Wenn Papst Franziskus am Freitag (19. Januar) während seines Fluges von Lima nach Puerto Maldonado aus dem Fenster sieht, wird er ein Meer an grünen Bäumen sehen, durchzogen von mäandernden Flüssen. Es ist Teil des Amazonasbeckens, das sich über neun Länder Südamerikas erstreckt und rund ein Drittel des Kontinents ausmacht.
Abholzung großer Gebiete
Je mehr er sich Puerto Maldonado nähert, desto mehr werden dem Papst ockerfarbene Flächen inmitten der Waldlandschaft auffallen. Dort haben illegal arbeitende Goldschürfer große Gebiete abgeholzt und die Flüsse sowie den Boden mit Quecksilber und Schweröl verseucht.
"Puerto Maldonado steht für die Ausbeutung von Mensch und Natur. Es ist sehr wichtig, dass Franziskus dorthin geht", sagt Birgit Weiler, Theologin und Expertin für interkulturelle Theologie im Amazonasgebiet. Dieses Gebiet ist nicht nur ein riesiger CO2- und Süßwasserspeicher, es ist auch Heimat für 33 Millionen Menschen. Fast drei Millionen von ihnen sind Ureinwohner und gehören einer der 390 Ethnien Amazoniens an. Etliche von ihnen wird Papst Franziskus in Puerto Maldonado treffen und anhören.
"Die indigenen Völker sind nicht die einzigen Bewohner des Amazonasgebietes, aber sie sind am verwundbarsten, leiden am meisten unter der Ausbeutung der Natur", sagt Weiler. In der «Kosmovision» der Ureinwohner spiele ihr Territorium eine zentrale Rolle. "Das Land ist der Ort all ihrer Beziehungen, der Ort, wo die Vorfahren beerdigt sind, wo Religiosität entsteht", so die deutsche Ordensfrau. Doch gerade das Land der Indigenen ist zum Spielball vieler Begehrlichkeiten geworden.
"Dritte Welle des Kolonialismus"
"Wir erleben eine dritte Welle des Kolonialismus", sagt Raquel Yrigoyen, eine auf Landrechte indigener Völker spezialisierte Juristin. Nach der ersten Welle des Goldrausches der spanischen Konquistadoren und einer zweiten Kolonisierung unter dem Vorzeichen der Unabhängigkeit, sei seit dem Ende des 20. Jahrhunderts eine dritte Kolonisierung im Gange. Aufgrund der hohen Rohstoffpreise und der Nachfrage nach Land, drängten immer mehr Bergbau- und Erdölfirmen, Plantagenbesitzer, aber auch illegale Goldschürfer in die Stammesgebiete der einheimischen Völker. Die großen Firmen könnten meist mit dem Rückhalt der jeweiligen Regierungen rechnen.
Der juristische Sachverhalt sei kompliziert, so die Expertin: "Die Ureinwohner haben in Peru zwar ein Recht auf kollektiven Landbesitz, aber viele Gemeinden haben dieses noch nicht ins Grundbuch eingetragen." Zudem seien die Bestimmungen in den vergangenen 20 Jahren sukzessive gelockert worden, um Großinvestoren anzuziehen. 2009 kam es zu einem gewaltsamen Zusammenstoß zwischen Indigenen und Polizei in Bagua, Nordperu, bei dem 33 Menschen starben. Grund für den Streit war ein Gesetz zur Erleichterung des Verkaufs von indigenem Gemeinschaftsland.
Schutz ethnischer Minderheiten
Während die nationale Gesetzgebung die Rechte der Indigenen weiter aufweicht, betonen internationale Statuten ihren Schutz. Besonders wichtig ist die UN-Konvention 169 der Weltarbeitsorganisation ILO zum Schutz ethnischer Minderheiten. Sie legt fest, dass indigene Völker gefragt werden müssen, bevor Infrastruktur- oder Ressourcenabbauprojekte in ihrem Gebiet genehmigt werden. Doch obwohl Peru die Konvention unterzeichnet hat, ist die Umsetzung bis heute mangelhaft.
Juristin Yrigoyen erwartet von Papst Franziskus klare Worte: «Wir brauchen eine neue Entkolonialisierung, die die Landrechte der indigenen Völker respektiert.» Auch Birgit Weiler erachtet es für dringlich, dass der Papst sich für die Belange der Ureinwohner einsetzt. Das Schicksal Amazoniens betreffe nicht nur die Bewohner, fügt Weiler hinzu. «Der Schutz des Gebietes mit seinen natürlichen Ressourcen ist ein Dienst an der ganzen Erde.»