Politiker und Religionsvertreter diskutieren über Demokratie

Interreligiöser Dialog in explosiven Zeiten

Spannende Runde in München: Bei einer Konferenz zum Thema "Wie viel Religion braucht die Demokratie?" ging es am Dienstagabend kritisch und deutlich zu. Klagen und Konstruktives gab's ebenso zu hören wie "dummes Zeug".

Autor/in:
Christoph Renzikowski
Joachim Herrmann (CSU), Innenminister von Bayern, nimmt an einer Solidaritätskundgebung teil / © Sven Hoppe (dpa)
Joachim Herrmann (CSU), Innenminister von Bayern, nimmt an einer Solidaritätskundgebung teil / © Sven Hoppe ( dpa )

Der interreligiöse Dialog sei ihm ein "persönliches Herzensanliegen", sagt Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU), und man darf ihm das erst mal abnehmen. Mit der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung hat der katholische Politiker an diesem Dienstagabend mehrere hundert Gäste aus Politik, Gesellschaft, Kirchen, Islam und Judentum eingeladen.

Es ist eine geschlossene Veranstaltung und schon am Eingang des Konferenzzentrums der Stiftung in der Münchner Lazarettstraße zeigt sich der Ernst der Lage: Ein Sicherheitsdienst durchsucht die Taschen, jeder muss sich mit einem Metalldetektor abtasten lassen.

Starkes Gefühl der Unsicherheit

Das Miteinander von Gläubigen und Ungläubigen hierzulande ist schwieriger geworden und dringlicher zugleich. Attacken häufen sich, und wenn ein islamistischer Hintergrund auch nur vermutet wird, fühlen sich Muslime in Generalhaftung genommen. 

Nicht nur Juden, auch Muslime dächten inzwischen ernsthaft über Auswanderung nach, sagt der Penzberger Imam Benjamin Idriz. "Sehr viele gut integrierte Leute, darunter erfolgreiche Unternehmer." Er sei jetzt seit fast 30 Jahren in Deutschland und habe noch nie ein so starkes Gefühl der Unsicherheit erlebt.

Attacken in München

In München stellt sich die Lage besonders angespannt dar, nicht nur wegen des Anschlags vergangenen Donnerstag auf das NS-Dokumentationszentrum und das israelische Generalkonsulat. Vor einem Monat stach ein Mann mit einem Messer mehrere Passanten in München-Pasing nieder. Als mögliches Motiv nannte die Polizei: Hass auf Muslime. Nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel vergangenen Herbst kam ein interreligiöses Friedensgebet nicht zustande.

Eine Gruppe um den Salzburger Religionswissenschaftler Martin Rötting plant seit Jahren ein Haus der Kulturen und Religionen in der bayerischen Landeshauptstadt. Sieben Religionen seien inzwischen beteiligt, sagt er, auch Buddhisten und Hindus. "Berlin ist uns Meilen voraus, Abu Dhabi hat uns überholt." 

Dabei wäre ein solcher Symbol-Ort für München genauso wichtig. "Wenn man Unterschiede verstehen lernt, verlieren sie ihre explosive Kraft." Indes: Das Projekt sucht immer noch nach einer Bleibe.

Klage über "antimuslimischen Rassismus"

Herrmanns Konferenz, das wird schnell klar, ist nicht der Ort, harte Kontroversen auszutragen, etwa über den von der CSU-Spitze forcierten Vorstoß zur Abschaffung des Grundrechts auf Asyl, wie ihn Parteichef Markus Söder in einem "Spiegel"-Interview gerade noch einmal untermauert hat. 

Als eine junge Muslima in der Debatte, emotional spürbar angefasst, dem Minister auf dem Podium vorhält, nicht nur die AfD, auch die CSU schüre "antimuslimischen Rassismus", wird sie abgebürstet. Das sei "dummes Zeug", sagt der.

Herrmann entschuldigt sich andererseits schon in seiner Begrüßung für ein unlängst "ungeplant veröffentlichtes" Präventionsvideo aus seinem Haus. Es sollte über Anwerbeversuche militanter Salafisten aufklären. Die Bildsprache des Clips habe den Eindruck erweckt, das Projekt richte sich gegen die Muslime insgesamt, räumte der Minister ein. "Das war nicht klug." Daher habe er das Ganze sofort gestoppt.

Der CSU-Mann möchte den Blick an diesem Abend aber lieber auf das lenken, was schon funktioniert, nicht ohne zu verschweigen, dass manches schneller und damit besser laufen könnte. Der Islamunterricht zum Beispiel, der in seiner Heimatstadt Erlangen als Modell für ganz Bayern entwickelt wurde. Das Fach hat im Wortsinn Schule gemacht, aber der landesweite Unterrichtsbedarf kann noch bei weitem nicht gedeckt werden.

"Positiv mit Unterschieden umgehen"

Eine junge Islam-Lehrerin sagt, an ihrer Schule sei der interreligiöse Dialog breit verankert, auch die Kollegen aus dem Fach Ethik machten mit. "Kinder müssen anfangen, positiv mit Unterschieden umzugehen." Das sei auch ein Beitrag zur Demokratiebildung. Ein muslimisches CSU-Mitglied sagt, es wäre doch schön, wenn es mal wieder im Landtag einen Empfang für Mitglieder seiner Religionsgemeinschaft gäbe. Der letzte sei bald schon wieder zehn Jahre her. Mal sehen, ob Herrmann für seine nächste Einladung weniger lange braucht.

Interreligiöser Dialog

Der interreligiöse Dialog ist der katholischen Kirche ein wichtiges Anliegen. Sie versteht darunter alle positiven Beziehungen mit Personen und Gemeinschaften anderen Glaubens, um sich gegenseitig zu verstehen und einander zu bereichern. Im Dialog geben die Gläubigen Zeugnis von der Wahrheit ihres Glaubens im Respekt vor der religiösen Überzeugung des Anderen. So gehören Dialog und Verkündigung zusammen.

Der interreligiöse Dialog wird auf unterschiedlichen Ebenen vollzogen:

Symbolbild: Interreligiöser Dialog / © godongphoto (shutterstock)
Symbolbild: Interreligiöser Dialog / © godongphoto ( shutterstock )
Quelle:
DR