Beate Gilles fordert Synodalität in der katholischen Kirche zu stärken

"Synodalität neu auf den Weg bringen"

Im Podcast Himmelklar fordert Generalsekretärin Beate Gilles, die katholische Kirche müsse sich neu aufstellen: mit mehr Mitsprache, offenen Perspektiven und die ehrliche Frage, welche Rolle sie noch in der Gesellschaft spielen kann.

Autor/in:
Tim Helssen
Synodaler Ausschuss / © Elena Hong (DR)
Synodaler Ausschuss / © Elena Hong ( DR )

Himmelklar: Was sind aktuell Themen, die angegangen werden müssen?

Beate Gilles, Generalsekretärin der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), am 26. September 2024 in Fulda. / © Julia Steinbrecht (KNA)
Beate Gilles, Generalsekretärin der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), am 26. September 2024 in Fulda. / © Julia Steinbrecht ( (Link ist extern)KNA )

Dr. Beate Gilles (Generalsekretärin der Deutschen Bischofskonferenz und Geschäftsführerin des Verbandes der Diözesen Deutschlands): Natürlich die Frage, wie wir in der katholischen Kirche in Deutschland Synodalität noch mal neu auf den Weg bringen können. Es sind schon viele synodale Strukturen da. Wie geht das jetzt auch noch mal auf der Ebene der Bischofskonferenz?

In der Gesellschaft, würde ich sagen, ist das im Moment eine besonders spannende Herausforderung. Einerseits ist ganz klar, dass die katholische Kirche kleiner wird und an Bedeutung verliert. Es sind weniger Menschen, die in einer engen Bindung zur Kirche stehen. Gleichzeitig wird aber bei den ganzen politischen Fragen, vor denen wir stehen, deutlich, dass es diese Botschaft braucht. Es braucht auch eine Perspektive aus einer Haltung heraus und die Frage, wie wir auf Probleme gucken, vor denen wir stehen.

Die Bischöfe gehen immer wieder in Gespräche mit Politikerinnen und Politikern, die auch ich begleiten darf. Da merke ich, dass da sehr gut hingehört wird. Und danach wird darum gebeten, dass die Botschaft der Kirche in unserer Gesellschaft auch hörbar wird.

Himmelklar: Ich habe jetzt mal eine etwas persönliche Frage an Sie. Wären Sie gerne Priesterin geworden?

Gilles: Wenn das wirklich eine Berufung wäre, dann wäre diese Position sehr schwer auszugestalten. Ich kenne natürlich Frauen, die diese Berufung in sich tragen, und ich kann das für mich ganz klar sagen, dass das für mich jetzt kein Thema gewesen ist. Ich bin beruflich erst mal nicht in den pastoralen Dienst eingestiegen, sondern sehr bewusst in die Bildungsarbeit. Von daher ist diese Frage für mich geklärt.

Und ich erlebe es auch gerade in diesem Zusammenspiel: Es ist gut, dieses priesterliche Amt zu haben und ich denke, wir brauchen einen neuen Zugang zu dem Charisma dieses Amtes, was es auch für uns in der Kirche als Schatz bedeutet, ein solches Amt zu haben. Ich kann den Schmerz von vielen Frauen teilen, dass sie diesen Zugang zum Amt nicht haben. Und es ist in der Weltkirche auch eine Frage, aber für mich persönlich ist diese Sehnsucht nicht da.

Beate Gilles

"Er macht ernst damit, Frauen an dieser Stelle, wo immer es möglich ist, einzusetzen."

Himmelklar: Im Vatikan wurde vor kurzem die erste Ordenspräfektin von Papst Franziskus ernannt, und seit März ist die erste Regierungschefin vom Vatikanstaat im Amt. Was bedeutet Ihnen das?

Gilles: Ja, das ist sehr wichtig, weil der Papst ernst macht, dass er an der Stelle alle Möglichkeiten nutzt, auch Frauen in dieses System hineinzubringen. Ich glaube, das verändert auch etwas, selbst wenn dieser Zugang zum Priesteramt für ihn jetzt einfach eine schwierige Frage ist und er sagt, da sieht er keine Möglichkeiten.

Er macht ernst damit, Frauen an dieser Stelle, wo immer es möglich ist, einzusetzen. Das Gleiche haben die Bischöfe ja auch gemacht mit dieser Frage der Generalsekretärin. Das ist ja im Grunde genommen ganz parallel, zu fragen: Muss es ein Priester sein?

Wir kommen aus einer Tradition, und das ist in der Weltkirche noch viel stärker und das hat ja ganz viel mit der Finanzierung der Kirche zu tun: Diese Ämter sind nicht qua Amt daran gebunden, sondern weil unsere Strukturen so sind und weil viele Dinge auch einfacher sind, wenn sie Priester machen. Das ist etwas, wo er jetzt andere Wege geht. Und das ist ein starkes Zeichen! Er hat es auch in der Synode gemacht, er hat einfach Frauen und Laien insgesamt in die Synode berufen und gesagt: Es ist eine bischöfliche Synode. So ist es.

Die Gesprächszusammenhänge werden einfach andere, wenn die Gruppen diverser werden. Ich kann natürlich als Frau nicht sagen, wie die Bischofskonferenz sich verändert hat, weil ich es ja vorher nicht erlebt habe, aber es kommen andere Perspektiven mit hinein.

Beate Gilles

"Also in der Frage der Möglichkeiten hat die deutsche Kirche schon eine sehr herausgehobene Stellung."

Natürlich bildet sich auch bei Klerikern eine Vielfalt von Menschen ab, das ist ja keine Frage. Aber es verbindet sie auch etwas. Und wenn wir von Klerikalismus sprechen, dann ist das ja etwas, was auch abschotten kann und wo Dimensionen und Perspektiven einfach auch fehlen, weil die Lebenswege zu gleichförmig sind. Von daher ist es wichtig, das an dieser Stelle zu öffnen und die Vielfalt hineinzubringen.

Himmelklar: In den letzten Monaten und Jahren wurde immer wieder gesagt, dass die katholische Kirche in Deutschland eine Sonderstellung hätte. Stimmt das?

Gilles: Ja und nein. Also in der Frage der Möglichkeiten hat die deutsche Kirche schon eine sehr herausgehobene Stellung, wenn man sie mit vielen anderen Ortskirchen vergleicht. Die Weltsynode hat aber gezeigt, dass die Fragestellungen, vor denen die katholische Kirche in Deutschland steht, gar nicht so viel anders sind als in anderen Regionen der Welt.

Es gibt ein Spezifikum, wo die katholische Kirche in Deutschland ernst gemacht hat, was ins Mark geht und was nicht so ganz leicht zu ertragen ist. Und das ist, die systemischen Faktoren des Missbrauchs klar zu benennen. In der Weltkirche ist klar: Es gibt Missbrauch. Das wird von niemandem mehr geleugnet. Es wird aber immer auf die einzelnen Täter geschaut und gesagt: Ja, da gibt es Verfehlungen einzelner Personen.

Hier hat die MHG-Studie in Deutschland gezeigt: Nein, es sind auch systemische Faktoren. Und das zu akzeptieren, das ist extrem schwierig, weil das auch sehr ins Herz der Kirche geht. Deswegen gibt es immer noch die Tendenzen, das von sich abzuweisen und damit auch die Kirche zu schützen. Und das ist natürlich genau dieser Mechanismus, der auch Missbrauch begünstigt hat.

Da habe ich aber den Eindruck, dass es einfach auch Abwehrmechanismen zum Selbstschutz sind. Das sind lange Wege. Das war in Deutschland auch ein langer Weg. Ich merke aber jetzt mit der Weltsynode, wie viel da in Bewegung gekommen ist. Wichtig ist da auch, dass Menschen die katholische Kirche in Deutschland auch erleben, weil natürlich viel erzählt wird, und das eigene Erleben und das direkte Gespräch sind da ganz wichtig.

Beate Gilles

"Die katholische Kirche hat akzeptiert, dass sie mit den systemischen Faktoren einfach als Institution handeln muss."

Himmelklar: Diese Mechanismen setzt die katholische Kirche ja auch schon um. Ist die Kirche da schon am Ziel angekommen?

Gilles: Am Ziel wird sie mit dem Thema nicht sein, weil wir natürlich merken, dass Missbrauch ein Thema bleibt. Wo Menschen zusammen sind, gibt es auch die Frage und die Problematik von Missbrauch. Von daher, glaube ich, dürfen wir nicht in der Perspektive leben, zu fragen: Wann haben wir dieses Thema endlich mal bewältigt?

Ich glaube aber, dass die katholische Kirche hier viel geleistet hat und dadurch immer in der Spannung ist. Das ist sie auch dadurch, dass sie aufdeckt und wirklich noch mal den Fokus darauf richtet, macht sie es immer wieder auch öffentlich. Damit entsteht ein bisschen auch der Eindruck, dass das in der katholischen Kirche ein besonders starkes Problem ist. Wir haben andere gesellschaftliche Felder an der Stelle auch noch nicht in gleichem Maße beleuchtet.

Die katholische Kirche hat akzeptiert, dass sie mit den systemischen Faktoren einfach als Institution handeln muss. Das ist ein schmerzhafter Prozess. Und wir haben inzwischen auf der Ebene der Bischofskonferenz mit dem Betroffenenbeirat, mit dem Sachverständigenrat und mit einer bischöflichen Arbeitsgruppe Strukturen ausgebildet, die sich sicherlich im Laufe der Zeit verändern werden, die aber nicht verschwinden werden.

Himmelklar: Eines der großen Probleme der katholischen Kirche in Deutschland ist der Mitgliederschwund. Der wird sich aller Wahrscheinlichkeit auch fortsetzen. Muss die katholische Kirche etwas dafür tun, um neue Mitglieder zu gewinnen? Was kann sie machen?

Gilles: Die Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung, die schwerpunktmäßig ja von der evangelischen Kirche war, aber wo wir jetzt der kleine Juniorpartner waren, das finde ich, zeigt noch mal interessante Perspektiven auf. Erst einmal ist es so, dass die katholische Kirche an Bedeutung verliert, das ist ein Prozess, der schon lange angefangen hat, weil es ja die Kinder sind, die nicht getauft worden sind, die dann wiederum ihre Kinder gegebenenfalls nicht taufen lassen. Das gilt es erst mal auch zu akzeptieren und nicht in der Perspektive einer glorreichen Vergangenheit zu leben. Natürlich heißt das aber auch, sich aktiver ins Spiel zu bringen in der Frage: Warum bin ich denn noch dabei?

Das ist etwas, glaube ich, was wir ein Stück neu lernen müssen, das auch mit einem starken Selbstbewusstsein ins Spiel zu bringen. Ich merke im Gespräch mit Menschen, dass das auch erwartet wird. Das ist immer so eine Geschichte. Es ist hinterher interessant, und man ist plötzlich die Minderheit. Das sind wir nicht gewohnt als Christen in Deutschland. Das sind wir aber jetzt. Diese Rolle müssen wir annehmen und aus der heraus positiv agieren – und nicht mit so einem verhaltenen Minderwertigkeitskomplex.

Das Interview führte Tim Helssen.

Deutsche Bischofskonferenz

Die Deutsche Bischofskonferenz ist der Zusammenschluss der katholischen Bischöfe in Deutschland. Sie leiten als Ortsbischöfe eines der 27 Bistümer oder unterstützen als Weihbischöfe. Insgesamt gehören ihr derzeit (September 24) 61 Mitglieder an.

Ebenfalls zur Konferenz gehören - auch wenn sie nicht Bischöfe sind - Diözesanadministratoren, die ein Bistum nach Rücktritt oder Tod eines Ortsbischofs übergangsweise verwalten.

Logo der Deutschen Bischofskonferenz auf einem Schild neben dem Eingang zum Sekretariat der DBK / © Julia Steinbrecht (KNA)
Logo der Deutschen Bischofskonferenz auf einem Schild neben dem Eingang zum Sekretariat der DBK / © Julia Steinbrecht ( (Link ist extern)KNA )
Quelle:
DR

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