenz erste Änderungen im Kirchenrecht. Der vorläufige Bericht, den die päpstliche Kommission veröffentlicht hat, spricht da Dutzende von Punkten an. Ich gehe davon aus, dass das noch mehr werden, wenn die Prozesse fortschreiten.

Bendigo im australischen Bistum Sandhurst / © Renardo Schlegelmilch (DR)
Bendigo im australischen Bistum Sandhurst / © Renardo Schlegelmilch ( DR )

Sie sehen, es geht um die vielen kleinen Details und nicht um den einen großen Reformruck, den einige vielleicht erwarten. Eines dieser Details, das keine großen Schlagzeilen macht, aber von enormer Bedeutung ist, ist die Frage nach einer Rechenschaftspflicht für Bischöfe. Das ist der einzige Weg, nicht nur bei Versprechungen und Intentionen zu bleiben, sondern das konkret nachzuhalten und auch öffentlich zu machen. So können wir auch gegenseitig von den Prozessen in anderen Diözesen auf der Welt lernen. 

Viele Veränderungen sehe ich bereits jetzt, aber genauso sehe ich eine große Ungeduld nach weiteren Reformschritten. Ich denke, da sind wir aber auf einem vielversprechenden Weg für die kommenden Jahre.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.

Quelle:
DR

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