In den vergangenen Tagen wurden bereits Stellungnahmen von Verbänden eingeholt, auch aus den Reihen der katholischen Kirche. Das Katholische Büro und das Zentralkomitee der Katholiken (ZdK) gaben dabei unterschiedliche Einschätzungen ab.
Ampel-Koalition will Transsexuellengesetz abschaffen
Und auch der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) meldete sich zu Wort – mit einem sehr weitgehenden Vorstoß, der im Netz auch viel Kritik hervorrief.
Mit der Reform will die Ampel-Koalition das rund 40 Jahre alte Transsexuellengesetz abschaffen. Auch nach diesem Gesetz ist es bereits möglich, den Eintrag des eigenen Geschlechts ändern zu lassen.
Betroffene beschreiben dies allerdings als kompliziert und belastend: So müssen Menschen, die den Eintrag ändern wollen, zwei psychiatrische Gutachten einholen und dabei sehr intime Fragen beantworten.
Geschlechtsidentität im Pass soll frei wählbar sein können
Ein Gericht entscheidet dann über die Änderung. Das Bundesverfassungsgericht hatte Teile dieser Praxis als verfassungswidrig eingestuft.
Künftig soll jede volljährige Person die Geschlechtsidentität im Pass frei wählen können und selbst zwischen den Einträgen "männlich", "weiblich", "divers" oder "ohne Angabe" entscheiden.
Dabei soll es keine Rolle spielen, ob diese Entscheidung auf einer empfundenen Zugehörigkeit zum anderen Geschlecht (Transsexualität), auf biologisch uneindeutigen Geschlechtsmerkmalen (Intersexualität) oder auf einem fehlenden Zugehörigkeitsgefühl zu beiden Geschlechtern (nichtbinäre Sexualität) beruht.
Minderjährige sollen noch auf Eltern-Zustimmung angewiesen sein
Bei der Reform geht es nicht um geschlechtsanpassende Operationen.
Für Minderjährige soll es gesonderte Regelungen geben: Junge Menschen, die noch nicht volljährig sind, aber das 14. Lebensjahr vollendet haben, können die Erklärung laut Entwurf selbst abgeben, brauchen aber die Zustimmung ihrer Eltern.
Bei jungen Menschen unter 14 Jahren können nur die Eltern oder andere gesetzliche Vertreter die Erklärungen zur Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen einreichen. Das derzeitige Transsexuellengesetz sieht Änderungen nur für Volljährige vor.
Katholisches Büro begrüßt Reform grundsätzlich
Das Katholische Büro, die Verbindungsstelle zur Politik in Berlin, hat sich dabei nicht nur mit den Bischöfen abgestimmt, sondern auch mit Verbänden wie dem Caritasverband, dem Sozialdienst katholischer Frauen SkF und dem Familienbund der Katholiken.
In der Stellungnahme wird die Reform grundsätzlich begrüßt: "Transgeschlechtliche Menschen müssen (...) stärker unterstützt und begleitet werden. Wir wollen uns daran beteiligen (...)", heißt es dort unter anderem.
In diesem Zusammenhang wird auch auf die Reform des kirchlichen Arbeitsrechts im vergangenen Jahr verwiesen, wonach "Vielfalt in kirchlichen Einrichtungen eine Bereicherung ist".
Selbsterklärung könnte zu medizinische Anpassungen motivieren
Das Katholische Büro und die am Statement beteiligten Verbände sehen in der Reform jedoch auch Risiken: Eine Selbsterklärung könne die Motivation verstärken, auch medizinische Anpassungen vorzunehmen.
Sie finden deshalb gesonderte Bestimmungen für Minderjährige sinnvoll, fordern einen Ausbau von Beratungsstellen und bringen sogar die Einführung eines Beratungsanspruchs ins Spiel.
Zudem plädieren sie dafür, die Wirksamkeit der Erklärung zumindest bei unter 14-Jährigen von drei auf sechs Monate zu verlängern. Der Entwurf sieht vor, dass die Änderung des Geschlechtseintrags drei Monate nach der Erklärung wirksam wird.
Reform hat auch Auswirkungen auf Kirchenbuch-Eintragungen
Interessant am Rande: Die Reform hat auch Auswirkungen auf die Kirchenbücher. Da es für die Änderungen des Geschlechtseintrags in diesen Büchern keine Extra-Spalte gibt, schlagen das Katholische Büro und die Verbände vor, dass in der Spalte "Bemerkungen" eine entsprechende Notiz ergänzt werden soll.
Dem widerspricht das ZdK: Das höchste repräsentative Gremium des deutschen Laien-Katholizismus drängt auf eine vollständige Änderung der Dokumente.
In anderen Teilen seiner Stellungnahme geht es sogar über den vom Bundesjustizministerium vorgelegten Referentenentwurf hinaus, wenn das ZdK die Streichung eines Paragrafen fordert, wonach Männer ihren Geschlechtseintrag nicht ändern dürfen, wenn dies offenkundig in Zusammenhang mit einer drohenden Einberufung für einen Verteidigungsfall steht.
ZdK will Wegfall der Drei-Monats-Frist bis Wirksamwerden der Änderung
Vor allem aber will das ZdK Minderjährigen weitergehende Rechte verschaffen: So soll vor einer Entscheidung durch die Eltern auch eine Anhörung von Kindern unter 14 Jahren vor dem Standesamt oder Familiengericht "zwingend vorgesehen" sein.
Zudem hält das Katholikenkomitee die Drei-Monats-Frist bis zum Wirksamwerden der Änderung für überflüssig. Durch die Wartefrist werde suggeriert, die "betroffenen Personen hätten möglicherweise unreflektiert und übereilt entschieden", begründet es diese Kritik.
Noch einen Schritt weiter geht der BDKJ. Der Dachverband zahlreicher katholischer Jugendorganisationen hält "Nachbesserungen" beim Geschlechtseintrag Minderjähriger für "dringend geboten".
BDKJ fordert Personenstandseintragsänderung ohne Zustimmung der Eltern
Alle ab 14 Jahren sollten ihren Personenstandseintrag auch unabhängig von der Zustimmung der Eltern ändern können, so der Verband.
Die vorgesehene Einschränkung widerspreche dem Recht der betroffenen Personen auf Selbstbestimmung, die sowohl die Verfassung als auch die UN-Kinderrechtskonvention vorsähen.
Weiter kritisiert er das ältere Jugendliche eine Zustimmung ihrer Eltern brauchen, sofern sie noch nicht volljährig sind. Der Verband plädiert zudem für eine Streichung des sogenannten Hausrechts.
Buschmanns Hausrecht-Regelung laut BDKJ transfeindlich
Laut Gesetzentwurf soll es danach weiterhin möglich sein, etwa in einer Sauna, einem Fitnessstudio oder einem Frauenhaus im Einzelfall einer Person den Zugang zu verwehren, um dem "Bedürfnis nach Schutz der Intimsphäre oder der persönlichen Sicherheit" anderer Menschen zu entsprechen.
Auf diese Regelung hatte vor allem Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) gedrängt. Dies aber offenbart aus Sicht des BDKJ "eine transfeindliche und diskriminierende Haltung" und trage massiv zur Verunsicherung und zur Verschärfung von Ängsten junger Menschen bei.
Auch der Jugendverband will wie das ZdK eine Änderung in kirchlichen Dokumenten. Insgesamt sei in dem Gesetzentwurf Diskriminierung und Transfeindlichkeit "nicht ausreichend abgebaut".
Auch reformfreudige Kreise sehen Vorstoß des Verbands kritisch
Dass die sehr weitgehende Haltung des BDKJ nicht nur in konservativen katholischen Kreisen auf deutlichen Widerspruch stößt, verwundert nicht. Nach entsprechenden Tweets des Verbands gab es tausende Reaktionen.
Auch aus durchaus reformfreudigen Kreisen ist da schon mal die Warnung zu hören, der Verband könne mit derart weitgehenden Forderungen selbst bei eigentlich wohlgesonnenen Bischöfen und anderen Kirchenvertretern den Bogen überspannen und damit dem eigentlichen Anliegen einen Bärendienst erweisen.
Buschmann selbst kündigte bereits an, an dem Entwurf entscheidende Bestandteile wie das Hausrecht nicht mehr zu ändern.