Das Gesetz, das unter anderem einen Rechtsanspruch auf Schwangerschaftsabbrüche festschreibt, wurde vom Parlament mit 185 Ja- und 154 Nein-Stimmen ohne Enthaltung gebilligt, wie die Zeitung "El Pais" berichtet. Das sogenannte Trans-Gesetz nahmen die Abgeordneten mit 191 Ja-Stimmen, 60 Nein-Stimmen und 91 Enthaltungen an.
Bürokratische Formalität
Mit dem Trans-Gesetz ist die Änderung der Geschlechtsidentität in Spanien nur noch eine bürokratische Formalität, die mit einem einzigen Gang zum Amt vollzogen werden kann. Selbst 16-Jährige können ohne Einwilligung ihrer Eltern die Änderung im Personalausweis vornehmen lassen. 14- bis 15-Jährige brauchen dazu noch die Genehmigung der Eltern, während 12- bis 13-Jährige zusätzlich eine richterliche Erlaubnis haben müssen.
Das neue Abtreibungsgesetz gibt ebenfalls Minderjährigen ab 16 Jahren die Möglichkeit, ohne Erlaubnis der Erziehungsberechtigten einen Schwangerschaftsabbruch vorzunehmen. Zudem sollen Abtreibungen demnächst an staatlichen Krankenhäusern garantiert und kostenlos sein. Eine medizinische oder psychologische Betreuung ist nicht mehr vorgeschrieben. Demgegenüber war bis dato eine dreitägige Überlegungsphase obligatorisch. Für Ärzte, die sich aus Gewissensgründen der Mitwirkung an Schwangerschaftsabbrüchen entsagen, wird ein Register erstellt.
Debatten und Meinungsverschiedenheit
Die europaweit sehr progressiven Gesetzesreformen führten selbst innerhalb der links-sozialistischen Regierungskoalition zu vehement geführten Debatten und Meinungsverschiedenheit. Dennoch konnte sich Spaniens Gleichstellungsministerin Irene Montero größtenteils mit ihren Forderungen durchsetzen. Doch die Reformen, die vielen zu weitreichend sind, spalten selbst die feministischen Gruppierungen im Land.
Spaniens katholische Kirche gegen die Reformen
Auch Spaniens katholische Kirche sprach sich strikt gegen die Reformen aus. Es könne nicht angehen, dass Minderjährige mit 16 Jahren noch nicht wählen dürfen, wohl aber abtreiben und ihr Geschlecht ändern dürfen, erklärte Bischofskonferenzsprecher Luis Arguello. Abtreibung könne zudem kein Rechtsanspruch sein, so der Bischof von Kastilien-Leon. Er nannte es einen gravierenden Fehler, die dreitägige Reflexionsphase sowie die Möglichkeit, abtreibungswilligen Frauen Alternativen und Hilfe anzubieten, abzuschaffen.
Besserer gesetzlicher Schutz
In einer großen gemeinsamen Stellungnahme hatten Religionsvertreter in Spanien die Politik aufgerufen, ungeborenes und bedrohtes Leben gesetzlich besser zu schützen. Die "Interreligiöse Erklärung zur Würde des menschlichen Lebens und zu den Menschenrechten" wurde am Mittwoch (Ortszeit) von den Spitzen der Bischofskonferenz, der Islamischen Kommission, mehreren orthodoxen Kirchen, der reformierten Episkopalkirche und der Föderation Evangelikaler Körperschaften Spaniens unterzeichnet. Einzig die jüdische Gemeinde habe nicht teilnehmen wollen, wie das Portal "Vida Nueva" berichtete.
Die Religionen äußern in der Erklärung "Sorge über Gesetze, in denen das menschliche Leben ernsthaft ungeschützt bleibt". Man schätze und achte die demokratischen Institutionen, doch würden manche Gesetze offenbar "nicht nur gegen die Prinzipien des Schöpfers, sondern auch gegen die grundlegendsten Menschenrechte erlassen", mahnen die Unterzeichner.