Autorin lobt Gesprächsbereitschaft der Glaubens-WG

Konflikte und Gemeinsamkeiten

Glaubenskriege und -Morde haben eine lange Geschichte. Ist eine religiöse Koexistenz deshalb utopisch? Die Serie "Against All Gods. Die Glaubens-WG" probiert es aus. Autorin Katharina Reinartz erklärt, warum das Experiment gelingt.

Autor/in:
Elena Hong
Für die Against all Gods-Serie leben ein Muslim, eine Katholikin, eine Hinduistin, ein Jude, ein Buddhist und eine Atheistin zusammen unter einem Dach. / © ZDF und Finnegan Koichi Godenschweger
Für die Against all Gods-Serie leben ein Muslim, eine Katholikin, eine Hinduistin, ein Jude, ein Buddhist und eine Atheistin zusammen unter einem Dach. / © ZDF und Finnegan Koichi Godenschweger

DOMRADIO.DE: Für die Serie leben ein Muslim, eine Katholikin, eine Hinduistin, ein Jude, ein Buddhist und eine Atheistin zusammen für eine Woche unter einem Dach. Wie kamen Sie auf die Idee, eine Serie über eine Glaubens-WG zu machen? 

 Katharina Reinartz (vorne rechts) beim Set der Serie "Against all Gods. Die Glaubens-WG" / © ZDF und Finnegan Koichi Godenschweger
Katharina Reinartz (vorne rechts) beim Set der Serie "Against all Gods. Die Glaubens-WG" / © ZDF und Finnegan Koichi Godenschweger

Katharina Reinartz (Producerin bei "Zoo Productions" und Autorin der TV-Serie "Against all Gods"): Wir sind eine Produktionsfirma, und ein Schwerpunkt unserer Arbeit ist das Entwickeln immer neuer Formate. Mein Chef Thomas Elstner legte über Jahre hinweg eine Idee immer wieder auf den Tisch.

Er sprach von "Big Brother" mit Religionen, letztendlich ist es was ganz anderes geworden. Aber die Überzeugung war, dass das ein geniales Sozialexperiment wäre, was eine andere Tiefe, Dichte und vor allen Dingen auch eine andere gesellschaftliche Relevanz hat.

Wir haben das damals getestet. Wir haben an einem Abend, in einem sehr schönen Restaurant Menschen mit unterschiedlichen religiösen Hintergründen an einen Tisch eingeladen und einfach geschaut, was passiert. Das war wirklich ein Abend, von dem wir nicht wollten, dass er endet. Es war beeindruckend, es war lustig, es war interessant. Wir sind mit neuen Impulsen rausgegangen und nach dem Abend war uns klar: Das wollen wir machen. 

DOMRADIO.DE: In der Serie leben die sechs eine Woche lang zusammen und bekommen unterschiedliche Themen, über die sie sich austauschen müssen oder können. Da sind natürlich Diskussionen vorprogrammiert, zum Beispiel, wenn es um die Ehe für alle geht. Die Katholikin sagt, sie hat zwar nichts gegen queere Menschen, aber ihre Kirche sieht nur eine Ehe zwischen Mann und Frau vor. Die Atheistin ist eine Transfrau und sagt sofort, das ist Diskriminierung. Haben Sie es auf solche Konflikte angelegt? 

Katharina Reinartz

"Wir wollten natürlich in den Konflikt gehen, aber wir wollten nicht, dass alle sich die Köpfe einschlagen."

Reinartz: Wir waren uns ganz sicher, dass dieses Sozialexperiment gelingen würde und das hat es letztendlich aus unserer Sicht auch. Wir wollten natürlich in den Konflikt gehen, aber wir wollten nicht, dass alle sich die Köpfe einschlagen. 

Wir wollten, dass die Protagonist*innen ins Gespräch gehen. Natürlich wird das auch mal schwierig. Denn es gibt diese Themen, die auf den ersten Blick vielleicht mehr trennen als einen. Aber ich glaube, was wir über die gemeinsame Woche in dieser WG gezeigt haben, ist, dass man sich - trotz unterschiedlicher Meinung - an einen Tisch setzen und das Ausdiskutieren kann. Und am Ende verlässt man den Tisch und hat sich immer noch gern. 

Es zeigt auch, dass es irgendwie mehr gibt, was einen eint, als die Dinge, die einen trennen. Das war total schön zu sehen. Aber ja, es gab Streit und den sollte es auch geben, den durfte es geben. Es war ganz viel Platz für unterschiedliche Meinungen. 

DOMRADIO.DE: Es sind hauptsächlich junge Protagonist*innen. Nach welchen Kriterien haben Sie die Personen, die jeweils ihre Religion vertreten, gecastet? War es zum Beispiel wichtig, dass sie besonders religiös sind? 

Reinartz: Ja, das war wichtig. Uns war auch ein gewisses Alter wichtig. Sie sollten alle ungefähr im selben Alter sein. Unsere Protagonistinnen und Protagonisten sind alle Anfang 20 bis Anfang 30. Casting ist ein schwieriges Wort, finde ich. Wir haben nicht im eigentlichen Sinne gecastet, aber wir haben uns über Monate Zeit genommen, um mit ganz vielen unterschiedlichen Menschen zu sprechen und unser "Perfect Match" zu bekommen. 

Wir wollten, dass es Menschen sind, die ganz fest in ihrem Glauben stehen, sehr überzeugt sind von ihrem Glauben, aber dass man trotzdem den Eindruck und die Überzeugung bekommt, das sind trotzdem Menschen, die im Jahr 2024 leben. Es ist nicht schwarz und weiß, es gibt ganz viel Grau. 

Katharina Reinartz

"Diese Menschen nehmen nicht für sich in Anspruch, meines ist die absolute Wahrheit, sondern sie sind fest verankert im Glauben, aber trotzdem gesprächsbereit."

Für die Against all Gods-Serie leben ein Muslim, eine Katholikin, eine Hinduistin, ein Jude, ein Buddhist und eine Atheistin zusammen unter einem Dach. / © ZDF und Finnegan Koichi Godenschweger
Für die Against all Gods-Serie leben ein Muslim, eine Katholikin, eine Hinduistin, ein Jude, ein Buddhist und eine Atheistin zusammen unter einem Dach. / © ZDF und Finnegan Koichi Godenschweger

Menschen, die vielleicht auch innere Widersprüche fühlen. Man fühlt sich zwar sehr fest im Glauben verankert, aber trotzdem - wie beispielsweise bei der Katholikin - macht sie sich Gedanken über das Thema queere Community, Ehe für alle. Diese Menschen nehmen nicht für sich in Anspruch, meines ist die absolute Wahrheit, sondern sie sind fest verankert im Glauben, aber trotzdem gesprächsbereit. Das war uns das Wichtigste.

DOMRADIO.DE: Auch der Nahostkonflikt war mehrfach Thema und sorgte für Spannungen, unter anderem zwischen dem Muslim Omar und dem Juden Lars. Omar hat einmal sogar den Raum verlassen. Das Experiment hätte auch schiefgehen können, wenn zum Beispiel eine Person ausgezogen wäre.

Reinartz: Genau! Wir wussten, dass das Thema Nahostkonflikt ein Thema ist, dass auch dieses Jahr und in diesem Land viele bewegt hat und immer noch bewegt. Das musste in unser Format. Das gehört dazu, wenn man über Religion diskutiert, die Entscheidung war sehr bewusst getroffen worden, dass dieses Gespräch über den Nahostkonflikt geführt wird. 

Wir hatten den Grünen-Politiker Jürgen Trittin zu Gast, um in dieses Thema einzusteigen. Es war auch eine sehr bewusste Entscheidung, es in die letzte Folge zu legen und damit einen Zustand herzustellen, wo die Teilnehmer*innen sich schon sehr gut kennen und eine gewisse Vertrauensbasis aufgebaut haben. Das wäre an Tag eins oder zwei undenkbar gewesen. Da hätte man so ein Thema nicht angehen können. 

DOMRADIO.DE: Ganz am Anfang sagt die Atheistin, eine Welt ohne Religion wäre eine bessere. Es gäbe zum Beispiel weniger Kriege, weniger Unterdrückung. Würden Sie im Nachhinein der Atheistin zustimmen?

Reinartz: Nein, überhaupt nicht! Maria Popov ist auch eine Gästin unseres Formats, sie kommt in Folge vier um die Themen Liebe, Sex und Partnerschaft mit den Protagonist*innen zu diskutieren. Sie sagt am Ende der Folge, ihr Fazit ist, einen Glauben zu haben ist etwas Wunderschönes. Das sehe ich auch so. 

Katharina Reinartz

"Ich bewundere Menschen, die ganz fest im Glauben stehen, weil ich glaube, dass es viel Hoffnung und Zuversicht gibt."

Ich habe selbst keinen Glauben. Ich würde mich auch als Atheistin begreifen, aber ich denke trotzdem, dass Vielfalt in unserer Gesellschaft etwas Wunderschönes ist. Ich bewundere Menschen, die ganz fest im Glauben stehen, weil ich glaube, dass es viel Hoffnung und Zuversicht gibt. Ich finde das sehr schön, dass wir alle etwas anderes glauben können.

Das Interview führte Elena Hong. 

Quelle:
DR