An diesem Morgen sind die Plätze in der Bahnhofsmission am Gleis 5 des Magdeburger Hauptbahnhofs gut gefüllt. Am Tresen gibt es Brötchen und andere Backwaren zum Frühstück, im Raum ist es angenehm warm.
Viele kommen hierher, weil ihnen das Geld nicht zum Leben reicht. Manche sind obdachlos, sie können hier duschen oder ihre Wäsche waschen. Doch um 12 Uhr mittags ist Schluss: Dann schließt die Bahnhofsmission ihre Türen, sie macht erst nachmittags wieder für ein paar Stunden auf.
Denn der Einrichtung, die von den kirchlichen Sozialverbänden Caritas und Diakonie getragen wird, fehlen die ehrenamtlichen Helfer. "Unser Ziel ist eigentlich, täglich von 8 bis 18 Uhr zu öffnen", sagt Leiter Florian Sosnowski.
Doch dafür fehle das Personal. Rund 35 Ehrenamtliche seien es mal gewesen, jetzt sei die Zahl auf unter 30 gesunken - darunter auch viele "Karteileichen» oder Menschen, die alle paar Monate mal aushelfen. «Wir sind etwa acht Leute, die jede Woche den Laden aufrechterhalten", sagt Sosnowski.
Sosnowski: "Viele achten jetzt mehr auf sich selbst"
Über die Gründe kann er nur spekulieren. "Wir leben in unsicheren Zeiten. Viele achten jetzt mehr auf sich selbst", meint der Caritas-Mitarbeiter. Dabei kämen täglich schon in der ersten Stunde nach Öffnung rund 30 Gäste zum Frühstücken, im Laufe des Tages würden es noch mehr. Margret Peplau ist eine der ehrenamtlichen Helferinnen.
"Ich gebe Essen und Kleidung aus, kaufe ein, hole manchmal Lebensmittelspenden ab oder kümmere mich um den Bahnsteigdienst, wenn Menschen auf Reisen Hilfe brauchen", berichtet die Rentnerin von ihrer Arbeit. Inzwischen kennt sie viele der regelmäßigen Besucher: "Ich komme mit allen gut aus, bin unter Leuten. Hier trifft sich die Welt." Dass die Arbeit auf immer weniger Schultern lastet, ist auch ihr bewusst. "Man braucht Leute, die ständig da sind", meint Peplau. Dabei sei die Arbeit eine Bereicherung. "Das gibt einem etwas", ist sie überzeugt.
Auch andernorts ist es schwierig, Helfer zu finden
Auch andernorts ist es schwierig, Helfer zu finden. Benita Lanfermann leitet seit einigen Jahren die Bahnhofsmission am Hauptbahnhof in Dessau. Seit gut anderthalb Jahren ist hier nur noch stundenweise geöffnet: Wochentags von 8 bis 14 Uhr, am Wochenende stehen die Gäste vor verschlossenen Türen. Eine Ehrenamtliche sei noch übrig, erzählt die Leiterin - die komme einmal in der Woche. Ansonsten werde der Betrieb von drei hauptamtlichen Mitarbeitern des Diakonischen Werkes Dessau gestemmt.
"Es läuft ins Leere, neue Mitarbeiter zu gewinnen", meint Benita Lanfermann. "Das liegt an der Zeit, die die Leute nicht mehr haben", ist sie überzeugt: "Immer weniger sind bereit, bestimmte Arbeiten zu machen." Auch in den Kirchengemeinden habe man schon um Nachwuchs geworben - ebenfalls ohne Erfolg. Dabei bedeute der christliche Glaube doch gerade, Barmherzigkeit und Nächstenliebe zu leben, sagt Lanfermann.
Auch Corona Ursache für dünne Personaldecke?
Die eingeschränkten Öffnungszeiten seien auch eine Folge der Corona-Pandemie, sagt Christian Bakemeier vom Verein Bahnhofsmission Deutschland e.V. in Berlin. Viele ältere Freiwillige hätten zu den Risikogruppen gehört und seien zu Hause geblieben. "Ein Teil ist in diesem Zug aus dem Dienst ausgeschieden, was bis heute mancherorts zu einer dünnen Personaldecke führt", berichtet Bakemeier. Zudem sei die Arbeit oft auf Kontinuität und Langfristigkeit angelegt, was nicht für jeden infrage komme.
Doch es gibt auch Lichtblicke: Die Bahnhofsmission am Hauptbahnhof in Halle musste ihre Öffnungszeiten bisher nicht reduzieren, sagt Leiterin Heike Müller. Rund 20 Ehrenamtliche seien hier tätig. "Es könnten ein paar mehr sein, aber wir können die Dienste besetzen", betont Müller.
Und das ist offenbar auch notwendig: Laut Müller suchen immer mehr Menschen Hilfe, bei denen das Geld nicht reiche. Und die Probleme der Menschen würden komplexer. Sie beobachte mehr Alkohol- und Drogenkonsum, auch die zunehmende Migration mache sich bemerkbar. "Im Moment haben wir sehr viel Zulauf an Gästen", sagt die Leiterin der Bahnhofsmission.