Nachdem im Mai das EU-Parlament neu gewählt wurde, beginnt inzwischen wieder die Arbeit an Gesetzen. Mitte November legte die EU-Abgeordnete Birgit Sippel (SPD) ihren Vorschlag für eine Verordnung zur "Herausgabeordnung und Sicherungsanordnungen für elektronische Beweismittel in Strafsachen" vor. Damit sollen Strafverfolger schneller an Daten kommen können, die im Internet von ausländischen Anbietern gespeichert werden. Es wäre das erste Instrument in der strafrechtlichen Zusammenarbeit auf europäischer Ebene.
Mehr als 700 Änderungsanträge
Während die EU-Innenminister bereits im Dezember 2018 Grünes Licht gaben, steckt das Parlament noch mitten in den Beratungen. Sippel erhielt mehr als 700 Änderungsanträge. Ende Januar soll im Innenausschuss über das Gesetz abgestimmt werden.
Für Sippel stehen mit dem Kommissionsvorschlag zu elektronischen Beweismitteln in der Strafverfolgung "fundamentale Grundrechtsprinzipien" auf dem Spiel. Das gehe vom Recht auf Privatsphäre und Schutz der eigenen Daten, über Verfahrensrechte bis zu Immunitäten und Privilegien.
Die Entscheidung, ob eine Anordnung rechtmäßig ist, läge nach Vorstellung der Kommission zunächst ausschließlich in den Händen der ermittelnden Behörde - obwohl das Strafrecht innerhalb der EU national noch immer sehr unterschiedlich geregelt ist. "Wie sollen da Grundrechte ausreichend geschützt sein?", fragt Sippel.
Kirchen besorgt
Auch die Kirchen sind besorgt. Denn im ursprünglichen Gesetzentwurf der Kommission gibt es keinen besonderen Schutz für Berufsgeheimnisse von Ärzten, Anwälten oder kirchlichen Seelsorgern. Die Leiterin des Brüsseler Büros der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Katrin Hatzinger, sieht den Vorschlag für die E-Evidence-Verordnung kritisch. Er betreffe einen "sensiblen Bereich" und greife "unverhältnismäßig" in den nationalen Schutz der Grundrechte ein.
"Letztlich droht er, errungene Standards im Hinblick auf Rechte der Beteiligten im Strafprozess abzusenken", sagte Hatzinger der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Das zeige sich unter anderem darin, dass auch das Beichtgeheimnis und damit der verfassungsrechtlich geschützte Austausch im Rahmen von Seelsorgegesprächen, die heute durchaus auch online stattfinden, nach dem Kommissionsvorschlag nicht hinreichend vor dem Zugriff des Vollstreckungsstaates geschützt werde.
Seelsorge betroffen
Die im EU-Parlament zuständige Birgit Sippel ging auf die Bedenken ein. Sie setzt sich für eine stärkere Einbindung des Staates ein, "in dem der Service-Provider ansässig ist bzw. seinen rechtlichen Vertreter bestellt hat". Dieser Staat müsse über die Anordnung informiert werden und in bestimmten Fällen, unter anderem auch bei einer Gefährdung von Immunitäten und Privilegien, das Recht haben, eine Anordnung für nichtig zu erklären. Hatzinger findet Sippels Veränderung "begrüßenswert". So würden die richtigen Weichen dafür gestellt, dass die geplante Verordnung grundrechtliche Garantien der Mitgliedstaaten nicht unterlaufen.
Und was ist nun mit dem Beichtgeheimnis? Wäre es von der Gesetzgebung betroffen? Im strengeren Sinne nicht, denn Priestern ist das Mitschneiden oder andere Aufzeichnungen von der Beichte kirchenrechtlich streng untersagt. Betroffen ist aber das Seelsorgegespräch, bei dem nach kirchlichem Verständnis ein beauftragter Seelsorger im Bewusstsein der Gegenwart Gottes höchstpersönliche Informationen mit einem Einzelperson bespricht. Es kann sowohl von Priestern als auch von kirchlich beauftragten Seelsorgern geführt werden.
Daten in der Online-Seelsorge
In der Realität werden solche Gespräche heutzutage oft über E-Mail oder Messengerdienste vereinbart; es entstehen also Daten. Zudem gibt es mittlerweile eine Online-Seelsorge. Dabei können sich Menschen über Portale an Seelsorger wenden und ihre Anliegen teils auch schriftlich mitteilen.
Das seelsorgerische Gespräch ist in Deutschland durch Paragraf 53 Absatz 1 Satz 1 der Strafprozessordnung geschützt. Bereits Daten zur Terminvereinbarung dürfen in deutschen Strafverfahren nicht genutzt werden. Der Schutz des Seelsorgegesprächs wird zu weiten Teilen mit der Unantastbarkeit der Menschenwürde begründet.
Bis zur Abstimmung im zuständigen Ausschuss des EU-Parlaments sind es noch einige Wochen. Nach dieser Abstimmung könnten bereits die sogenannten Trilog-Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten und der Kommission beginnen.