Bedford-Strohm besucht Soldaten bei Flüchtlingshilfe

"Danke für das, was Sie hier tun"

Bischöfe besuchen die Bundeswehr. Aber nicht in der Kaserne nebenan, sondern beim Einsatz im Mittelmeer. Dabei geht es dann auch weniger um militärische Fachfragen als vielmehr um die Hilfe der Soldaten für Flüchtlinge.

Autor/in:
Benjamin Lassiwe (KNA)
701 Menschen haben die deutschen Soldaten der "Werra"und der "Datteln" allein an einem Tag aus Seenot gerettet. / © Bastian Fischborn (Bundeswehr)
701 Menschen haben die deutschen Soldaten der "Werra"und der "Datteln" allein an einem Tag aus Seenot gerettet. / © Bastian Fischborn ( Bundeswehr )

Der schrille Pfiff einer Bootsmannspfeife ertönt über dem Hafen des sardinischen Cagliari. Auf der Back des deutschen Tenders "Werra" ist die 97-Mann-Besatzung vollzählig angetreten. Hoher Besuch kommt an Bord: der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm. Der bayerische Landesbischof und höchste Vertreter des deutschen Protestantismus beginnt seinen ersten Besuch bei einer im Einsatz befindlichen Bundeswehreinheit. Und zwar - passend für einen Kirchenmann - bei Soldaten, zu deren Hauptaufgaben die Hilfe für Flüchtlinge gehört.

Denn zusammen mit dem Minenjagdboot "Datteln" ist die "Werra" seit Mitte Juni im Mittelmeer unterwegs: Im Rahmen der Operation "EUNAVFOR Med", die nach einem auf einem Marineschiff geborenen Flüchtlingsmädchen auch "Sophia" genannt wird, kreuzen die Schiffe vor der libyschen Küste, um Schlepperbanden das Handwerk zu legen und in Seenot geratene Flüchtlinge zu retten.

Lebkuchenherzen für Marinesoldaten

"Bis zu 600 Menschen sind an Bord der Boote, die wir hier draußen treffen", erzählt der Kommandant der "Werra", Kapitän Mirko Preuß. An Bord werden die Menschen erfasst, medizinisch untersucht, verpflegt und schließlich in einem italienischen Hafen den Behörden übergeben.

"Ich bin gekommen, um Ihnen Danke zu sagen", sagt Bedford-Strohm, als er zusammen mit EKD-Militärbischof Sigurd Rink zu den auf der Back angetretenen Soldaten spricht: "Danke für Ihren Dienst, danke für das, was Sie hier tun." Bedford-Strohm hat kleine Lebkuchenherzen im Gepäck, die er an die Mannschaft des Schiffes verteilt.

Marineseelsorge ist ökumenisch

Militärbischof Rink berichtet als Vorgesetzter von 100 evangelischen Militärgeistlichen, dass die Seelsorger an Bord stets sehr stark nachgefragt würden. Doch die steigende Zahl der Marineschiffe, die sich am Horn von Afrika und im Mittelmeer im Einsatz befinden, erschwere auch die Arbeit der Militärseelsorger. "Wir haben nur zwölf evangelische Marinepfarrer", berichtet Rink.

An Bord der Schiffe wechseln sich die Geistlichen deshalb mit ihren katholischen Kollegen ab. Derzeit ist der normalerweise an der Universität der Bundeswehr im Einsatz befindliche katholische Dekan Jochen Folz auf dem Tender unterwegs. Regelmäßig feiert er Andachten auf der "Werra", bei Hafenaufenthalten nimmt er interessierte Soldaten mit in die Messe.

Kindstaufe auf Hoher See

An Bord ist er ein gefragter Gesprächspartner - wenn ein Besatzungsmitglied familiäre Probleme hat ebenso wie bei den ganz normalen Alltagsthemen. Und einmal feierte er sogar schon eine Kindstaufe. "Da hat eine Flüchtlingsfrau aus Nigeria ein Kind bekommen", erzählt Folz: "Als sie erfuhr, dass ich katholischer Priester bin, bat sie um die Taufe."

Gesagt, getan: Aus der Kombüse des Schiffes besorgte sich der Priester eine Sauciere und eine Schüssel - "und an Wasser haben wir hier ja keinen Mangel." Das Kind wurde auf hoher See getauft - und die Militärseelsorge und die Marine waren um eine Episode reicher, die so wohl nur beim Flüchtlingseinsatz im Mittelmeer passieren kann.

"Sterben im Mittelmeer nicht vergessen"

Bei seinem Besuch hat der Ratsvorsitzende EKD auch auf das anhaltende Sterben von Menschen im Mittelmeer aufmerksam gemacht. Nur weil in Deutschland derzeit weniger Flüchtlinge ankämen als vor einem Jahr, "dürfen wir nicht aus dem Blick verlieren, welche Tragödien sich nach wie vor auf dem Mittelmeer abspielen", sagte Bedford-Strohm am Freitagabend nach einem Treffen mit Flüchtlingen nahe der südsardischen Hafenstadt Cagliari. "Denn es ist ein Verbrechen, wenn wir Menschen auf seeuntaugliche Boote setzen, und ihren Tod riskieren", sagte er weiter.

Ein Flüchtling berichtete dem Bischof, wie er 1.000 Euro für einen Platz in einem kleinen Schlauchboot bezahlte, um nach Europa zu kommen. "Das zeigt, dass wir auch legale und sichere Wege benötigen, über die die Menschen nach Europa kommen können", sagt der Bischof: "Und wir brauchen Maßnahmen vor Ort, die die Lage in den Herkunftsländern der Menschen stabilisieren."

Einige Flüchtlinge erzählten dem bayerischen Landesbischof, wie sie sich von Libyen mit brüchigen Booten auf die lebensgefährliche Flucht über das Meer Richtung Italien begeben hatten. Zwei Flüchtlinge in der von der Caritas der Erzdiözese Cagliari betriebenen Unterkunft waren von deutschen Schiffen an Bord genommen worden. Hörbar gerührt sagte der bayerische Landesbischof: "Hier müssen wir innehalten und fragen: Was wäre passiert, wenn sie nicht gerettet worden wären? Wahrscheinlich wären sie tot." Entschieden stimmte Bedford-Strohm dem Leiter der Caritas der Erzdiözese Cagliari, Don Marco Lai, zu, der sagte, jeder einzelne Flüchtling habe einen Namen und sei keine Nummer.

Seenotrettung durch Bundeswehrsoldaten

Indem sich die Marine an der Seenotrettung beteilige, habe sie "den Verteidigungsauftrag ganz neu verstanden", sagte Bedford-Strohm dem Evangelischen Pressedienst (epd). Es sei eine wichtige polizeiliche Funktion, die die deutschen Marineschiffe im Mittelmeer ausüben. Er halte es auch für richtig, die Netzwerke der Schlepper zu zerschlagen. Es dürfe aber nicht dieser Fluchtweg bekämpft werden, ohne dass andere und vor allem sichere Wege eingerichtet würden, sagte der Ratsvorsitzende. So müsse zum Beispiel ein sicherer Familiennachzug ermöglicht werden, forderte der Bischof.

Seit Beginn des Sommers 2015 kommen wieder mehr Flüchtlinge aus Afrika über die zentrale Mittelmeerroute nach Europa. Rund 100.000 Menschen sind nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) in diesem Jahr bis zum 7. August an Italiens Küsten angekommen. Für mehr als 2.700 Menschen endete der Weg von Libyen nach Lampedusa tödlich, im gesamten Mittelmeer starben rund 3.200 Frauen, Männer und Kinder.


 

Das Minenjagdboot „Datteln“ auf Patrouille im Seegebiet / © PAO EUNAVFOR MED (Bundeswehr)
Das Minenjagdboot „Datteln“ auf Patrouille im Seegebiet / © PAO EUNAVFOR MED ( Bundeswehr )


 

Taufe auf dem Mittelmeer (Bundeswehr)


 

Die Geretteten sind froh, etwas zu essen und zu trinken zu bekommen und nutzen die Zeit, sich im Hangar auszuruhen. / © PAO EUNAVFOR MED (Bundeswehr)
Die Geretteten sind froh, etwas zu essen und zu trinken zu bekommen und nutzen die Zeit, sich im Hangar auszuruhen. / © PAO EUNAVFOR MED ( Bundeswehr )
Quelle:
epd , KNA