Bei der gut siebenstündigen Verhandlung schilderte der Angeklagte das langjährige Bestreben des Staatssekretariats, wo er in leitender Position tätig war, das erhebliche finanzielle Defizit des Vatikan zu verringern.
Er habe sich dabei insbesondere auf die Expertise des italienischen Finanzmanagers und früheren Mitarbeiters der Credit Suisse, Enrico Crasso, verlassen. Allerdings hätten ihn seine Berater oft nicht mit Informationen versorgt, die ihm alternative Entscheidungen ermöglicht hätten.
Anklage seit Sommer 2021
Becciu war von 2011 bis 2018 als Substitut zweiter Mann der vatikanischen Zentralbehörde, des Staatssekretariats. Dieses begann unter Becciu über Finanzmakler mit Millionen-Investitionen in einen Londoner Immobilienkomplex.
Weil es dabei Verluste und Unregelmäßigkeiten gegeben haben soll, sind seit Sommer 2021 insgesamt zehn Personen und drei Unternehmen vor dem Strafgericht des Vatikanstaats wegen Korruption, Amtsmissbrauch, Veruntreuung und anderer Delikte angeklagt.
Zwischenfall mit früherem Verwaltungsleiter
In dem Prozess geht es auch um Finanztransaktionen der Italienischen Bischofskonferenz an karitative Einrichtungen in Sardinien, die von Becciu veranlasst worden sein sollen. Das Gericht entschied, dass es wegen dieser Vorwürfe kein eigenes Verfahren geben werde; sie gehörten allerdings zum weiteren Umfeld. Becciu müsse daher nicht darauf antworten, gleichwohl könne die Anklage Fragen dazu stellen.
Eine schriftliche Erklärung der ebenfalls angeklagten italienischen Sicherheitsberaterin Cecilia Marogna wurde vom Gericht nicht zur Verlesung zugelassen. Becciu hatte Marogna für nicht näher beschriebene Aufträge als Sicherheitsexpertin gut 500.000 Euro gezahlt, die sie aber großenteils persönlich verwandt haben soll.
Zu einem kurzen Zwischenfall kam es, als Alberto Perlasca, früherer Verwaltungsleiter des Staatssekretariats und Kronzeuge der Anklage, im Gerichtssaal auftauchte. Er wollte als Nebenkläger gehört werden; dem hatte das Gericht am Vortag nur teilweise stattgegeben. Richter Giuseppe Pignatone wies ihn an, den Saal zu verlassen, was Perlasca nur widerwillig und unter Begleitung von Vatikan-Gendarmen tat.