Zwischen Hügeln und Wiesen am Fuß des Schaumbergs liegt mitten im Saarland Tholey. Rund 2.200 Einwohner leben hier. Darunter eine bunt zusammengesetzte Gruppe: ein Seemann, zwei KfZ-Mechaniker, ein Historiker, ein Philosophieprofessor, ein Altenpfleger, ein Einzelhandelskaufmann, ein Zeitsoldat und ein Sternekoch. Zumindest waren sie das in ihrem "früheren Leben", wie sie selbst es nennen. Jetzt beschäftigen sie sich vorrangig damit, als Mönche Gott zu loben.
Benediktinerabtei in Tholey
Die Benediktinerabtei in Tholey wird erstmals 634 nach Christus im Testament des Franken Adalgisel Grimo erwähnt und ist damit das älteste Kloster auf deutschem Boden. 2008 stand die Abtei kurz vor dem Aus. Gebäude waren teilweise in "desolatem Zustand", Finanzmittel knapp; zudem sank die Zahl der Mönche. Ein Gebäudetrakt musste zeitweise geschlossen werden - zu teuer die Heizkosten, berichtet Abt Mauritius Choriol. Der Tiefpunkt war erreicht, als nur noch sieben Brüder im Konvent lebten und das Kloster aufgelöst werden sollte.
Mit Glück, Tatkraft und Hilfe gelang es den Mönchen, das Blatt zu wenden. Heute bietet das Kloster wieder zwölf Benediktinern im Alter von 24 bis 75 Jahren ein Zuhause. "Wir haben gekämpft, uns wurde nicht alles auf einem Silbertablett serviert", sagt der Abt und frühere Sternekoch. Möglich wurde der Neuanfang, weil eine wohlhabende Familie der Region Millionen für die Sanierung der Klosteranlage spendete. Der Garten wurde neu angelegt, Wohnräume umgebaut, Pforte und Teehaus saniert und die gotische Kirche komplett renoviert. Am Wochenende öffnet nun die Kirche wieder für Besucher, mit neuen Fenstern der Künstler Gerhard Richter und Mahbuba Maqsoodi.
Chorfenster von Gerhard Richter
Richter, der auch für den Kölner Dom ein Fenster gestaltete, stiftete unerwartet drei große Chorfenster für die Abteikirche - durch die künftig morgens die Sonne Licht in die Kirche wirft. Je 1,95 Meter breit und 9,3 Meter hoch zeigen sie abstrakte Motive in rot, blau und gelb. Die Motive basieren auf einem Gemälde, das der Künstler mehrfach digital spiegelte und bearbeitete.
Abstrakte und realistische Kunst stehen in Tholey recht unverbunden nebeneinander. Denn für die weiteren 34 Fenster wünschten sich die Mönche Bilder, die möglichst konkret Geschichten erzählen sollen und beauftragten die aus Afghanistan stammende muslimische Künstlerin Maqsoodi. Im Gegensatz zu Richters abstrakten Formen zeigen deren Fenster leuchtend bunt Figuren: Ordensgründer Benedikt von Nursia, Hildegard von Bingen oder biblische Erzählungen wie die Vertreibung aus dem Paradies oder den Satanssturz.
Aus Sicht der Mönche sollen die Kirchenfenster eine neue "Sprechfähigkeit" ermöglichen. "Wir wollen auch über die Kunst mit Menschen ins Gespräch kommen", sagt Abt Mauritius. Beide Stile böten dazu Ansatzpunkte. Während die Maqsoodi-Fenster zum Teil auf Vorwissen aufbauen und Konkretes ansprechen, sollen die Richter-Fenster laut Abt dem Betrachter Trost und Halt spenden und eine "Vorahnung auf das Unerreichbare" geben.
Nach Einschätzung von Bruder Wendelinus bieten vor allem die abstrakten Fenster eine Chance, Menschen einer anderen Religion oder Atheisten anzusprechen. "Wenn es so etwas wie Gott gibt, wäre es die höchste Harmonie, die höchste Perfektion, etwas Absolutes", so Wendelinus. Die Richter-Fenster gäben davon in Form und Farben eine Ahnung.
Besucherandrang erwartet
Mit Blick auf die hochkarätige Kunst rechnet die Abtei mit einem Besucherandrang; ein Besucherzentrum im Garten soll im Oktober öffnen. Fortan ist ein Drittel der vier Hektar großen Parkanlage des Klosters für Gäste zugänglich, zwei Drittel den Mönchen vorbehalten. Im Garten können Besucher dann mit den Mönchen ins Gespräch kommen.
Während ein Teil der Brüder zurückgezogen lebt, arbeiten andere - gerne auch in T-Shirt und Jeans - im öffentlichen Teil des Geländes: Bruder Michael fährt auf seinem Rasentraktor durch den Garten, Bruder Markus kümmert sich um die Bienen, Bruder Maurus versorgt die Kaninchen, dazwischen streift hin und wieder Abt Mauritius umher. Der Konvent will jetzt einen Weg finden, das zurückgezogene Gebetsleben und Besucherinteressen unter einen Hut zu bekommen.