Belgien bereitet sich auf Besuch von Papst Franziskus vor

"Einige Meinungsverschiedenheiten aufzeigen"

Papst Franziskus zieht als Verkaufsargument. Binnen 90 Minuten waren Mitte August über 30.000 Tickets für die Messe mit dem Papst in Brüssel vergriffen. In die Vorfreude auf die Visite in Belgien mischen sich aber auch kritische Töne.

Autor/in:
Joachim Heinz
Der Große Marktplatz am 7. Juli 2023 im historischen Zentrum der Brüsseler Innenstadt mit Publikumstouristen, Brüsseler Stadtmuseum und barocken Gildenhallen. / © Aliaksandr Antanovich (shutterstock)
Der Große Marktplatz am 7. Juli 2023 im historischen Zentrum der Brüsseler Innenstadt mit Publikumstouristen, Brüsseler Stadtmuseum und barocken Gildenhallen. / © Aliaksandr Antanovich ( shutterstock )

Kurz bevor der Papst sich am Donnerstag Richtung Luxemburg und Belgien aufmachte, gab es ein besonderes Angebot an alle Franziskus-Fans. Am Mittwochvormittag konnten Internetnutzer noch einmal ihr Glück versuchen, einige wenige Einlasskarten für die Abschlussmesse am Sonntag im Brüsseler König-Baudouin-Stadion zu ergattern. Eine erste Charge mit 32.000 Tickets war bereits Mitte August innerhalb von nur anderthalb Stunden vergriffen.

Manchen Beobachter hat die große Resonanz erstaunt. Denn die katholische Kirche ist in Belgien ansonsten eher auf dem Rückzug. Nur noch jeder zweite Belgier bezeichne sich als Katholik, erfuhren die Zuschauer unlängst beim Sender RTL info. Und von dieser Gruppe besuche nicht einmal jeder zehnte wenigstens einmal im Monat einen Gottesdienst.

Treffen mit Missbrauchs-Beroffenen geplant

Zu den Gründen für diese Entwicklung gehören der gesellschaftliche Wandel und eine wachsende Zahl an Zuwanderern, darunter viele aus muslimischen Ländern. 2011 lag der Anteil der außerhalb von Belgien geborenen Bevölkerung laut nationalem Statistikamt bei 14,4 Prozent; zehn Jahre später waren es bereits 17,7 Prozent. Wie in anderen Ländern auch haben zudem Missbrauchsskandale den Ruf der Kirche massiv beschädigt. Im vergangenen Jahr sorgte eine TV-Dokuserie des Senders VRT namens "Godvergeten" (gottvergessen) für neue Debatten.

Im Rahmen seines Belgien-Besuchs will der Papst mit 15 Missbrauchs-Betroffenen zusammenkommen - unter dem Siegel strengster Diskretion. Daran gibt es Kritik. Ihn erinnere das an das System des Missbrauchs selbst, zitierte der Sender sudinfo den Priester Rik Deville. "Opfer werden wieder in ihre frühere Rolle gepresst, aus der nichts nach außen dringen konnte", so der Ordensmann und Gründer der Arbeitsgruppe "Menschenrechte in der Kirche", dessen Arbeit die Grundlage für die Doku bildete.

Missbrauch und Politik

Zufall oder nicht: Am Dienstag gab der Justizausschuss in der Ersten Kammer des belgischen Bundesparlaments grünes Licht für die Einsetzung eines weiteren parlamentarischen Ausschusses zum sexuellen Missbrauch in der Kirche. Bereits in der vergangenen Legislaturperiode hatte es einen solchen Ausschuss gegeben. Die Zustimmung des gesamten Parlaments gilt laut Medienberichten als sicher.

Wie beherrschend das Thema ist, zeigte auch ein Interview der Plattform katholisch.de mit dem im Juli zurückgetretenen Missbrauchsbeauftragten der Belgischen Bischofskonferenz, Bischof Johan Bonny. Darin zeigte sich der Bischof von Antwerpen enttäuscht, "weil Bischöfe vor mir zu wenig für Betroffene von sexuellem Missbrauch getan haben".

Es gibt "einige Meinungsverschiedenheiten"

Aber es brodelt auch an anderen Stellen. "Wir werden einige Meinungsverschiedenheiten aufzeigen", kündigte die erste Frau an der Spitze der katholischen Universität von Louvain-la-Neuve, Francoise Smets, an. Was die Stellung der Frau anbelange, könne die katholische Kirche zweifellos noch Fortschritte machen. Zusammen mit ihrem flämischen Pendant, der Universität von Löwen (Leuven), feiert die französischsprachige Hochschule das 600. Jahr ihres lange Zeit gemeinsamen Bestehens. Das Jubiläum war der eigentliche Anlass der Papstreise, weswegen Franziskus am Freitag in Leuven und am Samstag in Louvain-la-Neuve je eine Rede halten wird.

Während Medien genüsslich vorrechnen, dass der Papstbesuch in Belgien rund drei Millionen Euro kostet, bereitet man sich in der EU-Kapitale Brüssel routiniert auf die Ankunft des katholischen Kirchenoberhaupts vor. Im vergangenen Jahr habe man 1.500 hochrangige Persönlichkeiten betreut, teilte das für die Sicherheitsvorkehrungen federführende nationale Krisenzentrum mit. Gleichwohl liege die letzte Visite eines Papstes schon länger zurück. 1995 reiste Johannes Paul II. 1995 nach Belgien.

Deutscher Pfarrer konzelebriert

An einem besonderen Ereignis teilzuhaben: Das wird ein Motiv vieler Menschen sein, die am Sonntag zur Abschlussmesse mit dem Papst ins König-Baudouin-Stadion pilgern. Wolfgang Severin, der als Pfarrer die deutschsprachige Gemeinde in Brüssel leitet, wird bei der Messe als einer von zahlreichen Konzelebranten am Altar stehen. Er wolle das Charisma dieses Papstes erleben, "mit dem er so viele Leute begeistern kann", sagt der Seelsorger.

Sicher habe Franziskus die in ihn gesetzten Erwartungen in mancher Hinsicht nicht erfüllt. "Aber ich glaube nach wie vor, dass er ein großartiger Papst ist." Als Deutscher könne er nicht für die Belgier sprechen, fügt Severin noch hinzu. Aber gut möglich, dass manche belgischen Gottesdienstbesucher ähnlich denken.

Kirche in Belgien

Belgien hatte in der jüngeren Kirchengeschichte große Bedeutung als Stätte der wissenschaftlichen Theologie und in der Mission. Nach den Missbrauchsskandalen steht zuletzt wie anderswo eher Krisenbewältigung im Zentrum. Vor allem die Universität Löwen (Leuven/Louvain) ist eine europaweit renommierte Stätte der wissenschaftlichen Theologie und speziell der Missionstheologie. Sie verlor allerdings etwas von ihrem Nimbus im flämisch-wallonischen Sprachenstreit der 1960er Jahre und durch die sprachliche und räumliche Trennung in zwei Hochschulen.

Symbolbild Kreuz im Licht / © Kanjana Kawfang (shutterstock)
Symbolbild Kreuz im Licht / © Kanjana Kawfang ( shutterstock )
Quelle:
KNA