Nike Wagner beendet Intendanz beim Beethovenfest

"Beethoven studierte akribisch die Psalmen"

Zum Abschluss ihrer Zeit als Intendantin beim Beethovenfest stellt Nike Wagner zwei sehr unterschiedliche Komponisten gegenüber. Im Kölner Dom erklingen "Der Gesang der Jünglinge" von Stockhausen und Beethovens "Missa Solemnis".

Nike Wagner, Intendantin des Beethovenfestes / © Harald Oppitz (KNA)
Nike Wagner, Intendantin des Beethovenfestes / © Harald Oppitz ( KNA )

Eigentlich sollte das Festkonzert im Kölner Dom mit dem Vokalensemble Köln und Concerto Köln schon beim Beethovenfest 2020 stattfinden, doch dann kam Corona. Am Freitag erklingt nun dort unter Leitung von Kent Nagano die "Missa solemnis", vor dem Credo unterbrochen vom "Gesang der Jünglinge" von Karlheinz Stockhausen. Die berühmte Messe kühn kombiniert mit elektronischer Musik der Moderne - irgendwie typisch für Beethovenfest-Intendantin Nike Wagner, deren siebenjährige Amtszeit damit offiziell endet.

KNA: Frau Professorin Wagner, was bedeutet es, dass Ihre Intendanz ausgerechnet mit einem solch außergewöhnlichen Konzert zu Ende geht?

Nike Wagner (Beethovenfest-Intendantin): Für ein Beethovenfest ist es selbstverständlich, Beethovens "größte" Werke zu programmieren, wenn es gilt, den 250. Geburtstag dieses Musikgenies zu feiern. Die "Missa solemnis", entstanden in den Jahren zwischen 1819 und 1823, gehört zu den berühmtesten Messen der abendländischen Kunstmusik; Beethoven studierte dafür akribisch die "christkatholischen Psalmen und Gesänge". Dennoch glaube ich nicht, dass es dem "Aufklärer" Beethoven um ein persönliches Glaubensbekenntnis oder um eine Gottsuche ging; Mess-Vertonungen gehörten seit dem Mittelalter zum Handwerk der Komponisten, auch Haydn und Mozart hatten solche geschrieben.

KNA: Hinzu kommt der besondere Ort: Deutschlands wichtigste und größte Kirche...

Wagner: Dass die grandiose Kölner Dom-Architektur für ein so gewaltiges geistliches Werk den idealen Rahmen bildet, liegt auf der Hand; Konzerte in Kirchen und Domen sind mittlerweile durchaus üblich - vielleicht auch als Möglichkeit, auf dem kirchlichen Terrain ein Gefühl für Heilsgeschichte und Transzendenz wiederzugewinnen.

KNA: Mit welchem Eindruck und Gefühl sollten die Besucher idealerweise aus dem Konzert kommen?

Wagner: Zu der immer etwas erhöhten inneren Temperatur nach einem symphonischen Konzert wird sich ein feierliches Gefühl gesellen. Auch ein gemeinschaftlich-verbundenes. Wir waren im Dunkel des Kirchenschiffs von den Lobpreisungen Gottes umgeben, wir waren an einem anderen Ort, wir haben uns - für eine Weile - verwandelt...

KNA: Auch Ihr Leben hat sich nach dem Abschied vom Beethovenfest sicher gewandelt. Wie blicken Sie mit einigen Wochen Abstand auf Ihre Zeit in Bonn?

Wagner: Das Schöne an einem Rückblick ist, dass er alles verklärt. Die Misshelligkeiten, Probleme und Alltagsmühen versinken, es hat sie nie gegeben. Das Beethovenfest in Bonn gestalten zu dürfen, war sowohl Privileg wie Herausforderung; ich hatte viel Freude an der Neubestimmung dieses Festivals und ich denke, sie ist mir und meinen Mitarbeitern auch gelungen.

KNA: Welche Pläne und Projekte begleiten Sie im Moment?

Wagner: Im Moment beschäftigt mich der Existenzwechsel: der Abschied von Bonn und die Neuordnung meines Lebens zwischen Wien und Berlin. Ein gewisser Rückzug ins Privatleben, ja. Aber das Private und das Öffentliche waren bei mir immer miteinander verknüpft, also bleibe ich dem Kulturbetrieb wohl erhalten.

Das Interview führte Sabine Kleyboldt.


Quelle:
KNA
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