Sie könne die Kritik des Kölner Juraprofessors Stephan Rixen nachvollziehen. Die Politik habe es in der vergangenen Legislaturperiode aber abgelehnt, selbst stärker Verantwortung zu übernehmen und für eine unabhängige Aufarbeitung zu sorgen, sagte Kerstin Claus am Mittwoch der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).
Juraprofessor übt Kritik
Rixen hatte die vor zwei Jahren unterzeichnete Vereinbarung zwischen Bischofskonferenz und dem damaligen Missbrauchsbeauftragten Johannes-Wilhelm Rörig kritisiert. Er betonte in einem Beitrag des "Kölner Stadt-Anzeigers" (Mittwoch), er halte die Erklärung für falsch, da der Rechtsstaat "bedenkenlos die quasi-autokratische Binnenstruktur der katholischen Kirche" akzeptiere.
Claus betonte, in der damaligen Konstellation sei für ihren Vorgänger, der die Verhandlungen geführt hatte, deswegen "leider nicht mehr drin gewesen", so Claus. Sie sei aber zuversichtlich, dass die derzeitige Regierung sich stärker engagieren wolle.
Die Erklärung sieht eine unabhängige Aufarbeitung von Missbrauch vor.
Betroffenenbeiräte in Bistümern eingerichtet
Dazu sind in den vergangenen Jahren inzwischen in fast allen Bistümern Aufarbeitungskommissionen und Betroffenenbeiräte eingerichtet worden. Die Mitglieder werden teils von der Kirche, teils von der jeweiligen Landesregierung und von Betroffenengremien benannt und sämtlich vom Ortsbischof berufen.
Zum Verhandlungsbeginn vor vier Jahren hatten vor allem Betroffene gefordert, dass der Staat sich bei der Aufarbeitung stärker engagiert und eine unabhängige Kommission einrichtet. Die katholische Kirche hatte sich zuletzt durchaus offen für den Vorschlag gezeigt, unterdessen fand er in der Politik kaum Unterstützung.
Claus betonte, mit der Ampelregierung habe sich die politische Situation verändert. Sie habe in ihrem Koalitionsvertrag eine gesetzliche Verankerung ihres Amtes vorgesehen und ein gesetzlich verankertes Recht auf Aufarbeitung als Option genannt. Aus ihrer Sicht müsse auch die ehrenamtlich tätige unabhängige Aufarbeitungskommission über das Gesetzgebungsverfahren mehr Rechte erhalten und auf eine gesetzliche Grundlage gestellt werden.
Recht auf Aufarbeitung und Akteneinsicht
In einem KNA-Interview hatte Claus ebenfalls am Mittwoch betont, dass Fokus sein müsse, Betroffenen zu einem Recht auf Aufarbeitung und Akteneinsicht zu verhelfen. Der Staat müsse sich zu seiner Verantwortung bekennen, Gewalt gegen Kinder und Jugendliche nicht verhindert zu haben.
Die Chance, dies ebenfalls gesetzlich festzuhalten, sei nun gegeben.
Das Bundesfamilienministerium erarbeite derzeit federführend den Gesetzentwurf. Claus betonte, dass sie sich hierbei für einen stärkeren Fokus auf eine staatliche Verantwortungsübernahme für Aufarbeitung einsetzen wolle. Das Gesetz müsse zudem spätestens im kommenden Sommer vorliegen, damit es noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt und angewandt werden könne.
Rixen ist seit 2016 Berater der Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen der Bischofskonferenz. Seit dem vergangenen Juni ist er zudem vom Land Nordrhein-Westfalen benanntes Mitglied der Unabhängigen Aufarbeitungskommission des Erzbistums Köln.