DOMRADIO.DE: Insgesamt haben Sie 21 Porträts namenloser Frauen gemeinsam mit ihren Kolleginnen zusammengestellt. Wie sind Sie zu dieser Aufgabe gekommen?
Barbara Janz-Spaeth (Autorin von "Zeigt euch! 21 Portraits namenloser Frauen in der Bibel"): In unserer Gesellschaft werden immer nur die Ersten, die Besten und die Vordersten erwähnt und ich beschäftige mich schon lange mit der Frage: "Was ist eigentlich mit den Zweiten?"
Die Zweiten braucht es, damit die Ersten die Ersten sein können. Das war der Auslöser, mal in der Bibel nach Frauen in der zweiten Reihe zu schauen. Daraus ergab sich dann, dass wir nach namenlosen Frauen in der Bibel geschaut haben.
DOMRADIO.DE: Ein Gruppe von namenlosen Frauen in der Bibel sind die Mägde des Boas. Wer ist denn Boas?
Janz-Spaeth: Boas ist der Israelit, der die Rut geheiratet hat. Es ist eine Textstelle aus dem Buch Rut. Rut kommt mit ihrer Schwiegermutter Noomi aus Moab zurück nach Bethlehem und liest auf den Feldern des Boas Ähren, damit sie sich und ihre Schwiegermutter ernähren kann.
Im Lauf der Erzählung heiratet dann Boas die Rut und sorgt damit für die Fortsetzung des Stammbaums mit der fremden Moabiterin.
DOMRADIO.DE: Was macht denn diese beschriebenen Frauen aus, die neben Rut und ihrer Schwiegermutter auftauchen?
Janz-Spaeth: Die beschriebenen Frauen macht aus, dass sie namenlos bleiben, dass sie vielleicht ebenfalls Fremde waren. Ich habe eine Erzählung in dem Buch geschaffen, wo sich die Mägde auf den Feldern, die im Auftrag des Boas mit Rut Ähren lesen, unterhalten. Sie diskutieren, ob es rechtens wäre, dass diese Fremde aus dem verhassten Stamm Moab überhaupt mit in ihrem Zuhause leben darf.
DOMRADIO.DE: Wie haben sie es denn geschafft, sich in der Fremde zu behaupten und die Feindschaft und den Hass zu überwinden?
Janz-Spaeth: Die Erzählung ist Jahrhunderte später entstanden. Die Frauen haben im Dialog überlegt, ob dieses Gesetz, dass mit dem Moabitern kein Freundschaftsvertrag zustande kommen darf, noch mindestens so gültig ist wie das Gesetz, dass Fremde im Volk Israel beherbergt werden dürfen.
Offensichtlich hat sich durchgesetzt, dass die Fremden ein Zuhause bekommen sollen. Die Moabiter selber haben ja schon die Israeliten als Kornkammer Israels aufgenommen, ihnen Nahrung gegeben. In der Geschichte ist es umgekehrt und Israel hat ein altes Gesetz überwunden, weil es eine andere Situation war.
DOMRADIO.DE: "Ein Stück Schalom mitten unter uns", nennen Sie diese Geschichte. Warum?
Janz-Spaeth: Weil ich Frieden schaffen kann, wenn ich meine Vorurteile und jahrhundertealte Traditionen hinter mir lasse. Wenn ich füreinander sorge, wenn ich andere vor Gewalt und Hunger bewahre und wenn wir versuchen, miteinander zu leben, uns zu akzeptieren und aus der Situation für alle das Beste zu machen: Das ist für mich Friede.
Das Interview führte Dagmar Peters.